Stadt fordert Abriss der Filder-Moschee – Ein einmaliger Fall in Deutschland

In Stuttgart
Juli 31, 2025

Leinfelden-Echterdingen – Ein jahrelanger Streit zwischen Stadtverwaltung und Moscheeverein erreicht seinen Höhepunkt: Der Rohbau der Filder-Moschee soll abgerissen werden. Ein Beschluss mit Signalwirkung, denn ein solcher Fall ist in Deutschland bislang einmalig.

Ein Streit mit Geschichte – Der Ursprung des Konflikts

Bereits 2014 hatte der Moscheeverein VKBI ein Grundstück im Leinfelder Ortsteil Oberaichen per Erbbaurechtsvertrag von der Stadt erhalten. Geplant war ein modernes Gebetshaus für die örtliche muslimische Gemeinschaft, ergänzt durch ein Schülerwohnheim. Doch es kam anders: Bauverzögerungen, Genehmigungshürden und fehlende Nachweise führten dazu, dass die Bauzeit weit über die vertraglich vereinbarte Frist hinausging.

Ein Gericht entschied schließlich, dass das Erbbaurecht erloschen sei und das Grundstück an die Stadt zurückfalle. Dies war der rechtliche Ausgangspunkt für den aktuellen Abrissbeschluss.

Warum soll die Filder-Moschee in Leinfelden-Echterdingen abgerissen werden?

Der zentrale Grund: Der Rohbau steht seit Jahren unvollendet auf dem Gelände. Laut Stadtverwaltung wurde das Vertrauen in den Moscheeverein nachhaltig beschädigt. Ein Dekra-Gutachten hatte schwere bauliche Mängel am Rohbau festgestellt. Darüber hinaus sei die geplante Nutzung, insbesondere das vorgesehene Schülerwohnheim, nicht mit den ursprünglichen Vereinbarungen in Einklang zu bringen gewesen.

Oberbürgermeister Otto Ruppaner stellte in einer Gemeinderatssitzung klar: „Das notwendige Maß an gegenseitigem Vertrauen ist nicht mehr gegeben.“ Die Stadt forderte den Verein auf, das Gebäude bis spätestens 31. Dezember 2025 auf eigene Kosten zurückzubauen.

Reaktionen: Zwischen Zustimmung und Kritik

Der Abrissbeschluss hat in der Kommunalpolitik gemischte Reaktionen hervorgerufen. Während die Fraktionen von CDU und FDP geschlossen hinter der Entscheidung stehen, äußerten sich Teile der SPD und Grünen kritisch.

Ein SPD-Ratsmitglied warnte vor einem „ökologischen Irrsinn“: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein funktionstüchtiger Rohbau abgerissen und damit wertvolle Ressourcen vergeudet werden sollen.“ Aus den Reihen der Grünen kam der Vorschlag, das Gebäude in ein medizinisches Versorgungszentrum oder ein Ärztehaus umzuwandeln – eine Idee, die vor Ort auf Unterstützung stieß.

Was spricht gegen den Abriss der Moschee?

  • Der Rohbau ist weitgehend fertiggestellt und baulich nutzbar.
  • Ein Abriss verursacht erhebliche Kosten und CO₂-Emissionen.
  • Der Fall könnte als negatives Symbol für den interkulturellen Dialog gewertet werden.
  • Eine Umnutzung als soziales oder medizinisches Zentrum wäre möglich.

Trotz dieser Argumente hielt die Stadt am Abriss fest und betonte, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Verein nicht mehr möglich sei. Ein erneuter Vertragsabschluss sei ausgeschlossen.

Ein deutschlandweit einmaliger Fall

„Gibt es in Deutschland ähnliche Fälle, dass fast fertige Moscheebauten abgerissen wurden?“ – Diese Frage beschäftigt viele Beobachter. Die Antwort: Nein. Laut zahlreichen Experten und Juristen ist der geplante Rückbau der Filder-Moschee der erste bekannte Fall dieser Art in Deutschland. Zwar gab es in der Vergangenheit Konflikte rund um Moscheebauten, doch diese wurden in der Regel durch Vermittlung, Umplanung oder Integration gelöst – nicht durch Abriss.

Islamischer Kulturverband wehrt sich

Der Dachverband VIKZ, dem der Moscheeverein angehört, zeigt sich vom Beschluss tief enttäuscht. In einer offiziellen Stellungnahme ließ der Verband mitteilen, dass man den Abriss „nicht hinnehmen“ werde. Ob es zu einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, ist bislang offen.

Ein Sprecher des VIKZ betonte: „Das Projekt wurde durch private Spenden und Darlehen getragen. Ein Rückbau würde jahrelange Aufbauarbeit zerstören.“ Gleichzeitig wurde jedoch keine konkrete Alternative zur Umsetzung angeboten. Die Stadt kritisiert die mangelnde Kommunikation und verweist auf wiederholte Fristversäumnisse und intransparente Planungen des Vereins.

Wer trägt die Kosten für den Abriss der Moschee?

Die Verantwortung liegt laut dem Gemeinderatsbeschluss beim Moscheeverein. Der Abriss muss auf eigene Kosten durchgeführt werden – eine Summe im deutlich sechsstelligen Bereich. Die Stadt hat klargestellt, dass sie keine öffentlichen Mittel zur Verfügung stellen wird, weder für den Rückbau noch für etwaige Ersatzflächen.

Verhärtete Fronten und alte Misstöne

Bereits 2018 geriet der Bau ins Visier politischer Gruppierungen: Die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ verteilte Flugblätter gegen das Projekt, woraufhin sich Stadt und Bürgerschaft klar distanzierten. Der Konflikt wurde seither von verschiedenen Seiten immer wieder emotional aufgeladen. Im Ort kursierten auch Gerüchte über eine unklare Herkunft der Finanzierungsmittel. Der Verein gab hierzu nur vage Auskünfte über Kredite und Privatspenden.

In Foren und sozialen Netzwerken hält sich das öffentliche Interesse dennoch in Grenzen – ein Phänomen, das angesichts der Brisanz des Themas überrascht.

Gibt es Alternativen zum Abriss?

Mehrere Bürgerinitiativen sowie Teile des Gemeinderats schlugen vor, die Nutzung des Gebäudes zu ändern. Als Optionen wurden genannt:

  • Ein Ärztehaus für Oberaichen
  • Ein interkulturelles Gemeindezentrum
  • Ein Bildungszentrum ohne religiöse Bindung

Bürgerinnen und Bürger äußerten in lokalen Medien den Wunsch, an der künftigen Nutzung des Geländes beteiligt zu werden. Die Stadtverwaltung schloss eine Umnutzung jedoch kategorisch aus, da das Vertrauensverhältnis als dauerhaft gestört gelte.

Bis wann muss der Moscheeverein das Gebäude abreißen?

Die gesetzte Frist ist eindeutig: Bis zum 31. Dezember 2025 muss das Gebäude vollständig zurückgebaut sein. Geschieht dies nicht, behält sich die Stadt rechtliche Schritte und eine Zwangsräumung vor. Ein solcher Schritt würde die Lage weiter eskalieren.

Ein Symbolfall mit politischer Sprengkraft

Inmitten gesellschaftlicher Debatten über Integration, kulturelle Vielfalt und Religionsfreiheit ist der Abriss der Filder-Moschee ein Thema mit hoher Symbolwirkung. Befürworter sehen darin ein notwendiges Durchgreifen der Kommune bei Vertragsbruch und mangelnder Kooperation. Kritiker fürchten ein schlechtes Vorbild und ein gefährliches Signal an andere Städte – insbesondere in einer Zeit, in der antimuslimische Tendenzen europaweit zunehmen.

Ein lokaler Beobachter formulierte es so: „Ob wir wollen oder nicht – dieser Fall wird in die Geschichtsbücher eingehen.“

Schlussbetrachtung: Was der Fall Filder-Moschee über uns aussagt

Der Konflikt um die Filder-Moschee ist mehr als nur eine baurechtliche Auseinandersetzung – er steht exemplarisch für das Spannungsverhältnis zwischen kommunaler Selbstverwaltung, religiösen Minderheiten und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Er wirft Fragen auf über Vertrauen, Integration und Verantwortung. Und er zeigt, wie wichtig klare Kommunikation und transparente Partnerschaften in interkulturellen Projekten sind.

Ob der Abriss tatsächlich erfolgt oder durch neue Verhandlungen verhindert wird, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hat mit ihrem Beschluss ein deutliches Signal gesetzt – eines, das weit über die Fildern hinaus Wirkung entfalten dürfte.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.