
Stuttgart – Ein Vorfall im ICE zwischen Stuttgart und Vaihingen an der Enz rückt die Sicherheit im Zugverkehr erneut in den Fokus. In der Nacht auf den 9. Januar 2025 wurde ein 22-jähriger Mann wegen eines dreisten Handy-Diebstahls festgenommen – doch der Fall wirft weit mehr Fragen auf als nur nach der Tat selbst.
Ein nächtlicher Diebstahl im Hochgeschwindigkeitszug
Es war gegen 00:30 Uhr, als eine 38-jährige Reisende im ICE auf der Strecke Stuttgart–Vaihingen an der Enz den Diebstahl ihres Smartphones bemerkte. Der Täter, ein 22-jähriger algerischer Staatsbürger, hatte ihr unbemerkt das Handy entwendet. Nachdem die Frau den Verlust bemerkte und den Mann direkt ansprach, gab dieser das Gerät zurück. Doch damit war der Fall nicht erledigt: Der Zugbegleiter wurde aufmerksam – nicht nur wegen des Diebstahls, sondern auch, weil der Mann ohne gültigen Fahrschein unterwegs war.
Bei der Ankunft in Vaihingen griff die Landespolizei ein. Die Beamten durchsuchten den Verdächtigen und fanden ein weiteres gestohlenes Smartphone. Gegen den Mann wird seither wegen Diebstahls und Erschleichens von Leistungen ermittelt. Ein Vorfall, der viele Bahnreisende verunsichert – und das nicht ohne Grund.
Wie häufig werden Smartphones im ICE gestohlen?
Laut aktueller Statistik der Bundespolizei wurden allein bis Oktober 2024 über 10.000 Diebstähle von Handtaschen und Gepäckstücken in Zügen gemeldet. Besonders betroffen sind Hochgeschwindigkeitsverbindungen wie der ICE, in denen es rund 3.300 Fälle gab. Smartphones gehören dabei zu den beliebtesten Zielen für Diebe, da sie schnell entwendet und leicht weiterverkauft werden können.
„Manchmal finden wir bei Tätern sprichwörtlich den Sack voller Handys“, berichtete ein Polizeisprecher in einem separaten Fall. Derartige Funde legen nahe, dass es sich bei vielen Tätern nicht nur um Gelegenheitsdiebe handelt, sondern teilweise auch um organisierte Gruppen mit systematischem Vorgehen.
Zwischen Routine und Risiko: Sicherheitsempfinden im ICE
In Foren wie ICE-Treff schildern Reisende mehrheitlich positive Erfahrungen. Viele empfinden das Reisen im ICE als sicher – selbst bei Nacht. Doch genau diese vermeintliche Sicherheit kann trügerisch sein. In spärlich besetzten Abteilen oder bei langen Nachtfahrten sinkt die soziale Kontrolle. Die Gelegenheit für Diebe wächst.
Ein Nutzer schreibt: „Ich nehme bei Abwesenheit nur Handy und Geldbeutel mit – den Rest lasse ich auf dem Platz.“ Andere wiederum berichten von einem „unguten Gefühl“, sobald sie abends allein unterwegs sind. Das Sicherheitsgefühl variiert stark, was oft auch mit individuellen Gewohnheiten und Erfahrungen zusammenhängt.
Welche Tricks setzen Taschendiebe häufig ein, auch in Zügen?
Die Täter nutzen oft klassische Ablenkungsmanöver. Der sogenannte „Cover Trick“ etwa beschreibt das Verdecken eines Gegenstands mit Zeitung oder Jacke, um ihn unauffällig an sich zu nehmen. Ein anderer gängiger Trick ist das „Drängelmanöver“, bei dem Diebe in engen Situationen absichtlich Körperkontakt suchen, um dabei unbemerkt Wertsachen zu entwenden. Besonders in Bahnhöfen und beim Ein- oder Ausstieg werden diese Methoden angewandt.
Mitreisende als stille Helden der Aufklärung
Immer wieder sind es nicht Polizei oder Zugpersonal, sondern aufmerksame Mitreisende, die zur Aufklärung beitragen. So auch in einem Fall zwischen Mannheim und Stuttgart, bei dem eine Reisende einen Mann beim Stehlen beobachtete und sofort das Personal alarmierte. Der Dieb wurde am nächsten Halt von der Polizei abgeführt. Diese Zivilcourage spielt eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung derartiger Delikte.
Welche Rolle spielen Mitreisende bei Diebstahl-Aufklärung im ICE?
Mitreisende fungieren oft als erste Beobachter und Hinweisgeber. Sie bemerken verdächtige Bewegungen, sprechen Betroffene an oder informieren das Zugpersonal. In der Nacht sind ihre Beobachtungen besonders wertvoll, da Überwachungskameras im Zug nicht immer alle Winkel erfassen.
Versteckte Dimensionen: Opportunisten und Profis
Neben organisierten Diebesbanden gibt es auch Gelegenheitsdiebe, die spontan zugreifen – etwa bei unbeaufsichtigtem Gepäck. Besonders brisant: In den Taschen finden sich nicht nur Smartphones, sondern auch Laptops, Kopfhörer oder andere persönliche Gegenstände. Die Täter suchen nach einfacher Beute und nutzen dabei jede Gelegenheit. Ein Handy, das offen auf dem Sitz liegt, wird in Sekunden zur Zielscheibe.
Was empfiehlt die Polizei, um ein Handy vor Dieben im Zug zu schützen?
- Tragen Sie Ihr Smartphone möglichst in einer verschlossenen Innentasche.
- Nutzen Sie Ortungsdienste wie „Mein iPhone suchen“ oder „Find My Device“.
- Aktivieren Sie SIM- und Gerätesperren (PIN, Muster, biometrisch).
- Behalten Sie Gepäck in Sichtweite oder nehmen Sie es bei Verlassen des Platzes mit.
- Erstellen Sie regelmäßig Back-ups Ihrer Daten, um Verluste zu minimieren.
Die Polizei rüstet auf – und setzt auf Zusammenarbeit
In den letzten Jahren wurden Überwachung und Sicherheit im Bahnverkehr deutlich ausgebaut. Ende 2024 sollen über 11.000 Kameras an Bahnhöfen und über 50.000 in Regional- und Fernverkehrszügen installiert sein. Doch Technik allein reicht nicht aus – die Zusammenarbeit mit DB-Sicherheit, Zugpersonal und Bundespolizei ist entscheidend.
Auch gemeinsame Streifen und Schulungen sind Teil der Strategie. Zugbegleiter:innen lernen, verdächtiges Verhalten frühzeitig zu erkennen und adäquat zu handeln. Doch die Zahl der Vorfälle zeigt: Es bleibt eine Herausforderung, insbesondere in weniger frequentierten Zügen oder bei Nachtfahrten.
Wie verhalten sich Tätergruppen im Zugverkehr?
Die Diebe arbeiten häufig nicht allein. In vielen Fällen sind es kleine Gruppen, die arbeitsteilig vorgehen – einer lenkt ab, ein anderer greift zu, der Dritte verschwindet mit der Beute. Die Gruppendynamik erschwert die Strafverfolgung, besonders wenn die Täter zügig umsteigen oder verschiedene Ziele ansteuern. Viele tragen zudem keine Ausweisdokumente bei sich, was die Identifizierung erschwert.
Wenn Vertrauen zur Schwachstelle wird
Reisende verlassen sich oft auf die soziale Kontrolle im Zug. Doch genau dieses Vertrauen machen sich Täter zunutze. Gepäck wird unbeaufsichtigt gelassen, Geräte bleiben offen sichtbar. Was in vielen Fällen gut geht, kann in wenigen Sekunden zu einem hohen Verlust führen – finanziell und emotional.
Das Verhalten der Opfer – ein entscheidender Faktor
In den untersuchten Fällen spielte das Verhalten der Opfer eine entscheidende Rolle. Wer aufmerksam ist, schneller reagiert und verdächtige Personen anspricht oder meldet, trägt aktiv zur Vermeidung von Schaden bei. Dabei geht es nicht um Misstrauen gegenüber Mitreisenden, sondern um bewusste Wachsamkeit.
Fazit ohne Fazit – ein realistischer Blick auf das Reisen im ICE
Der Fall aus Stuttgart ist kein Einzelfall – aber er ist exemplarisch für die Herausforderungen des modernen Zugverkehrs. Zwischen Komfort und Geschwindigkeit bleibt die Sicherheit ein Thema, das alle betrifft. Reisende können viel tun, um sich selbst zu schützen. Die Polizei reagiert mit Technik und Personal – doch ohne die Mithilfe der Fahrgäste bleiben viele Taten unbemerkt.
Mit Blick auf die Zukunft wird deutlich: Nur durch eine Kombination aus Technik, Personal, Beobachtung und Achtsamkeit lässt sich das Risiko von Diebstählen im ICE dauerhaft senken. Wer mit wachen Augen reist, schützt nicht nur sich selbst, sondern trägt zur Sicherheit aller bei.