
Zürich – Die Frauenfußball-EM 2025 hat gerade erst begonnen, doch für eine der wichtigsten Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft ist das Turnier bereits vorbei. Giulia Gwinn, Kapitänin des DFB-Teams und Leistungsträgerin beim FC Bayern, verletzte sich im Auftaktspiel gegen Polen schwer am linken Knie. Die Diagnose ist nun klar – doch was bedeutet das für Spielerin, Team und Turnierverlauf?
Ein Schockmoment in der 36. Minute
Es war ein Moment, der das Stadion verstummen ließ. In der 36. Spielminute des EM-Auftaktspiels zwischen Deutschland und Polen verdrehte sich Giulia Gwinn bei einer Abwehraktion das linke Knie. Die Szene wirkte auf den ersten Blick harmlos, doch Gwinn sank zu Boden, hielt sich sofort das Bein und musste nach kurzer Behandlungspause unter Tränen ausgewechselt werden.
Nach dem Spiel herrschte zunächst Unklarheit über die genaue Schwere der Verletzung. Trainer Christian Wück äußerte sich vorsichtig: „Wir hoffen, dass es kein Kreuzband ist.“ Doch die Sorgen waren berechtigt – vor allem angesichts Gwinns Vorgeschichte mit zwei Kreuzbandrissen in den letzten fünf Jahren.
Die Diagnose: Innenbandverletzung im linken Knie
Am Morgen nach dem Spiel wurde in Zürich ein MRT durchgeführt, das die Befürchtungen zum Teil bestätigte: Giulia Gwinn hat sich eine Verletzung des Innenbands (mediales Kollateralband, kurz MCL) im linken Knie zugezogen. Eine Operation ist laut ersten Einschätzungen nicht notwendig, doch der Ausfall wird mehrere Wochen betragen. Für das laufende Turnier ist die Kapitänin definitiv nicht mehr einsetzbar.
Die Mitteilung des DFB brachte gemischte Reaktionen mit sich. Einerseits Erleichterung, dass kein dritter Kreuzbandriss vorliegt, andererseits die bittere Gewissheit, dass das Team ohne seine Führungsspielerin weiterspielen muss.
Giulia Gwinn: Rückblick auf eine Karriere voller Comebacks
Die 25-jährige Allrounderin ist nicht nur eine der bekanntesten, sondern auch eine der widerstandsfähigsten Spielerinnen im deutschen Frauenfußball. Ihre Karriere war mehrfach von Rückschlägen geprägt:
- Februar 2020: Kreuzbandriss im rechten Knie – Ausfall über neun Monate.
- Oktober 2022: Kreuzbandriss im linken Knie – verpasste WM 2023.
- Juli 2025: Innenbandverletzung – EM-Aus beim ersten Spiel.
Trotz dieser Verletzungen kämpfte sich Gwinn immer wieder zurück – körperlich wie mental. Sie wurde zur Symbolfigur für Entschlossenheit, Disziplin und Teamgeist. Dass sie 2025 zur Kapitänin des DFB-Teams ernannt wurde, war Ausdruck dieses Vertrauens.
Häufigkeit von Knieverletzungen im Frauenfußball
Giulia Gwinns Verletzung reiht sich in eine besorgniserregende Statistik ein. Frauen im Fußball erleiden Knieverletzungen – insbesondere Kreuzbandrisse – signifikant häufiger als Männer. Studien zeigen:
Verletzungsart | Häufigkeit bei Frauen | Häufigkeit bei Männern |
---|---|---|
ACL-Riss | 6- bis 8-mal häufiger | Standardrisiko |
Innenbandverletzung (MCL) | häufig im Spielverlauf | deutlich seltener |
Diese Unterschiede lassen sich auf anatomische, hormonelle und biomechanische Faktoren zurückführen. Hinzu kommt, dass viele Trainings- und Präventionsprogramme noch nicht auf die spezifischen Bedürfnisse von Spielerinnen zugeschnitten sind.
Die medizinische Prognose bei Innenbandverletzungen
Im Vergleich zu einem Kreuzbandriss ist eine Innenbandverletzung medizinisch weniger schwerwiegend. In der Regel erfolgt die Behandlung konservativ – ohne Operation. Das bedeutet konkret:
- Stabilisierende Orthesen oder Tapes
- Reduktion der Belastung für zwei bis vier Wochen
- Aufbauende Physiotherapie zur Wiederherstellung der Beweglichkeit
- Sportartspezifisches Rehatraining
Die Rückkehr in den Spielbetrieb kann – je nach Schweregrad – nach sechs bis acht Wochen erfolgen. Bei Profis mit intensiver Betreuung ist auch eine schnellere Rückkehr denkbar.
Reaktionen aus dem Team und der Öffentlichkeit
Die emotionale Dimension dieser Verletzung war im Spiel wie auch danach spürbar. Mitspielerinnen wie Laura Freigang und Ann-Kathrin Berger äußerten sich direkt nach dem Spiel betroffen:
„Wir hoffen bis zur letzten Minute, dass es schlimmer aussah, als es wirklich ist.“ – Laura Freigang
„Dass sie nochmal auf den Platz kam, zeigt die Mentalität, die Giuli hat.“ – Ann-Kathrin Berger
Auch in den sozialen Medien zeigte sich eine Welle der Anteilnahme. Fans, Expert:innen und sogar internationale Spielerinnen sendeten Genesungswünsche. Besonders bewegend: Teamkollegin Lea Schüller begleitete Gwinn direkt nach dem Spiel mit ins Teamhotel – „Ich bin für dich da“, soll sie ihr zugeflüstert haben.
Wer ersetzt Gwinn im Team?
Trainer Christian Wück setzte nach Gwinns Auswechslung auf Carlotta Wamser. Die junge Spielerin vom VfL Wolfsburg zeigte in den verbleibenden Minuten eine solide Leistung. Ob sie dauerhaft Gwinns Position übernimmt oder das Team taktisch umstellt, wird sich in den kommenden Spielen zeigen.
Das Turnier ist für die Mannschaft dadurch nicht verloren – aber ein Kraftakt steht bevor. Die psychologische Komponente darf dabei nicht unterschätzt werden.
Langfristige Perspektive: Rückkehr und Prävention
Für Giulia Gwinn beginnt nun erneut eine Phase der Regeneration. Anders als bei ihren Kreuzbandverletzungen ist die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Genesung bei MCL-Verletzungen deutlich höher. Dennoch ist es angesichts ihrer Vorgeschichte essenziell, präventive Maßnahmen konsequent umzusetzen.
Moderne Ansätze zur Verletzungsprävention:
- Neuromuskuläre Trainingsprogramme wie FIFA 11+
- Individuell angepasste Belastungssteuerung
- Technikschulungen zur Vermeidung riskanter Bewegungsabläufe
- Monitoring hormoneller Zyklen bei Leistungssportlerinnen
Experten wie Gillian Weir und Prof. Kirsten Legerlotz betonen, dass Prävention im Frauenfußball künftig noch stärker in den Fokus rücken muss. Nur so lässt sich die Häufung schwerer Knieverletzungen dauerhaft reduzieren.
Emotionale Stärke als Markenzeichen
Giulia Gwinn hat sich in den letzten Jahren nicht nur sportlich, sondern auch menschlich einen Namen gemacht. Ihre Karriere zeigt, wie eng Erfolg und Rückschläge im Profisport verwoben sind. Und sie zeigt auch, dass Stärke nicht nur bedeutet, auf dem Platz zu glänzen – sondern auch, mit Verletzungen und Enttäuschungen offen umzugehen.
Häufig gestellte Fragen zur Verletzung von Giulia Gwinn
Was genau hat Giulia Gwinn am Knie verletzt?
Sie zog sich eine Verletzung des medialen Innenbands im linken Knie zu. Das Kreuzband blieb diesmal intakt.
Wie lange wird sie ausfallen?
Voraussichtlich mehrere Wochen. Das Turnier ist für sie vorbei, der Wiedereinstieg in den Ligabetrieb hängt vom Heilungsverlauf ab.
Wer ersetzt sie in der Nationalmannschaft?
Im ersten Spiel kam Carlotta Wamser für Gwinn auf den Platz. Weitere Anpassungen im System sind denkbar.
Hatte sie schon vorher Knieverletzungen?
Ja, 2020 und 2022 erlitt sie jeweils einen Kreuzbandriss. Die aktuelle Verletzung ist ihre dritte am Knie.
Fazit: Hoffnung und Verantwortung
Der Ausfall von Giulia Gwinn ist zweifellos ein sportlicher und menschlicher Rückschlag – für die Spielerin, das Team und viele Fans. Doch zugleich birgt dieser Moment auch Chancen: für neue Talente, für einen reflektierteren Umgang mit Prävention und für die gesellschaftliche Wertschätzung der Leistungen von Sportlerinnen, die immer wieder aufstehen.
Giulia Gwinn wird zurückkehren – das haben ihre bisherigen Comebacks gezeigt. Bis dahin bleibt die Aufgabe, ihre Lücke mit Teamgeist, Mut und Klarheit zu füllen. Und das Vertrauen in eine Spielerin zu behalten, die längst mehr ist als eine Außenverteidigerin: eine Führungsfigur für eine neue Generation im Frauenfußball.