
Riedlingen – Ein tragisches Zugunglück hat am Sonntagnachmittag das Donautal erschüttert. Ein Regionalexpress der Linie RE 55 entgleiste nahe des Ortsteils Zell, als ein Erdrutsch das Gleisbett unterspülte. Drei Menschen starben, mehr als 40 wurden verletzt. Noch immer laufen die Ermittlungen zur genauen Ursache.
Chronologie eines Unglücks
Am 27. Juli 2025 gegen 18:10 Uhr ereignete sich nahe der Kleinstadt Riedlingen im Landkreis Biberach ein schweres Zugunglück. Der betroffene Zug war ein Regionalexpress der Linie RE 55 auf dem Weg von Sigmaringen nach Ulm. Er führte rund 100 Passagiere, darunter Pendler, Touristen und Schüler, durch das landschaftlich reizvolle Donautal – ein Streckenabschnitt, der als idyllisch, aber geologisch anspruchsvoll gilt.
Plötzlich und ohne Vorwarnung wurde der vordere Teil des Zuges aus der Spur gerissen. Mehrere Waggons entgleisten, kippten seitlich weg und verkeilten sich im aufgeweichten Gelände. Augenzeugen berichten von einem lauten Rumpeln, gefolgt von Schreien und Chaos. Die Unfallstelle liegt schwer zugänglich in einer engen Kurve bei Zell – ein Umstand, der die Rettungsmaßnahmen erheblich erschwerte.
Was war die direkte Ursache für das Zugunglück in Baden-Württemberg?
Wie die Polizei Ulm und das Landeskriminalamt mitteilten, steht die Unfallursache mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit fest: Ein durch Starkregen ausgelöster Erdrutsch hatte große Mengen Erdreich über die Gleise geschoben. Die Lok fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit in das Hindernis und entgleiste.
Ein Vertreter der Polizei sagte am Tag nach dem Unglück: „Wir gehen derzeit davon aus, dass ein geologisch instabiler Hang durch die enormen Niederschläge aufgeweicht wurde und sich daraufhin gelöst hat.“ Hinweise auf eine Fremdeinwirkung oder technische Störung gebe es bislang nicht. Auch der Zustand des Zuges selbst wurde laut Deutsche Bahn als „technisch unauffällig“ beschrieben.
Welche Rolle spielte das Wetter beim Unfall?
Die Wetterlage am Unfalltag war extrem. Innerhalb weniger Minuten fielen laut dem Deutschen Wetterdienst zwischen 30 und 40 Liter Regen pro Quadratmeter – eine Wassermenge, die in der Region binnen kurzer Zeit Böden durchweichen und instabil machen kann. Besonders kritisch: Im unmittelbaren Umfeld des Unglücksorts gibt es keine eigene Wetterstation, weshalb die exakte Regenmenge nur geschätzt werden kann. Dennoch war die Umgebung durch mehrere Unwetterwarnungen bekannt als Risikozone.
Das Ausmaß der Katastrophe
Beim Zugunglück kamen drei Menschen ums Leben: der Lokführer, ein mitfahrender Mitarbeiter der Deutschen Bahn sowie ein Fahrgast. Weitere 41 Personen wurden verletzt – darunter 25 schwer. Die Zahl der Verletzten variiert leicht, da einige Betroffene erst nachträglich ärztliche Hilfe in Anspruch nahmen.
Die ersten Minuten nach dem Unglück waren geprägt von Chaos. Umherfliegendes Gepäck, aufgeschlitzte Sitze, panische Schreie – Überlebende sprechen von Szenen wie aus einem Katastrophenfilm. Das medizinische Personal richtete eine provisorische Versorgungseinheit unweit der Unfallstelle ein. Vier Hubschrauber und über 100 Rettungskräfte waren im Einsatz. Das THW unterstützte die Bergung der Waggons mit schwerem Gerät.
Wie reagierten Behörden und Bahn auf das Unglück?
Bereits kurz nach der Alarmierung trafen Vertreter der Landes- und Bundespolitik am Ort des Geschehens ein. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach in einer ersten Stellungnahme den Angehörigen sein Mitgefühl aus und lobte das „schnelle und professionelle Handeln der Einsatzkräfte.“ Verkehrsminister Patrick Schnieder kündigte zudem an, die „Risikoanalyse der Bahntrassen bundesweit zu aktualisieren.“
Auch die Deutsche Bahn äußerte sich betroffen und kündigte umfassende Aufklärungsarbeit an. Vorstandschef Richard Lutz versprach: „Wir werden jeden Stein umdrehen.“ Die Strecke blieb zunächst vollständig gesperrt. Ein Schienenersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet, der sich über mehrere Tage erstreckte.
In welcher Strecke war der Zug unterwegs, der verunglückte?
Die Regionalexpress-Linie RE 55 verbindet Sigmaringen mit Ulm. Die betroffene Trasse verläuft parallel zur Donau, durch hügeliges, waldreiches Gelände. In der Nähe der Unfallstelle, im Ortsteil Zell bei Riedlingen, führt die Bahntrasse an einer steilen Böschung entlang – einem Bereich, der schon in der Vergangenheit als kritisch eingestuft wurde. Der genaue Unglückspunkt liegt zwischen den Haltestellen Mengen und Herbertingen.
Wie sicher ist Bahnfahren in Deutschland?
Das Zugunglück bei Riedlingen ist zwar tragisch, doch Bahnunfälle mit Todesfolge sind in Deutschland sehr selten. Laut Statistischem Bundesamt ereigneten sich zwischen 2019 und 2022 jährlich rund 400–500 Bahnzwischenfälle mit Personenschaden – allerdings nur ein sehr kleiner Bruchteil davon betraf Passagiere innerhalb fahrender Züge.
Jahr | Bahnunfälle gesamt | Getötete | Fahrgasttote |
---|---|---|---|
2020 | 437 | 179 | 2 |
2021 | 461 | 181 | 4 |
2022 | 491 | 170 | 5 |
Viele Unfälle entstehen an Bahnübergängen oder durch fahrlässiges Verhalten von Personen im Gleisbereich. Entgleisungen durch Naturereignisse wie Erdrutsche sind extrem selten – doch sie treten mit zunehmender Klimaverschärfung offenbar häufiger auf.
Welche langfristigen Folgen sind zu erwarten?
Die Deutsche Bahn hat angekündigt, das Sicherheitskonzept für Streckenabschnitte in Hanglage zu überprüfen. Denkbar seien neue Sensoriklösungen, die instabile Böschungen überwachen, oder eine stärkere Bepflanzung zur Bodensicherung. Auch eine systematische geotechnische Neubewertung gefährdeter Streckenabschnitte könnte in Erwägung gezogen werden.
Innenminister Thomas Strobl äußerte: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass klimatische Extremereignisse nicht mehr Ausnahme, sondern häufiger Realität sind. Infrastruktur muss darauf vorbereitet sein.“
Welche Lehren lassen sich aus dem Unglück ziehen?
- Überwachung gefährdeter Hanglagen ist bisher lückenhaft.
- Der Klimawandel erhöht die Gefahr von Erdrutschen an Bahnstrecken.
- Rettungskonzepte für schwer zugängliche Trassen müssen verbessert werden.
- Kommunikation in sozialen Medien spielt in der Echtzeitlage eine immer größere Rolle.
Wie berichteten soziale Medien über das Unglück?
Besonders auffällig war der Verlauf der Informationslage auf Plattformen wie Reddit oder X (ehemals Twitter). Dort kursierten früh Gerüchte über Todesopfer, noch bevor offizielle Stellen bestätigten. Gleichzeitig wurden wertvolle Hinweise zur Lage des Unglücksorts, zur Streckensperrung und zu Umleitungen durch Nutzer geteilt.
Ein Kommentar auf Reddit lautete: „Die Unglücksstelle ist bei Riedlingen, Ortsteil Zell, im Donautal. Züge werden über Aulendorf umgeleitet.“ Solche Informationen zeigen, wie digital vernetzte Zivilgesellschaft heute in Echtzeit zur Aufklärung beiträgt – auch wenn sie zugleich Fehlinformationen streuen kann.
Der Tag, der alles veränderte
Der 27. Juli 2025 wird für viele Menschen im Donautal unvergesslich bleiben. Die Angehörigen der Toten trauern, die Verletzten müssen teils mit bleibenden Schäden leben. Und für die Bahn beginnt nun ein langer Prozess der Aufarbeitung – technisch, organisatorisch und politisch.
Das Zugunglück bei Riedlingen ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie empfindlich moderne Infrastruktur auf Naturkräfte reagieren kann. In einer Zeit, in der Extremwetterlagen zur neuen Normalität werden, müssen Technik, Überwachung und Krisenpläne an neue Realitäten angepasst werden. Für die Opfer kommt jede Einsicht zu spät. Doch ihr Schicksal könnte helfen, künftige Katastrophen zu verhindern.