
Kabul – Afghanistan ist seit dem 29. September 2025 praktisch vom weltweiten Netz abgeschnitten. Auf Befehl der Taliban wurden Mobilfunk- und Internetverbindungen im gesamten Land stark eingeschränkt oder gänzlich abgeschaltet. Die Maßnahme hat gravierende Folgen für Wirtschaft, Bildung, humanitäre Hilfe und die Kommunikation mit dem Ausland.
Ein landesweiter Blackout mit historischen Dimensionen
Seit Ende September 2025 herrscht in Afghanistan ein nahezu vollständiger Kommunikationsstillstand. Internationale Monitoringdienste wie NetBlocks und Cloudflare dokumentierten, dass die Internetkonnektivität innerhalb weniger Stunden auf rund ein Prozent des Normalniveaus fiel. Der Schritt markiert einen der tiefgreifendsten Eingriffe in die digitale Infrastruktur des Landes seit der Machtübernahme der Taliban im Jahr 2021.
Warum haben die Taliban das Internet abgeschaltet?
Die Taliban selbst begründen die Maßnahme mit der Notwendigkeit, sogenannte „Unmoral“ zu bekämpfen. Gemeint sind damit Inhalte, die sie als schädlich oder gegen ihre religiösen Vorstellungen betrachten. Schon zuvor hatte es regionale Abschaltungen gegeben, bei denen Glasfaserleitungen gekappt und High-Speed-Zugänge abgeschaltet wurden. Viele Beobachter sehen jedoch hinter der Entscheidung vor allem politische Kontrolle: Mit dem Blackout sollen kritische Stimmen mundtot gemacht und die Informationsfreiheit massiv eingeschränkt werden.
Ein abruptes Ende digitaler Verbindungen
Cloudflare Radar verzeichnete den abrupten Einbruch der Verbindungen am 29. September gegen 17 Uhr Ortszeit. Zunächst waren regionale Provinzen wie Herat oder Takhar betroffen, in denen die Verbindungen schon in den Nächten zuvor zwischen 21 Uhr und 8 Uhr abgeschaltet wurden. Schließlich wurde der Blackout landesweit durchgesetzt. Twitter-Nutzer wie der Journalist Natiq Malikzada berichteten, dass Glasfaserverbindungen gekappt und mobile Datenverbindungen auf 2G gedrosselt wurden.
Die Folgen für Bevölkerung und Infrastruktur
Die Auswirkungen des Blackouts sind vielschichtig und betreffen nahezu alle Lebensbereiche. Besonders hart trifft es den Finanzsektor: Banken können keine Transaktionen mehr durchführen, Bargeldversorgung und digitales Bezahlen sind eingeschränkt. Auch der Luftverkehr ist gestört, da Kommunikationssysteme für Buchungen und Sicherheitskontrollen fehlen. Selbst grundlegende Bereiche wie Gesundheitsversorgung und Katastrophenhilfe sind beeinträchtigt, weil Notfallmeldungen und Koordination kaum möglich sind.
Welche Dienste und Infrastrukturen sind betroffen?
- Banken und Finanzdienste – digitale Transaktionen unmöglich
- Luftfahrt – Störungen bei Buchungssystemen und Sicherheitsabläufen
- Bildung – kein Zugang mehr zu Onlinekursen und Lernplattformen
- Medien – Journalisten verlieren Kommunikationswege
- Hilfsorganisationen – erschwerte Koordination von Hilfsgütern
Besondere Auswirkungen auf Frauen und Mädchen
Viele Frauen in Afghanistan waren in den vergangenen Jahren auf Online-Bildung und digitale Arbeit angewiesen, da ihnen der Zugang zu Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen verwehrt wurde. Der Internetausfall bedeutet für sie den Verlust der letzten Möglichkeit, sich weiterzubilden oder Einkommen zu generieren. „Die digitale Isolation trifft vor allem Frauen und Mädchen, die ohnehin schon an den Rand gedrängt wurden“, kommentierte ein Vertreter einer Menschenrechtsorganisation.
Internationale Reaktionen und Kritik
Die Vereinten Nationen und internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch haben den Blackout scharf kritisiert. Sie fordern die sofortige Wiederherstellung der Internet- und Mobilfunkdienste, da die Maßnahme eine Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellt. Besonders hervorgehoben wird, dass der Ausfall humanitäre Einsätze in einem Land blockiert, das ohnehin unter einer schweren Wirtschaftskrise leidet.
Zitate internationaler Organisationen
Die UN-Mission in Afghanistan sprach von einer „lebensgefährlichen Unterbrechung der Kommunikation“ und warnte, dass im Falle von Naturkatastrophen oder Angriffen die Bevölkerung schutzlos wäre. Amnesty International forderte: „Die Taliban müssen den Zugang zum Internet unverzüglich wiederherstellen. Der digitale Blackout isoliert das afghanische Volk von der Welt.“
Wie stark ist der Rückgang messbar?
Monitoringdienste wie NetBlocks und Cloudflare haben die Datenströme präzise aufgezeichnet. Der Rückgang betrug mehr als 99 Prozent des üblichen Traffics. Das bedeutet praktisch eine vollständige Abschaltung. Lediglich minimale Restaktivität einzelner Netzbetreiber konnte gemessen werden, die aber kaum für normale Kommunikation ausreicht.
Statistische Einordnung
Vor dem Blackout nutzten laut DataReportal etwa 13,2 Millionen Afghanen das Internet – rund 30 Prozent der Bevölkerung. Die Mobilfunkpenetration lag bei über 50 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Millionen Menschen über Nacht von der digitalen Welt abgeschnitten wurden.
Jahr | Internetnutzer | Penetration | Mobilfunkanschlüsse |
---|---|---|---|
2024 | 7,88 Mio. | 18,4 % | 21,9 Mio. |
2025 | 13,2 Mio. | 30,5 % | 22,3 Mio. |
Hintergrund: Kontrollierte Infrastruktur
Afghanistan ist technisch in einer besonderen Lage: Der gesamte Internetverkehr läuft über Nachbarländer, und der zentrale Internet Exchange Point (NIXA) in Kabul ist staatlich kontrolliert. Diese zentrale Struktur macht es den Taliban möglich, mit einem „Kill Switch“ das Land nahezu vollständig vom globalen Netz zu trennen. Experten vergleichen diese Infrastruktur mit autoritären Modellen in Ländern wie Nordkorea oder China, wo ebenfalls nationale Netze kontrolliert werden.
Gibt es Hinweise auf Dauerhaftigkeit?
Offiziell haben die Taliban den Ausfall „bis auf Weiteres“ angekündigt. Eine klare Perspektive zur Wiederherstellung gibt es nicht. Viele Experten befürchten, dass es sich nicht nur um eine temporäre Maßnahme handelt, sondern dass langfristig ein streng kontrolliertes Intranet etabliert werden könnte.
Stimmen aus der Bevölkerung und sozialen Medien
Während offizielle Medien unter Kontrolle stehen, geben soziale Plattformen wie Reddit oder Twitter Einblicke in die Realität. Nutzer berichten von nächtlichen Abschaltungen in Herat und der bewussten Trennung von Glasfaserkabeln. In Foren wird spekuliert, dass die Taliban auf lange Sicht ein isoliertes nationales Netz nach chinesischem Vorbild aufbauen wollen. Diese Berichte unterstreichen die Dimension des Eingriffs in den Alltag der Menschen.
Wann begann der Blackout genau?
Die vollständige Unterbrechung begann am 29. September 2025. Bereits zuvor war es in mehreren Provinzen zu zeitweiligen Abschaltungen gekommen. Der landesweite Schnitt entwickelte sich über Stunden zu einem Totalausfall, der am 30. September von internationalen Beobachtern bestätigt wurde.
Ökonomische und soziale Schockwellen
Die wirtschaftlichen Folgen sind enorm. Onlinehandel, Finanztransaktionen, Dienstleistungen und selbst kleine Start-ups sind auf digitale Kanäle angewiesen. Ohne Internet verlieren tausende Menschen ihre Einkommensquelle. Der Blackout verstärkt die bereits bestehende Wirtschaftskrise und beschleunigt den Exodus von Fachkräften. Viele Familien sind auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen – diese Zahlungen sind nun massiv gestört.
Tabellarische Übersicht der Hauptauswirkungen
Bereich | Folge des Blackouts |
---|---|
Finanzwesen | Blockierte Banküberweisungen, kein digitales Bezahlen |
Luftfahrt | Gestörte Kommunikations- und Buchungssysteme |
Bildung | Kein Onlineunterricht mehr möglich |
Hilfsorganisationen | Koordination humanitärer Hilfe blockiert |
Gesellschaft | Isolation, fehlender Zugang zu Informationen |
Digitale Isolation als politische Strategie
Analysten bewerten den Blackout als klare Machtdemonstration. Die Taliban zeigen damit, dass sie bereit sind, das Land digital zu isolieren, um ihre Kontrolle durchzusetzen. Dies wird von internationalen Organisationen als Beweis dafür gesehen, dass sich die Taliban ideologisch nicht moderiert haben. Stattdessen verschärfen sie die Repression und setzen auf eine technologische Abschottungspolitik.
Schlussabsatz: Afghanistan zwischen Isolation und Kontrollpolitik
Der landesweite Blackout ist mehr als nur ein technisches Problem – er ist Ausdruck einer politischen Strategie, die auf Kontrolle, Isolation und Unterdrückung setzt. Millionen Menschen sind von einem Tag auf den anderen von Bildung, Arbeit und Kommunikation abgeschnitten worden. Besonders Frauen und Mädchen verlieren damit die letzte Chance auf digitale Teilhabe. Die internationale Gemeinschaft fordert ein Ende dieser Maßnahme, doch die Taliban scheinen entschlossen, ihre Linie fortzusetzen. Für Afghanistan bedeutet dies, dass es in einer Zeit globaler Vernetzung zu einem Land werden könnte, das im digitalen Dunkel isoliert ist – mit gravierenden Konsequenzen für Wirtschaft, Gesellschaft und die Rechte seiner Bürger.