Autoexperte Dudenhöffer warnt: Rückkehr zum Verbrenner-Aus wäre fatal für die Industrie

In Wirtschaft
Oktober 09, 2025

Berlin. Die Diskussion um das EU-weite Verbrenner-Aus spaltet Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Während einige Parteien auf ein „technologieoffenes“ Umdenken drängen, mahnt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer zur Vernunft. Eine Abkehr vom geplanten Aus für neue Verbrennungsmotoren ab 2035 sei nicht die Rettung der Autoindustrie – sondern ein gefährlicher Rückschritt.

Die Scheindebatte um das Verbrenner-Aus

Dudenhöffer, einer der renommiertesten Autoökonomen Deutschlands, nennt die aktuelle Diskussion um eine mögliche Rücknahme des Verbrenner-Verbots eine „Scheindebatte“. Die politische Auseinandersetzung lenke, so der Experte, von den wahren Herausforderungen des deutschen Automobilstandorts ab. „Die eigentlichen Probleme liegen nicht im Motor, sondern in der Struktur“, sagt Dudenhöffer. Bürokratie, Energiepreise und Lohnnebenkosten seien die zentralen Stolpersteine für die Branche.

Die Forderungen, das Verbrenner-Aus zu überdenken, kommen vor allem aus konservativen Parteien. Sie argumentieren, eine Verlängerung der Laufzeit für Verbrennungsmotoren sichere Arbeitsplätze und verhindere Deindustrialisierung. Doch diese Argumentation hält der Autoexperte für kurzsichtig: „Die Industrie hat längst Milliarden in Elektromobilität investiert. Eine Rolle rückwärts würde Vertrauen, Kapital und Innovationskraft vernichten.“

Strukturprobleme statt Technologiefragen

Die deutsche Autoindustrie steht unter Druck. Seit Jahren sinken Marktanteile, während internationale Wettbewerber – insbesondere aus China – ihre Position im Elektrosegment massiv ausbauen. Laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) ist Deutschland zwar weiterhin einer der größten Produzenten von Elektrofahrzeugen, doch ohne den Wandel hin zur Elektromobilität würde der Standort massiv an Bedeutung verlieren. Der Preisabstand zwischen Verbrennern und E-Autos schrumpft zunehmend, während Batteriekosten sinken und die Ladeinfrastruktur stetig wächst.

Warum das Verbrenner-Aus kein Jobkiller ist

Eine der häufigsten Fragen lautet: „Wie viele Arbeitsplätze könnten durch das Verbrenner-Aus gefährdet sein?“ Studien gehen davon aus, dass bis zu 250.000 Jobs in klassischen Verbrenner-Sparten – vor allem bei Zulieferern – verloren gehen könnten. Doch gleichzeitig entstehen neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich Batterietechnologie, Softwareentwicklung und Recycling. Eine Analyse des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) zeigt: Zwar sinkt das Arbeitskräfteangebot bis 2035 um etwa 6,3 %, doch die Zahl neuer Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Segmenten wächst kontinuierlich.

Dudenhöffer betont: „Wir dürfen uns nicht an alten Strukturen festklammern. Der Wandel ist unausweichlich – wer ihn verzögert, gefährdet ihn.“ Diese Einschätzung teilen auch Ökonomen des IW, die vor allem auf Innovationslücken in Deutschland hinweisen. Ohne Investitionen in Forschung und Infrastruktur verliere die Branche ihre globale Relevanz.

Marktkräfte statt politischer Eingriffe

Ein weiterer zentraler Punkt in Dudenhöffers Analyse betrifft die Rolle des Marktes. „Das Verbrenner-Aus regelt sich von selbst“, sagte er in einem Interview. Steigende CO₂-Bepreisung und höhere Betriebskosten für fossile Fahrzeuge würden den Markt ohnehin in Richtung Elektro treiben – ganz ohne politische Zwangsmaßnahmen. Schon jetzt liegen die Betriebskosten eines E-Autos im Durchschnitt 25 bis 30 % unter denen eines vergleichbaren Benziners, wenn Strompreise und Wartung einbezogen werden.

Nachfrageverhalten und Verbraucherstimmung

Die Unsicherheit der Verbraucher bleibt jedoch hoch. Viele potenzielle Käufer beobachten die politische Diskussion mit Skepsis. Auf Plattformen wie Reddit und in Foren berichten Nutzer, sie zögerten mit dem Kauf eines E-Autos, weil sie sich „nicht auf politische Zusagen verlassen“ wollten. Andere betonen, dass Preissenkungen bei Verbrennern momentan kurzfristig attraktiver seien. Diese Stimmung ist trügerisch: Sinkende Preise bei Verbrennern spiegeln eher Absatzprobleme wider – ein Zeichen, dass Hersteller Lagerbestände abbauen müssen.

Frage: „Darf man nach 2035 bestehende Verbrenner noch fahren?“

Viele Autofahrer befürchten ein generelles Fahrverbot für Benziner oder Diesel. Tatsächlich betrifft das EU-Verbot nur die Neuzulassung ab dem Jahr 2035. Fahrzeuge, die vorher zugelassen wurden, dürfen weiterhin gefahren, verkauft und gewartet werden. Es geht also nicht um ein „Fahrverbot“, sondern um die Beendigung der Produktion neuer Verbrenner-Modelle.

Technologieoffenheit oder Rückschritt?

Der Begriff „Technologieoffenheit“ wird in politischen Debatten häufig als Argument gegen das Verbrenner-Aus ins Feld geführt. Doch Dudenhöffer warnt: Diese Forderung werde oft missbraucht, um den Übergang zur Elektromobilität zu verzögern. Er bezeichnet sie als „Schlagwort ohne Substanz“, denn der technologische Pfad sei längst klar: Elektromobilität, unterstützt durch Wasserstoff- und Hybridlösungen in Nischenbereichen.

Alternative Kraftstoffe: E-Fuels und Realität

In sozialen Medien wie LinkedIn und X (ehemals Twitter) wird heiß über E-Fuels diskutiert. Viele Nutzer sehen in synthetischen Kraftstoffen eine Chance, den Verbrenner zu retten. Fachleute widersprechen: Die Produktion von E-Fuels ist energieintensiv, teuer und in der Masse kaum skalierbar. Ein Liter synthetischer Treibstoff könnte in der Produktion das Dreifache eines Benzinpreises kosten – wirtschaftlich also nur für Spezialanwendungen (z. B. Luftfahrt) sinnvoll.

Die wirtschaftliche Realität: Kosten, Konkurrenz, Konsequenzen

China bleibt der größte Wettbewerber im globalen Automarkt. Laut aktuellen Studien setzen chinesische Hersteller zunehmend auf günstige E-Modelle, die westliche Marken preislich unter Druck setzen. Europäische Hersteller stehen vor der Wahl: mitziehen oder Marktanteile verlieren. Dudenhöffer warnt, dass Deutschland Gefahr läuft, im Preiskampf abgehängt zu werden, falls zu viel Geld in alte Technologien fließt. „Eine Rückkehr zum Verbrenner wäre eine Rückkehr ins Abseits“, so seine Einschätzung.

Politische Dimension: Der Autogipfel und seine Folgen

Beim jüngsten Autogipfel in Berlin standen Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Strompreise und das EU-Verbot ab 2035 im Mittelpunkt. Während CDU-Chef Friedrich Merz eine Neubewertung forderte, hält die SPD an den EU-Plänen fest. In der Koalition herrscht Uneinigkeit, doch Branchenvertreter verlangen Planungssicherheit. „Die Industrie braucht keine neuen Diskussionen, sondern stabile Rahmenbedingungen“, heißt es aus Unternehmenskreisen.

Frage: „Welche Regionen in Deutschland sind vom Verbrenner-Aus besonders betroffen?“

Besonders stark betroffen sind Regionen mit hohem Anteil an Zulieferbetrieben für Motorenkomponenten. Dazu zählen Teile Niedersachsens, Bayern und das Saarland. In manchen Landkreisen arbeiten bis zu 14 % der Beschäftigten in Bereichen, die direkt von der Transformation betroffen sind. Allerdings entstehen parallel neue Fertigungszentren für Batterien, was den Strukturwandel abfedern könnte.

Gesellschaftliche Stimmung und öffentliche Wahrnehmung

In der Bevölkerung herrscht Uneinigkeit: Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass etwa 60 % der Deutschen das Verbrenner-Verbot skeptisch sehen. Besonders ältere Generationen empfinden den Umstieg als überstürzt. In sozialen Medien zeigen sich jedoch zunehmend positive Stimmen junger Menschen, die E-Mobilität als Chance für Klimaschutz und technologische Modernisierung betrachten. Diese Spaltung verdeutlicht, dass politische Kommunikation und Aufklärung entscheidend sind, um Akzeptanz zu schaffen.

Markt, Forschung und Zukunftsaussichten

Die deutsche Autoindustrie beschäftigt über 770.000 Menschen und erwirtschaftet jährlich rund 540 Milliarden Euro Umsatz. Der Wandel zur E-Mobilität wird diese Struktur tiefgreifend verändern. Schon jetzt zeigen sich Verlagerungen in die Batterieproduktion und Softwareentwicklung. Laut EY-Studie wurden im letzten Jahr über 50.000 Arbeitsplätze abgebaut, gleichzeitig aber in den Bereichen Elektrotechnik und Digital Services neue geschaffen. Die Transformation verläuft also nicht linear, sondern über Kompensationseffekte.

Frage: „Würde eine Rücknahme des Verbrenner-Verbots die Autoindustrie wirklich retten?“

Dudenhöffer und andere Ökonomen sind sich einig: Eine Rücknahme wäre ein fatales Signal. Die Industrie brauche langfristige Stabilität, nicht ständige Richtungswechsel. Eine Abkehr vom Verbrenner-Aus würde Investoren verunsichern, Lieferketten gefährden und den Übergang zu klimaneutraler Mobilität verzögern. Stattdessen sei der Fokus auf Innovation und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend.

Tabellarischer Überblick: Zentrale Herausforderungen der Autoindustrie

HerausforderungAuswirkungEmpfohlene Maßnahme
Hohe EnergiepreiseVerlagerung der Produktion ins AuslandFörderung grüner Stromtarife für Industrie
Bürokratie & RegulierungInvestitionsverzögerungenAbbau administrativer Hürden
FachkräftemangelRückgang der InnovationskraftUmschulungsprogramme und Weiterbildung
China-KonkurrenzPreisdruck auf E-AutosStärkung europäischer Lieferketten

Ein Blick nach vorn: Warum der Weg kein Zurück kennt

Die Zukunft der deutschen Autoindustrie liegt in der Transformation, nicht in der Nostalgie. Der Umstieg auf elektrische Antriebe ist keine ideologische Entscheidung, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Der globale Wettbewerb zwingt Hersteller, effizienter, klimaneutraler und digitaler zu werden. Eine politische Rolle rückwärts wäre nicht nur teuer, sondern würde Vertrauen in die Innovationskraft des Standorts Deutschland zerstören.

Wie Dudenhöffer es formuliert: „Die Autoindustrie braucht Mut zur Zukunft, nicht Angst vor Veränderung.“ Der Weg ist vorgezeichnet – wer ihn jetzt verlässt, wird von der Welt überholt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.