
Fürstenfeldbruck – Die Diskussion um die künftige Verkehrsführung in der Brucker Innenstadt erreicht einen neuen Höhepunkt. Die Bürgerinitiative „Verbleib der B2“ hat deutlich mehr Unterschriften gesammelt als erforderlich und damit den Weg für einen Bürgerentscheid geebnet. Das Vorhaben, die Bundesstraße B2 umzuwidmen, spaltet Politik, Verwaltung und Bevölkerung gleichermaßen – und könnte nun an der Urne entschieden werden.
Hintergrund: Warum die B2 so umstritten ist
Die Bundesstraße 2 (B2) verläuft mitten durch Fürstenfeldbruck und ist seit Jahren Gegenstand intensiver Debatten. Während ein Teil der Stadtpolitik auf eine Umwidmung der bisherigen Bundesstraße setzt, um die Innenstadt zu entlasten, fürchten andere eine Verschlechterung der Verkehrsflüsse und mehr Belastung in den angrenzenden Wohngebieten. Die Stadt plant, Teile der Oskar-von-Miller-Straße und der Äußeren Schöngeisinger Straße künftig als neue Hauptverbindung auszuweisen.
Der Stadtrat hatte bereits im Mai beschlossen, den Weg für eine Verlegung der B2 einzuschlagen. Diese Entscheidung löste die Gründung der Bürgerinitiative „Verbleib der B2“ aus. Ihr Ziel: Die bestehende Verkehrsführung beizubehalten und eine Umwidmung städtischer Straßen zu verhindern.
Initiative übertrifft das Unterschriftenziel
Die Initiative sammelte innerhalb weniger Wochen 2.156 Unterschriften – rund 150 mehr als die erforderlichen 2.000, die für einen Bürgerentscheid in einer Stadt der Größe Fürstenfeldbrucks notwendig sind. Sprecher Markus Droth sprach von einem „fulminanten Endspurt eines starken Teams“. Die Sammlung lief bis kurz vor der Stadtratssitzung am 28. Oktober, zu der die Listen offiziell eingereicht wurden.
Damit ist klar: Der Bürgerentscheid kommt. Die Stadtverwaltung muss nun prüfen, ob die Unterschriften gültig sind und die rechtlichen Voraussetzungen für einen Bürgerentscheid erfüllt werden. Sollte dies der Fall sein, dürfte die Abstimmung voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres stattfinden.
Wie viele Unterschriften wurden gesammelt, und wie viele waren nötig?
Insgesamt 2.156 Unterschriften wurden vorgelegt, erforderlich waren 2.000. Diese Zahl ergibt sich aus der Einwohnerzahl der Stadt. Schon wenige Tage nach dem Start der Aktion zeichnete sich ab, dass das Ziel erreichbar war – eine beachtliche Leistung für eine rein ehrenamtlich organisierte Bewegung.
Die Fragestellung des Bürgerentscheids
Die zentrale Frage, über die die Bürger abstimmen sollen, lautet: „Verbleib der B2 – keine Umwidmung städtischer Straßen.“ Diese Formulierung wurde in Abstimmung mit der Kommunalaufsicht festgelegt, um rechtlich klare Bedingungen zu schaffen. Sollte eine Mehrheit der Stimmberechtigten dieser Formulierung zustimmen, müsste der Stadtrat den Beschluss zur Umwidmung zurücknehmen.
Was bedeutet eine Umwidmung konkret?
Mit einer Umwidmung würde die bisherige Bundesstraße ihre rechtliche Einstufung verlieren und in kommunales Eigentum übergehen. Damit hätte die Stadt die volle Planungshoheit – etwa bei der Gestaltung der Straße, Tempolimits oder Lärmschutzmaßnahmen. Gleichzeitig ginge die Verantwortung für Unterhalt und Instandhaltung auf die Kommune über, was zusätzliche Kosten verursachen könnte.
Technische und rechtliche Hürden
Die Diskussion über die B2 ist längst nicht nur politisch, sondern auch technisch komplex. Nach Informationen aus dem Rathaus wurde ein zweites Gutachten beauftragt, um offene Fragen aus einer ersten Machbarkeitsstudie zu klären. Besonders der Zustand der Amperbrücke gilt als Knackpunkt – sie ist zentraler Bestandteil der Verkehrsführung und müsste bei einer Umwidmung auf ihre Tragfähigkeit überprüft werden.
„Wir wollen eine fundierte Entscheidung treffen, die auf Fakten basiert, nicht auf Emotionen“, erklärte ein Sprecher der Stadt. Erst wenn alle bautechnischen Fragen geklärt sind, könne eine politische Entscheidung verantwortungsvoll getroffen werden.
Warum wird ein zweites Gutachten eingeholt?
Das erste Gutachten des Staatlichen Bauamts enthielt noch Unklarheiten hinsichtlich der Belastbarkeit der bestehenden Infrastruktur. Das zweite Gutachten soll diese Fragen beantworten und eine fundierte Grundlage für die politische Entscheidung schaffen. Die Ergebnisse werden noch vor dem Bürgerentscheid erwartet.
Politische Reaktionen: Zustimmung und Skepsis
In der Fürstenfeldbrucker Stadtpolitik herrscht keine Einigkeit. Während Vertreter der SPD die geplante Verlagerung der B2 auf die Umfahrungsstrecke als „pragmatische Lösung“ bezeichnen, äußern andere Parteien deutliche Kritik. Die CSU und Teile der Freien Wähler sehen in der Umwidmung ein „unnötiges Risiko für die Stadtfinanzen“.
Auf Social Media äußern sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger: Während einige den „Mut der Initiative“ loben, warnen andere vor einer „Verhinderungspolitik“. Auf der Facebook-Seite „DeinFFB“ kommentierte ein Nutzer: „Wir brauchen weniger LKWs in der Innenstadt – nicht mehr Verkehr auf den Nebenstraßen!“ Ein anderer schrieb: „Wenn die Stadt Verantwortung übernimmt, kann sie endlich eigene Regeln festlegen, statt auf das Bauamt zu warten.“
Streitpunkt Zeitdruck: Kritik an der Stadtverwaltung
Die Initiative kritisiert den vom Stadtrat vorgegebenen Zeitrahmen scharf. Laut Markus Droth habe der Zeitdruck die Beteiligung der Bürger erschwert. „Uns blieb kaum Zeit, um alle Haushalte zu erreichen und aufzuklären“, so Droth. Tatsächlich sollten die Unterschriften ursprünglich bis zur Stadtratssitzung Ende Oktober eingereicht werden, was die Organisation unter erheblichen Druck setzte.
Welche rechtlichen Bedenken gibt es?
Die Stadtspitze sieht mögliche rechtliche Unsicherheiten. Laut Verwaltung könnte der geplante Bürgerentscheid nicht bindend sein, falls die Entscheidung über die B2 rechtlich auf Landesebene liegt. Dennoch zeigt der Fall exemplarisch, wie stark Bürgerinnen und Bürger kommunalpolitische Prozesse mitgestalten können.
Einordnung: Bürgerentscheide in Bayern
Bayern gilt bundesweit als Vorreiter in Sachen direkter Demokratie. Seit Einführung des kommunalen Bürgerentscheids wurden laut Mehr Demokratie e.V. über 3.600 Verfahren initiiert – davon allein 93 im Jahr 2024. Die Hürden für Bürgerbegehren sind vergleichsweise niedrig, was den Bürgern mehr Mitsprache ermöglicht, die Verwaltung jedoch auch stärker belastet.
| Jahr | Anzahl der Bürgerentscheide in Bayern | Erfolgsquote (durchgesetzt) |
|---|---|---|
| 2023 | 89 | 42% |
| 2024 | 93 | 44% |
| 2025 (bisher) | 67 | — |
Experten sehen in diesen Zahlen ein Zeichen wachsender Bürgerbeteiligung. „In Bayern hat sich die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene fest etabliert“, heißt es im Bericht. „Die Verfahren führen nicht nur zu Abstimmungen, sondern zwingen Verwaltungen auch, transparenter zu arbeiten.“
Verkehr, Umwelt und Lebensqualität
Ein zentraler Streitpunkt bleibt die Frage, welche Auswirkungen die geplante Verlagerung der B2 auf Verkehr, Umwelt und Lebensqualität hätte. Befürworter erwarten weniger Lärm, geringere Abgaswerte und eine lebenswertere Innenstadt. Gegner hingegen befürchten Verdrängungseffekte: Mehr Verkehr auf kleineren Straßen, längere Fahrzeiten und potenziell höhere Unfallrisiken.
Auf den Social-Media-Seiten der Stadt und lokaler Gruppen wird diese Frage besonders emotional diskutiert. Viele Beiträge drehen sich um persönliche Erfahrungen – etwa Eltern, die über unsichere Schulwege berichten, oder Ladenbesitzer, die auf Kundenschwund durch veränderte Verkehrsströme hinweisen.
Welche Trasse ist im Gespräch?
Diskutiert wird vor allem die Verlagerung auf die Oskar-von-Miller-Straße und die Äußere Schöngeisinger Straße. Diese Strecke soll eine Umfahrung der Innenstadt bilden und den Durchgangsverkehr aufnehmen. Kritiker bemängeln jedoch, dass gerade diese Straßen schon heute stark belastet seien und die baulichen Voraussetzungen begrenzt seien.
Was passiert nach dem Bürgerentscheid?
Wenn die Mehrheit der Bürger für den Verbleib der B2 stimmt, müsste der Stadtrat den Beschluss zur Umwidmung zurücknehmen. Stimmt die Mehrheit dagegen, kann die Stadt ihre Planungen fortsetzen und mittelfristig die Umwidmung mit dem staatlichen Bauamt verhandeln. In beiden Fällen ist ein endgültiger Abschluss des Themas nicht vor 2026 zu erwarten.
Beteiligung und Emotion: Der Bürger als Entscheidungsträger
Der Fall B2 zeigt, wie engagiert Bürgerinnen und Bürger in kommunalen Fragen mitbestimmen möchten. Für viele ist der Bürgerentscheid nicht nur eine Abstimmung über Asphalt, sondern über Demokratieverständnis und Vertrauen in die lokale Politik. Die hohe Zahl der Unterschriften in kurzer Zeit gilt als Signal: Die Menschen wollen gehört werden.
Auch in den sozialen Medien ist dieses Engagement spürbar. Innerhalb weniger Wochen entstanden dutzende Gruppen und Forenbeiträge, in denen Bürger Pläne, Karten und Argumente austauschen. Die Diskussion bleibt dabei überwiegend sachlich, auch wenn sich die Fronten verhärten.
Ausblick auf die kommenden Wochen
In den nächsten Wochen wird die Stadtverwaltung die Unterschriften prüfen und den Termin für den Bürgerentscheid festlegen. Parallel dazu laufen Informationsveranstaltungen, auf denen sowohl die Stadt als auch die Initiative ihre Positionen erläutern. Das zweite Gutachten wird voraussichtlich im Dezember vorgestellt und könnte zusätzliche Argumente für beide Seiten liefern.
Bis dahin bleibt das Thema B2 eines der meistdiskutierten in Fürstenfeldbruck. Viele Bürger sehen darin eine Chance, selbst über die Zukunft ihrer Stadt zu entscheiden – jenseits parteipolitischer Interessen.
Schlussbetrachtung: Ein Bürgerentscheid als Prüfstein lokaler Demokratie
Der Bürgerentscheid zur B2 ist mehr als eine Abstimmung über eine Straße – er ist ein Symbol für die Stärke bürgerschaftlichen Engagements in Bayern. Die über 2.000 gesammelten Unterschriften zeigen, dass direkte Demokratie auf kommunaler Ebene funktioniert, wenn Menschen sich mit ihren Anliegen ernst genommen fühlen.
Doch der Fall zeigt auch die Herausforderungen: Zeitdruck, rechtliche Unsicherheiten und der Spagat zwischen lokaler Autonomie und staatlicher Verantwortung prägen die Diskussion. Ob die B2 künftig bleibt, wo sie ist, oder verlegt wird – Fürstenfeldbruck hat ein lebendiges Beispiel dafür geliefert, wie Bürgerpolitik aussehen kann, wenn Verwaltung, Politik und Bevölkerung in einen echten Dialog treten.

































