
Kingston, Jamaika – 4. November 2025. Windböen peitschen über die Küste von Westmoreland, Strommasten knicken wie Zündhölzer, Dächer fliegen meterweit durch die Luft. In der Hauptstadt Kingston herrscht gespenstische Stille – kein Motorengeräusch, kein Licht, nur das Heulen des Windes. Tage nach dem Landfall von Hurrikan Melissa wird das Ausmaß der Katastrophe sichtbar: 32 Menschen haben ihr Leben verloren, Tausende stehen vor dem Nichts.
Das Ausmaß der Katastrophe
Nach offiziellen Angaben der jamaikanischen Regierung hat der Tropensturm Melissa, der am 28. Oktober 2025 als Kategorie-5-Hurrikan auf die Insel traf, verheerende Spuren hinterlassen. Besonders stark betroffen sind die westlichen Regionen Westmoreland und St. Elizabeth. Hier zerstörte der Sturm ganze Ortschaften, unterbrach die Strom- und Wasserversorgung und legte Kommunikationsnetze lahm. Nach Einschätzung der Behörden handelt es sich um den schwersten Sturm, der Jamaika in der jüngeren Geschichte getroffen hat.
Die Bildungs- und Informationsministerin Dr. Dana Morris Dixon bestätigte in einer Pressekonferenz: „Wir trauern um 32 bestätigte Opfer – doch wir müssen leider davon ausgehen, dass die Zahl noch steigen wird.“ Einige abgelegene Gemeinden seien nach wie vor nur per Hubschrauber erreichbar. Soldaten der Jamaica Defence Force und Einsatzkräfte der Polizei setzen alles daran, Menschen in abgeschnittenen Regionen mit Lebensmitteln und medizinischer Hilfe zu versorgen.
Historischer Sturm mit Rekordwerten
Melissa gilt als einer der intensivsten Hurrikane, die je im Atlantik gemessen wurden. Meteorologen des Grantham Institute am Imperial College London registrierten beim Landfall einen zentralen Luftdruck von nur 892 hPa – ein Wert, der sonst nur bei Super-Taifunen vorkommt. Der Sturm brachte Windgeschwindigkeiten von über 300 km/h mit sich und löste im Westen der Insel Überschwemmungen und Erdrutsche aus.
Fachleute gehen davon aus, dass der Klimawandel solche extremen Wetterereignisse begünstigt. Eine Studie des Wired-Magazins zitiert Klimaforscher, laut denen Hurrikane der Stärke Melissa heute etwa viermal wahrscheinlicher sind als noch vor 50 Jahren. „Die Meeresoberflächentemperaturen in der Karibik liegen rund 1,2 Grad über dem Durchschnitt – das ist Treibstoff für Monsterstürme“, so ein beteiligter Wissenschaftler.
Betroffene Regionen und Schäden
Besonders schlimm traf es den Südwesten Jamaikas. In Westmoreland wurden laut dem Jamaica Observer Dutzende Häuser komplett zerstört. Schulen, Krankenhäuser und Straßen sind schwer beschädigt. Viele Familien schlafen in improvisierten Notunterkünften, oft ohne Strom oder sauberes Wasser. Die Wasserbehörde warnte, dass in mehreren Bezirken die Versorgung zusammengebrochen ist, weil Pumpstationen ohne Generatoren auskommen müssen.
In St. Elizabeth wurden landwirtschaftliche Flächen verwüstet – vor allem Zuckerrohr-, Bananen- und Kaffeeplantagen. Auch hier sind die wirtschaftlichen Folgen massiv: Der Agrarsektor steht für etwa 7 Prozent des BIP und sichert zehntausende Arbeitsplätze. Experten rechnen mit Ernteausfällen, die sich über Monate hinziehen werden.
Wirtschaftliche Folgen: Ein Schlag für den Tourismus
Jamaikas Tourismusbranche, die jährlich über 4 Millionen Besucher anzieht und 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, steht vor enormen Herausforderungen. Laut CBS News wurden zahlreiche Hotels entlang der Westküste schwer beschädigt. Besonders betroffen sind Negril und Montego Bay, wo Resorts zerstört und Strände weggespült wurden. Die Regierung hatte für die Wintersaison 2025/26 ein Wachstum von 7 Prozent prognostiziert – eine Zahl, die nun kaum zu halten ist.
Ein Vertreter des Tourismusministeriums erklärte: „Unser Ziel ist es, den Betrieb bis Mitte Dezember wiederherzustellen. Große Hotelketten helfen bereits mit Freiwilligenaktionen – sie stellen Unterkünfte für Hilfskräfte bereit und unterstützen den Wiederaufbau.“ Einige Anlagen in Ocho Rios und Kingston nehmen schon wieder Gäste auf, doch viele kleinere Betriebe stehen vor dem finanziellen Ruin. Versicherungsleistungen decken in den meisten Fällen nur einen Bruchteil der Schäden.
Die humanitäre Lage
Die Bevölkerung reagiert mit bemerkenswerter Solidarität. In den sozialen Netzwerken teilen Menschen Angebote für Unterkunft und Nahrung, lokale Radiosender koordinieren Hilfstransporte. Auf Reddit berichten Bewohner aus dem Westen der Insel von dramatischen Szenen: „Viele Dörfer sind komplett abgeschnitten, Straßen weggeschwemmt, Notdienste überlastet“, schrieb ein Nutzer im Forum r/Jamaica. In Kingston selbst sammeln Gemeinden Kleidung und Medikamente für die Betroffenen.
Zugleich warnte die nationale Cyber-Sicherheitsbehörde JaCIRT vor Betrugsversuchen: Nach dem Sturm kursieren zahlreiche gefälschte Spenden-Webseiten, die angeblich Hilfsaktionen unterstützen. Die Regierung rät, ausschließlich über offizielle Plattformen zu spenden – etwa supportjamaica.gov.jm oder bekannte Organisationen wie das Rote Kreuz Jamaika.
Wie kann man Jamaika helfen?
Wer Unterstützung leisten möchte, kann dies auf verschiedenen Wegen tun:
- Spenden an offizielle Katastrophenschutz-Konten oder lokale NGOs
- Materialspenden (z. B. Trinkwasser, haltbare Lebensmittel, Medikamente)
- Freiwilligenarbeit über registrierte Hilfsprogramme
Die Regierung betont, dass unkoordinierte Hilfslieferungen oft mehr Schaden anrichten als nützen – besser sei es, zentralisierte Strukturen zu nutzen.
Informationslage und Desinformation
Mit dem Anstieg der Social-Media-Nutzung in Katastrophenfällen wächst auch die Zahl falscher Informationen. Mehrere KI-generierte Videos, die angeblich Haie in überfluteten Stadtteilen oder einen zerstörten Flughafen in Kingston zeigen, stellten sich als Fälschungen heraus. Das South China Morning Post berichtete, dass solche Fake-Clips viral gingen und echte Notfallinformationen verdrängten. Behörden appellieren daher an die Bevölkerung, nur verifizierte Quellen zu nutzen.
Wichtige Fragen und Antworten im Überblick
Viele Menschen fragen sich, wie es so weit kommen konnte – und was das für die Zukunft bedeutet. Hurrikan Melissa war kein isoliertes Ereignis. Bereits 2024 traf Hurrikan Beryl das Land schwer, viele Schutzmaßnahmen waren noch nicht vollständig umgesetzt. Nach Analysen von ACAPS dürften die Folgen von Melissa sogar gravierender sein: Infrastruktur, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sind langfristig beeinträchtigt. Der Wiederaufbau wird – so schätzen Experten – mehrere Jahre dauern.
Warum gilt Melissa als historisch? Weil sie der erste Hurrikan seit über 100 Jahren ist, der Jamaika direkt mit Kategorie-5-Stärke traf – und damit den Klimarisiken der Karibik ein Gesicht gab. Wie viele Menschen starben? Bisher wurden 32 Todesopfer bestätigt, weitere Fälle werden untersucht. Welche Regionen sind besonders betroffen? Vor allem Westmoreland, St. Elizabeth und Hanover Parish, wo ganze Gemeinden unter Wasser standen.
Statistiken und Prognosen
| Kategorie | Zahl / Angabe |
|---|---|
| Bestätigte Todesopfer | 32 |
| Windgeschwindigkeit beim Landfall | ca. 305 km/h |
| Zentraler Luftdruck | 892 hPa |
| Betroffene Parishes | Westmoreland, St. Elizabeth, Hanover |
| Ohne Strom (Stand 3. Nov.) | rund 50 % der Haushalte |
| Tourismusanteil am BIP | ca. 30 % |
Ein Land zwischen Zerstörung und Hoffnung
Während Jamaika noch Trümmer wegräumt, blicken viele Menschen nach vorn. Tourismusminister Edmund Bartlett sagte in einem Interview: „Wir haben Krisen überlebt – und wir werden auch diese überstehen.“ Die Regierung hat ein Wiederaufbauprogramm angekündigt, das besonders kleine Betriebe und Familien unterstützen soll. Internationale Hilfe aus den USA, Kanada und Europa ist bereits unterwegs.
Doch der Weg zurück wird lang sein. Straßen, Brücken und Felder müssen erneuert, psychologische Hilfe für Traumatisierte bereitgestellt werden. Melissa hat nicht nur Häuser zerstört, sondern auch Lebensgrundlagen. Gleichzeitig zeigt die Katastrophe, wie eng Klimakrise, Wirtschaft und soziale Verwundbarkeit ineinandergreifen – nicht nur auf Jamaika, sondern weltweit.
Wenn die Insel sich wieder aufbaut, wird sie vielleicht stärker zurückkehren – mit besserer Infrastruktur, klareren Sicherheitsstandards und neuem Bewusstsein für die Kräfte der Natur. Doch für die Menschen, die in dieser Nacht alles verloren haben, bleibt Melissa ein Name, den sie nie vergessen werden.
























