Vater und Tochter unter den Opfern Grizzlybär greift Schulklasse an: elf Verletzte, zwei in Lebensgefahr

In Ausland
November 22, 2025

Bella Coola (Kanada), 21. November 2025 – Ein abgelegener Waldpfad in der Wildnis British Columbias, Kinderstimmen in der Mittagssonne – dann panische Schreie. Binnen Sekunden verwandelt sich ein friedlicher Schulausflug in ein traumatisches Erlebnis, das eine ganze Gemeinde erschüttert. Die Stille des Waldes wich dem Geräusch von Hilferufen und Signalböllern.

Bei einem Schulausflug in der kanadischen Region Bella Coola hat ein Grizzlybär eine Gruppe von Grundschulkindern und deren Lehrkräfte angegriffen. Insgesamt elf Menschen wurden bei dem Angriff verletzt, zwei davon befinden sich nach offiziellen Angaben in kritischem Zustand, zwei weitere wurden schwer verletzt. Die Attacke ereignete sich am Donnerstagnachmittag, dem 20. November 2025, auf einem beliebten Waldweg nahe der Fernstraße Highway 20.

Was geschah auf dem Wanderpfad bei Bella Coola?

Die betroffene Schulgruppe stammt von der Acwsalcta School, einer Bildungseinrichtung der indigenen Nuxalk Nation. Schülerinnen und Schüler der 4. und 5. Klassenstufe waren gemeinsam mit Lehrkräften auf einer Tageswanderung unterwegs, als sie in der sogenannten “4 Mile Area” von einem Grizzlybären überrascht wurden. Laut einem offiziellen Bericht wurde der Notruf um 13:46 Uhr Ortszeit abgesetzt – gemeldet wurde eine „animal attack“ mit mehreren Verletzten.

Nach Berichten vor Ort wurden rund 20 Kinder von mindestens drei Erwachsenen begleitet. Die Gruppe hatte sich an einem Picknickplatz zu einer Pause niedergelassen, als das Tier aus dem Waldgebiet auftauchte und plötzlich angriff. Wie ein Gemeindesprecher schilderte, griff ein Lehrer sofort ein und zog die Aufmerksamkeit des Bären auf sich, um die Kinder zu schützen. Ein anderer begleitender Erwachsener setzte erfolgreich Bärenspray und sogenannte “bear banger” – Knallsignalgeber – ein, um das Tier zu vertreiben.

Mutige Reaktionen verhinderten Schlimmeres

„Knowing that they were tasked with making the ultimate decision of life and death, they chose to lay their lives on the line for the students“, sagte ein Sprecher der Gemeinde, der die Lehrkräfte für ihren Einsatz ausdrücklich lobte. Augenzeugen berichten, dass einer der Lehrer die volle Wucht des Angriffs abbekam und per Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen werden musste.

Ein Schüler schilderte später: „He said that bear ran so close to him, but it was going after somebody else.“ Die Nähe des Bären war so extrem, dass ein Kind dessen Fell spüren konnte. Ein Elternteil berichtete, ihr Sohn habe unmittelbar nach dem Vorfall begonnen, für seine Freunde zu beten.

Versorgung und Evakuierung der Verletzten

Elf Personen wurden medizinisch versorgt. Vier von ihnen – drei Kinder und eine Lehrkraft – mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Zwei befinden sich in kritischem Zustand, zwei weitere wurden schwer verletzt. Sieben weitere Betroffene wurden vor Ort behandelt, benötigten jedoch keine stationäre Versorgung. Die sofortige Evakuierung der Gruppe erfolgte per Bus und SUV unter Begleitung von Notfallhelfern.

Die Acwsalcta School reagierte umgehend: Der Schulbetrieb wurde bis auf Weiteres eingestellt. Zusätzlich wurde ein Jugendzentrum als Notfallunterkunft eingerichtet, das rund um die Uhr psychologische Betreuung, traditionelle Heilungsrituale und Verpflegung bereitstellt. Die Schule bedankte sich in einer öffentlichen Mitteilung für die „swift actions, calm leadership, and unwavering dedication“ des Personals.

Warum der Angriff so ungewöhnlich war

Die Region Bella Coola liegt im sogenannten Great Bear Rainforest, einem Gebiet mit einer besonders hohen Dichte an Grizzlybären. Dennoch gilt ein Angriff dieser Art als extreme Ausnahme. Grizzlies sind zwar kraftvolle Tiere, vermeiden aber normalerweise den Kontakt mit größeren Menschengruppen. Dass ein einzelner Bär eine Schulklasse attackiert, ist höchst ungewöhnlich – und wirft Fragen nach dem Auslöser auf.

Einige Experten vermuten, dass das Tier möglicherweise verletzt war, was sein untypisches Verhalten erklären könnte. „This is extremely rare … we are trying to determine the behaviour and why the bear acted in the way it did“, erklärte ein Vertreter der zuständigen Wildlife Conservation Authority. Auch saisonale Umstände könnten eine Rolle gespielt haben: Der Angriff ereignete sich zu einer Zeit, in der Bären sich üblicherweise bereits in den Winterschlaf begeben haben.

Hinweise aus sozialen Netzwerken

In einschlägigen Foren wie Reddit diskutierten Nutzer die möglichen Ursachen. So wies ein Nutzer darauf hin, dass „berries and fauna are mostly dead and the salmon run is over“, was auf eine akute Nahrungsknappheit hindeutet. Andere spekulierten, dass das Tier krank oder verwundet gewesen sein könnte. Die Bevölkerung von Bella Coola sei gut geschult im Umgang mit Bären, daher sei es unwahrscheinlich, dass ein menschlicher Fehler Ursache des Vorfalls war.

Statistiken und Experteneinschätzungen

Eine kanadische Studie von 2024 dokumentiert 44 tödliche Bärenangriffe zwischen 1990 und 2023. 20 davon gingen auf Grizzlybären zurück, der Rest auf Schwarzbären. Die meisten Grizzly-Angriffe ereigneten sich in Alberta und British Columbia. Auffällig: Der Monat mit den meisten tödlichen Grizzlyattacken war der September. Der aktuelle Vorfall im November liegt damit außerhalb des typischen Musters, was wiederum auf eine mögliche Störung im Verhalten des Tieres hindeuten könnte.

Organisationen wie die British Columbia Wildlife Federation sehen eine steigende Zahl von Mensch-Bär-Konflikten. Ursachen seien unter anderem:

  • zunehmende Freizeitnutzung von Waldgebieten,
  • Fragmentierung des Lebensraums,
  • mangelnde Nahrung durch Klimaveränderungen,
  • Gewöhnung der Bären an menschliche Siedlungen.

Ein Bericht von „Project Grizzly Balance“ geht sogar davon aus, dass sich die Zahl der Grizzly-Angriffe im aktuellen Jahrzehnt gegenüber den 2000er Jahren mehr als verdoppelt haben könnte.

Wie geht es in Bella Coola jetzt weiter?

Der Bär, der für den Angriff verantwortlich war, konnte bislang nicht lokalisiert werden. Die Behörden haben eine offizielle Warnung für das Gebiet herausgegeben und raten der Bevölkerung, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten. Die Wildhüter setzen Spürhunde und Kamerafallen ein, um das Tier zu finden und dessen Gesundheitszustand zu überprüfen.

Für die betroffene Gemeinde steht nun die Aufarbeitung des Traumas im Vordergrund. Viele Kinder haben das Geschehen aus nächster Nähe miterlebt und werden psychologisch betreut. Der Vorfall löste landesweit Diskussionen über die Sicherheit von Schulausflügen in Wildnisgebiete aus. Erste Stimmen fordern eine Überprüfung bestehender Sicherheitskonzepte, speziell in Regionen mit hoher Wildtierdichte.

Zwischen Trauma und Dankbarkeit: Die Folgen des Angriffs

Der Grizzly-Angriff von Bella Coola hat Kanada erschüttert. Was als gewöhnlicher Schulausflug begann, endete für viele Beteiligte in einem Albtraum. Doch bei aller Tragik offenbart sich in diesem Ereignis auch ein hohes Maß an Menschlichkeit: Lehrkräfte, die ihr Leben riskierten, um Kinder zu schützen. Eine Schulgemeinschaft, die schnell und umsichtig reagierte. Und eine Region, die trotz ihrer Abgeschiedenheit professionell mit einer Extremsituation umgeht.

Der Vorfall wirft wichtige Fragen auf – über Mensch und Natur, über Risiko und Verantwortung. Und er zeigt, wie schmal der Grat zwischen Idylle und Gefahr sein kann, wenn man sich in die Wildnis wagt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.