
Brasília – Brasiliens Oberstes Bundesgericht hat ein historisches Urteil gefällt: Ex-Präsident Jair Bolsonaro wurde wegen seiner Rolle beim versuchten Staatsstreich nach der Wahl 2022 zu 27 Jahren und 3 Monaten Haft im geschlossenen Vollzug verurteilt. Das Urteil markiert einen Wendepunkt in der politischen Geschichte des Landes und löst heftige Debatten im In- und Ausland aus.
Das Urteil im Detail
Am 11. September 2025 verkündete die Erste Kammer des Obersten Bundesgerichts Brasiliens (STF) ihr Urteil: Jair Bolsonaro, von 2019 bis 2022 Präsident des Landes, muss für mehr als 27 Jahre ins Gefängnis. Vier der fünf Richter stimmten für die Verurteilung, lediglich Richter Luiz Fux sprach sich gegen das Strafmaß aus. Damit ist Bolsonaro der erste ehemalige Präsident Brasiliens, der wegen eines Putschversuchs rechtskräftig verurteilt wurde.
Die Anklagepunkte sind vielfältig. Bolsonaro wurde in fünf Bereichen für schuldig befunden:
- Planung eines Putsches nach seiner Wahlniederlage 2022
- Beteiligung an einer bewaffneten kriminellen Organisation
- Anstiftung zur Gewalt gegen demokratische Institutionen
- Verschwörung zur gewaltsamen Abschaffung des Rechtsstaats
- Beschädigung von Kulturerbe während der Unruhen
Zusätzlich zur Haftstrafe verurteilte das Gericht ihn zu einer Geldstrafe in Form von 124 Tagessätzen. Jeder Tagessatz entspricht zwei brasilianischen Mindestlöhnen, was eine spürbare finanzielle Belastung für den Ex-Präsidenten bedeutet.
Historischer Kontext und Bedeutung
Das Urteil gilt als Zäsur für Brasiliens Demokratie. Richter Alexandre de Moraes betonte in seiner Begründung, dass Bolsonaro die institutionelle Macht des Präsidentenamtes instrumentalisiert habe, um Instabilität zu schüren und seine eigene Macht zu erhalten. Seine Taten hätten, so de Moraes, das Ziel verfolgt, den demokratischen Prozess zu untergraben. Die Entscheidung wird auch international als Signal verstanden, dass selbst höchste Amtsträger für Angriffe auf demokratische Grundsätze zur Rechenschaft gezogen werden.
Richterin Carmen Lúcia hob hervor, dass ausreichende Beweise vorliegen, um die Verurteilung zu stützen. Sie sprach von einem „Prüfstein für die brasilianische Justiz“, der deutlich mache, dass das Recht auch für ehemalige Präsidenten gilt.
Die Rolle der Angriffe vom 8. Januar 2023
Ein zentraler Bestandteil der Anklage war der Angriff auf das Regierungsviertel in Brasília am 8. Januar 2023. Damals stürmten Tausende Anhänger Bolsonaros den Kongress, den Obersten Gerichtshof und den Präsidentenpalast. Sie forderten die Rückkehr des abgewählten Präsidenten an die Macht. Diese Angriffe, die starke Parallelen zum Sturm auf das Kapitol in den USA im Januar 2021 aufweisen, wurden vom Gericht als Teil des Putschplans gewertet.
Frage: Welche Rolle spielen die 8. Januar Angriffe in Bolsonaros Verurteilung?
Die Ereignisse vom 8. Januar 2023 wurden als Beweis für Bolsonaros Verschwörung gegen demokratische Institutionen herangezogen. Sie untermauerten den Vorwurf, dass er bewusst Unruhe und Gewalt gefördert habe, um an der Macht zu bleiben.
Bolsonaros Reaktion und juristische Möglichkeiten
Jair Bolsonaro selbst weist alle Anschuldigungen zurück. Er spricht von politisch motivierten Prozessen und bestreitet, jemals einen Putsch geplant zu haben. Seine Anwälte haben bereits Berufung angekündigt. Solange das Urteil nicht endgültig rechtskräftig ist, wird Bolsonaro zunächst unter Hausarrest bleiben. Damit ist die Frage zentral:
Frage: Wird Bolsonaro sofort ins Gefängnis müssen?
Nein, zunächst nicht. Er bleibt unter Hausarrest, während juristische Mittel geprüft werden. Erst nach einem endgültigen Abschluss aller Verfahren würde die Haftstrafe im vollen Umfang vollzogen.
Politische und gesellschaftliche Folgen
Obwohl das Urteil ein schwerer Schlag für Bolsonaro persönlich ist, bleibt sein politisches Erbe lebendig. Der sogenannte „Bolsonarismo“ ist weit mehr als die Person des ehemaligen Präsidenten. Er umfasst ein breites Netzwerk von evangelikalen Kirchen, konservativen Bewegungen, Teilen des Militärs und einer Millionen starken Wählerbasis. Bei den Wahlen 2022 konnte Bolsonaro mehr als 58 Millionen Stimmen auf sich vereinen. Dieses Potenzial bleibt bestehen, auch wenn er selbst bis mindestens 2030 keine öffentlichen Ämter bekleiden darf.
Frage: Kann Bolsonaro bis 2026 wieder kandidieren?
Nein. Aufgrund seiner bisherigen Verurteilungen ist er bis 2030 von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Damit ist seine politische Karriere in dieser Hinsicht beendet, auch wenn er im Hintergrund weiterhin Einfluss ausüben dürfte.
Spaltung der brasilianischen Gesellschaft
Das Urteil verschärft die ohnehin tiefe politische Polarisierung in Brasilien. Während viele es als Sieg für die Demokratie feiern, betrachten Bolsonaros Anhänger die Entscheidung als Willkür der Justiz. In sozialen Netzwerken ist von einer „richterlichen Diktatur“ die Rede. Die gesellschaftliche Spaltung bleibt also bestehen, und mit ihr das Risiko weiterer Unruhen.
Internationale Reaktionen
Das Urteil gegen Bolsonaro hat weltweit Aufmerksamkeit erregt. Während europäische Beobachter die Entscheidung überwiegend als Stärkung der Rechtsstaatlichkeit werten, kommen aus den USA auch kritische Stimmen. Ex-Präsident Donald Trump sowie Senator Marco Rubio bezeichneten das Verfahren als „Witch Hunt“. Damit reiht sich die Debatte in eine global geführte Diskussion ein, ob es sich bei solchen Prozessen um legitime Rechtsprechung oder politische Verfolgung handelt.
Frage: Gibt es internationale Reaktionen oder Sanktionen gegen Brasilien wegen des Urteils?
Bisher gibt es keine formalen Sanktionen. Allerdings haben einige US-Politiker das Urteil scharf kritisiert. In Washington wird bereits darüber spekuliert, ob wirtschaftliche oder diplomatische Maßnahmen gegen einzelne brasilianische Justizvertreter ergriffen werden könnten.
Das Strafmaß im Vergleich
Bolsonaro wurde zu einer der höchsten Strafen verurteilt, die jemals ein ehemaliger Präsident in Lateinamerika erhalten hat. Im Vergleich: In Peru wurden frühere Präsidenten wie Alberto Fujimori wegen Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Haft verurteilt. Das brasilianische Urteil reiht sich damit in eine Serie harter Strafen gegen Staatschefs ein, die ihre Macht missbraucht haben.
Frage: Welche Strafe oder Bußgelder neben der Haft wurden gegen Bolsonaro verhängt?
Neben den 27 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe muss Bolsonaro auch eine zusätzliche Geldstrafe in Form von 124 Tagessätzen bezahlen. Jeder Tagessatz entspricht zwei brasilianischen Mindestlöhnen.
Perspektiven für die Zukunft
Ein interessanter Aspekt des Urteils betrifft den Vollzug. Zwar ist zunächst der „geschlossene Vollzug“ vorgesehen, doch brasilianisches Strafrecht sieht Möglichkeiten der Progression vor – also den Übergang von strengeren zu milderen Haftregimen. Es wird bereits spekuliert, ob Bolsonaro nach einiger Zeit in den offenen Vollzug oder sogar in den Hausarrest wechseln könnte.
Frage: Für welche Straftaten wurde Bolsonaro zu 27 Jahren und 3 Monaten verurteilt?
Er wurde wegen Planung eines Putsches, Anstiftung zur Gewalt, Führung einer kriminellen Organisation, Verschwörung gegen demokratische Institutionen und Sachbeschädigung mit Gewalt verurteilt.
Reaktionen in den sozialen Medien
Auf Plattformen wie Reddit und X wird das Urteil kontrovers diskutiert. Während internationale Beobachter das Signal für die Demokratie hervorheben, warnen Bolsonaro-Anhänger vor einer politischen Hexenjagd. In brasilianischen Foren spekulieren viele Nutzer darüber, ob Bolsonaro tatsächlich die gesamte Strafe im Gefängnis verbringen wird oder ob er nach einiger Zeit in den Hausarrest wechseln darf.
Die Bedeutung für die Demokratie
Das Urteil gegen Jair Bolsonaro ist mehr als nur eine Strafe gegen eine Einzelperson. Es ist ein Symbol dafür, dass demokratische Institutionen auch gegenüber ehemaligen Staatschefs durchgreifen können. In einem Land, das in den letzten Jahren mit extremer Polarisierung, Falschinformationen und Angriffen auf Institutionen zu kämpfen hatte, ist dies ein bedeutsames Signal. Es zeigt, dass der Rechtsstaat bereit ist, selbst die mächtigsten Figuren zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Verurteilung von Jair Bolsonaro zu 27 Jahren Haft markiert einen historischen Moment in der brasilianischen Geschichte. Sie ist ein Schlag gegen den Versuch, demokratische Strukturen zu untergraben, und eine Mahnung an alle politischen Akteure, dass auch höchste Ämter keine Immunität vor dem Gesetz gewähren. Gleichzeitig bleibt die gesellschaftliche Spaltung bestehen, und es ist unklar, wie Bolsonarismo als Bewegung in den kommenden Jahren agieren wird. Für Brasilien bedeutet das Urteil jedoch, dass die Weichen gestellt sind: hin zu einer wehrhaften Demokratie, die bereit ist, ihre Institutionen und ihre Zukunft entschlossen zu verteidigen.