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Deshalb bleibt WhatsApp kostenlos – aber was hat Meta wirklich vor?

In Aktuelles
Juni 18, 2025

18. Juni 2025, 21:31 Uhr

Seit Wochen kursieren in sozialen Netzwerken und auf zahlreichen Webseiten Gerüchte darüber, dass WhatsApp künftig kostenpflichtig werden soll. Für Millionen Nutzerinnen und Nutzer weltweit ist die Vorstellung alarmierend – schließlich ist der Messenger-Dienst fester Bestandteil ihres digitalen Alltags. Doch was ist dran an den Spekulationen? Fakt ist: WhatsApp bleibt für Privatnutzer weiterhin kostenlos. Allerdings bringt der Mutterkonzern Meta neue Funktionen und Monetarisierungsstrategien ins Spiel, die den Charakter der App nachhaltig verändern könnten.

Dieser Artikel beleuchtet alle Hintergründe, Neuerungen, Reaktionen und rechtlichen Bewertungen – basierend auf fundierter Recherche aus mehreren Phasen.

Die wichtigsten Neuerungen im Überblick

Werbung im „Aktuelles“-Tab

Meta hat angekündigt, in den kommenden Monaten personalisierte Werbung im sogenannten „Aktuelles“-Tab (auch bekannt als „Status“- oder „Updates“-Tab) einzuführen. Anders als in früheren Konzepten von Werbeintegration beschränkt sich der neue Ansatz ausschließlich auf diesen Bereich – private Chats bleiben ausdrücklich werbefrei. Nutzer sehen künftig also Werbung nur, wenn sie bewusst Inhalte wie Statusmeldungen oder Kanalbeiträge ansehen.

Bezahlte Kanäle und Abo-Optionen

Ein weiterer Schritt in der Monetarisierungsstrategie ist die Einführung von Kanälen mit Abo-Funktion. Betreiber dieser Kanäle – etwa Unternehmen, Medienmarken oder Influencer – können künftig Inhalte hinter eine Bezahlschranke legen. Zudem wird es möglich sein, gegen Entgelt die Reichweite des eigenen Kanals durch „promoted posts“ zu erhöhen.

Meta reagiert auf stagnierende Umsätze

Der Schritt kommt nicht zufällig. Meta sieht sich in seinem Kerngeschäft mit Facebook und Instagram zunehmendem Wettbewerb und verschärfter Regulierung ausgesetzt. WhatsApp hingegen bietet noch ungenutztes wirtschaftliches Potenzial. Mehr als 2 Milliarden aktive Nutzer weltweit machen die Plattform zu einem lukrativen Vehikel für neue Einnahmequellen – insbesondere im Bereich Werbung und B2B-Kommunikation.

Experten gehen davon aus, dass Meta allein durch Werbung und Abos auf WhatsApp jährlich einen zusätzlichen Umsatz von bis zu einer Milliarde US-Dollar generieren könnte.

Privatsphäre: Was bleibt geschützt?

Keine Werbung in privaten Chats

Meta betont ausdrücklich, dass die End-zu-End-Verschlüsselung und der datenschutzorientierte Charakter von WhatsApp nicht angetastet werden. Private Chats, Gruppenunterhaltungen, Sprachnachrichten und Videoanrufe bleiben frei von Werbung. Auch werden Inhalte dieser Kommunikation laut Meta nicht zur Ausspielung von Anzeigen genutzt.

Personalisierung durch Metadaten

Dennoch basiert die Werbeausspielung im „Aktuelles“-Tab auf bestimmten Metadaten: etwa Standort, verwendete Sprache, Art der abonnierten Kanäle und Interaktionen innerhalb der Plattform. Telefonnummern oder Chat-Inhalte werden laut offizieller Angaben nicht ausgewertet.

Kontroverse Debatten: Zwischen Vertrauen und Skepsis

Kritik von Datenschützern

Organisationen wie die „Electronic Frontier Foundation“ und die europäische NGO „noyb“ sehen die Entwicklung kritisch. Besonders in der EU rufen Datenschutzaktivisten zur Prüfung der neuen Funktionen im Lichte der DSGVO und des Digital Markets Act auf. Einige sprechen von einem schleichenden Rückbau des datensparsamen Modells, das WhatsApp einst von anderen Plattformen unterschieden habe.

Die Position der Gründer

Ein oft zitierter Punkt: Die ursprünglichen WhatsApp-Gründer Jan Koum und Brian Acton verließen das Unternehmen einst unter Protest – unter anderem, weil Facebook (heute Meta) Werbepläne auf der Plattform umsetzen wollte. Das neue Modell – so moderat es im ersten Schritt erscheinen mag – steht daher in einem gewissen Widerspruch zur damaligen Gründungsphilosophie.

Nutzerreaktionen: Zwischen Akzeptanz und Wechselgedanken

In sozialen Netzwerken wie Reddit oder X (ehemals Twitter) zeigen sich gespaltene Reaktionen. Während ein Teil der Community die Änderungen als wenig relevant einstuft („Ich nutze den Status-Bereich eh nie“), denken andere laut über einen Wechsel zu alternativen Messenger-Diensten wie Signal, Threema oder Telegram nach.

Ein typisches Nutzerzitat:

„The moral of the story: Never trust the Zuck.“

Technische Details: Was verändert sich konkret?

Die neuen Werbeflächen im „Aktuelles“-Tab sollen sukzessive weltweit eingeführt werden. Zunächst liegt der Fokus auf Regionen außerhalb der EU – beispielsweise in Lateinamerika und Südasien. Hintergrund sind regulatorische Hürden innerhalb Europas, insbesondere durch den Digital Markets Act, die Meta zu besonderer Vorsicht zwingen.

In technischer Hinsicht bleiben bestehende Kommunikationsfunktionen unangetastet. Die App wird um eine Werbe-Komponente im Updates-Bereich ergänzt, die visuell an Instagram Stories erinnert. Nutzer erhalten Hinweise, wenn es sich bei einem Update um eine Anzeige handelt.

WhatsApp als „Super-App“? Die langfristige Strategie

Mit Werbung allein ist es nicht getan. Branchenbeobachter erkennen in Metas WhatsApp-Strategie zunehmend Parallelen zum asiatischen Plattform-Modell, etwa WeChat. Neben Kommunikation werden auch Bezahlfunktionen, Shop-Integration und Kundenservice über WhatsApp Business kontinuierlich ausgebaut.

Der Plan: WhatsApp soll sich zur zentralen Alltags-App entwickeln – für Kommunikation, Einkäufe, Informationsaustausch und Kundeninteraktion.

Marketingpotenzial: Warum Firmen WhatsApp lieben

Öffnungsraten und Reichweite

In Deutschland nutzen rund 90 Prozent der Bevölkerung WhatsApp – und das täglich. Für Unternehmen bieten sich daher neue Möglichkeiten, mit Kunden auf direktem Weg in Kontakt zu treten. Marketingstudien zeigen: Öffnungsraten von WhatsApp-Newslettern liegen teils bei über 90 Prozent – ein Wert, von dem E-Mail-Newsletter nur träumen können.

Neue B2B-Modelle

Firmen können künftig nicht nur Kanäle erstellen, sondern diese auch bewerben und monetarisieren. Das eröffnet Potenzial für neue Kommunikationsstrategien, etwa:

  • Exklusive Content-Angebote (z. B. Rabatte, Vorabinformationen)
  • Kundenservice über strukturierte Chatflows
  • Einbindung in CRM- und E-Commerce-Systeme

Juristische Einordnung: Werbung im rechtlichen Rahmen

Juristen wie der belgische Datenschutzexperte Peter Craddock sehen den Einsatz von Werbung im Updates-Bereich als rechtskonform an – zumindest, solange sie klar abgegrenzt bleibt und keine persönlichen Kommunikationsinhalte betrifft.

In Europa ist dennoch mit einer intensiven Auseinandersetzung zu rechnen. „noyb“ bereitet Klagen gegen die neuen Monetarisierungsmodelle vor. Das Hauptargument: Nutzer würden unter Druck gesetzt, mehr Daten freizugeben oder zu zahlen – ein Verstoß gegen das Prinzip freiwilliger Zustimmung.

WhatsApp – was bleibt, was kommt?

FunktionBisherNeu (2025)
Private ChatsWerbefrei, verschlüsseltUnverändert
Status-/Updates-BereichNur Nutzerinhalte+ Werbung & bezahlte Inhalte
KanäleFrei zugänglichAbo-Modelle & Promotion-Option
DatennutzungMinimal+ Metadaten für Personalisierung

Kostenlos – aber nicht kostenlos wie früher

WhatsApp bleibt kostenlos – zumindest für jene, die es rein privat nutzen. Die technische Basis und der Datenschutz in Chats bleiben laut Meta unangetastet. Gleichzeitig wird klar: Der Messenger wandelt sich zur Plattform mit kommerziellem Fokus. Werbung, Abo-Modelle und Kanäle öffnen neue Möglichkeiten für Unternehmen – und neue Risiken in Sachen Vertrauen und Privatsphäre.

Für Nutzer heißt das: Wer den Status-Tab nutzt oder Kanälen folgt, sollte künftig genauer hinschauen. Der Wandel ist subtil, aber strategisch bedeutend – und vielleicht erst der Anfang einer viel umfassenderen Transformation.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.