
Berlin, 14. Juni 2025, 15:00 Uhr
Die Diskussion um die Reaktivierung der Wehrpflicht in Deutschland gewinnt im Jahr 2025 erneut an Fahrt. Vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen, zunehmender Unsicherheiten in Europa und wachsender Anforderungen an die Bundeswehr melden sich verschiedene politische Parteien mit Forderungen und Vorschlägen zu Wort. Während einige die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht befürworten, setzen andere auf freiwillige Modelle oder zivile Alternativen. Der folgende Artikel beleuchtet die aktuellen Positionen der Parteien, den historischen Kontext sowie die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen – und gibt einen umfassenden Überblick über eine Debatte, die das Land tiefgreifend verändert.
CDU/CSU: Wehrpflicht als Sicherheitsgarantie
Die Union spricht sich als stärkste politische Kraft innerhalb der Opposition deutlich für eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Aus Sicht vieler Unionspolitiker reicht das derzeitige freiwillige Engagement bei der Bundeswehr nicht mehr aus, um die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen. CDU-Chef Friedrich Merz betont, dass der Koalitionsvertrag das Freiwilligenmodell lediglich als Zwischenlösung begreife. Auch der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen fordert eine gesetzliche Grundlage, die im Ernstfall den Übergang zur Wehrpflicht erlaubt. Ähnlich äußert sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, der auf die Notwendigkeit vorbereitet sein möchte, „wenn die Freiwilligkeit nicht trägt“.
Auch die CSU, Schwesterpartei der CDU, steht klar hinter diesem Kurs. CSU-Verteidigungsexperte Thomas Silberhorn erklärte, dass „eine glaubwürdige Landes- und Bündnisverteidigung ohne Wehrpflicht langfristig nicht möglich“ sei. Die Union pocht damit auf eine systematische Reaktivierung der Wehrpflicht, sofern freiwillige Dienste den Personalbedarf nicht decken können.
SPD: Freiwilligkeit vor Zwang
Innerhalb der Bundesregierung setzt die SPD auf ein anderes Modell. Verteidigungsminister Boris Pistorius verfolgt eine Strategie, bei der alle 18-Jährigen angeschrieben und für eine Musterung eingeladen werden. Dabei soll jedoch keine Einberufung erfolgen, sondern lediglich die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich Freiwillige melden können. Das Ziel: Mehr Transparenz über die Wehrfähigkeit der Bevölkerung – ohne Zwang und mit Respekt vor individuellen Lebensentwürfen.
Gleichzeitig gibt es innerhalb der SPD unterschiedliche Haltungen. Besonders aus dem linken Parteiflügel kommen kritische Stimmen. Politiker wie Ralf Stegner warnen davor, die Bundeswehr durch verpflichtende Maßnahmen aufzurüsten, und verweisen auf die historische Belastung durch Zwangsdienste in Deutschland. Stattdessen sollten friedenspolitische Konzepte Vorrang erhalten, argumentieren sie.
AfD: Radikalforderung nach zwei Jahren Wehrpflicht
Am deutlichsten spricht sich die Alternative für Deutschland (AfD) für eine umfassende Rückkehr zur Wehrpflicht aus. Parteichefin Alice Weidel fordert einen verpflichtenden Wehrdienst von bis zu zwei Jahren für junge Männer – und in Teilen auch für Frauen. Die Partei verbindet diese Forderung mit einer nationalistischen Rhetorik und einem sicherheitspolitischen Weltbild, das auf umfassende militärische Präsenz setzt.
Einige AfD-Politiker gehen sogar noch weiter: Sie fordern nicht nur die Wiedereinführung der Wehrpflicht, sondern auch eine atomare Bewaffnung Deutschlands und eine dafür notwendige Änderung des Grundgesetzes. Kritiker sehen in diesen Vorschlägen eine gefährliche Militarisierung der Innenpolitik, während die Partei selbst mit dem Argument der „wehrhaften Demokratie“ kontert.
FDP: Kein Zwang, mehr Anreize
Die Freien Demokraten (FDP) positionieren sich klar gegen eine allgemeine Wehrpflicht. Stattdessen wollen sie verstärkt auf freiwillige Rekrutierung setzen, die durch gezielte Anreize attraktiver gestaltet werden soll. In den Mittelpunkt rücken dabei auch die Reservisten: Diese sollen stärker eingebunden und mit verbesserten Rahmenbedingungen ausgestattet werden.
Auch das Modell der verpflichtenden Musterung lehnt die FDP mehrheitlich ab. Stattdessen plädiert sie für ein freies, offenes Berufswahlprinzip, das mit den liberalen Grundwerten der Partei in Einklang steht.
Die Linke: Grundsätzliche Ablehnung jeglicher Wehrpflicht
Die Linkspartei lehnt die Wiedereinführung der Wehrpflicht strikt ab. Aus ihrer Sicht stellt jeder verpflichtende Dienst – ob militärisch oder zivil – einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Die Linke sieht in der Debatte eine gefährliche Verschiebung des sicherheitspolitischen Diskurses in Richtung Militarismus. Sie fordert stattdessen massive Investitionen in diplomatische Konfliktlösungsstrategien und Friedenspolitik.
Besonders kritisch wird innerhalb der Partei auch die Idee eines „Freiheitsdienstes“ gesehen, den andere Parteien als zivilen Pflichtdienst vorschlagen. Für die Linke bleibt der Grundsatz zentral: Kein Zwangsdienst, egal in welcher Form.
Grüne: Zivile Alternativen durch Freiheitsdienst
Die Grünen zeigen sich in dieser Debatte gespalten. Während der Bundesverband dem Freiwilligkeitsmodell des Verteidigungsministeriums folgt, gibt es aus dem Landesverband Bayern konkrete Vorschläge für einen verpflichtenden „Freiheitsdienst“. Dieser soll sechs Monate dauern und neben dem klassischen Wehrdienst auch Einsätze im Katastrophenschutz, der Pflege oder bei gemeinnützigen Organisationen umfassen.
Das Konzept soll einerseits gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und andererseits der Wehrungleichheit entgegenwirken. Kritiker befürchten jedoch, dass dies zu einer verdeckten Zwangsverpflichtung führen könnte. Innerhalb der Partei wird der Vorschlag daher noch kontrovers diskutiert.
Verfassungsrechtlicher Rahmen und Historie
Die Wehrpflicht wurde in Deutschland im Jahr 2011 durch das Aussetzen der Einberufung de facto abgeschafft. Sie bleibt jedoch im Grundgesetz (Art. 12a GG) bestehen und kann im Verteidigungsfall oder bei einer erheblichen Bedrohungslage reaktiviert werden. Voraussetzung dafür ist ein entsprechender Beschluss des Bundestages.
Die rechtliche Grundlage lautet derzeit: Die allgemeine Wehrpflicht ist ausgesetzt, nicht abgeschafft. Das bedeutet, dass eine Rückkehr theoretisch jederzeit möglich wäre – jedoch politisch und gesellschaftlich umstritten. Auch die Einführung eines zivilen Pflichtdienstes müsste rechtlich sauber begründet sein, um nicht gegen das Verbot von Zwangsarbeit zu verstoßen.
Personelle Herausforderungen der Bundeswehr
Ein zentrales Argument in der Debatte ist der akute Personalmangel der Bundeswehr. Laut aktuellen Schätzungen fehlen zwischen 20.000 und 30.000 Soldatinnen und Soldaten, um die Landes- und Bündnisverteidigung auf NATO-Niveau sicherzustellen. Die freiwillige Meldung junger Menschen für den Dienst an der Waffe stagniert – trotz Werbekampagnen und verbesserten Karrierewegen.
Partei | Position zur Wehrpflicht 2025 |
---|---|
CDU/CSU | Bejahen Rückkehr zur Wehrpflicht, wenn Freiwilligkeit nicht reicht |
SPD | Freiwilliges Modell mit Musterung, aber ohne Einberufung |
AfD | Forderung nach zwei Jahren verpflichtendem Wehrdienst |
FDP | Strikte Ablehnung, Fokus auf freiwillige Reservisten |
Linke | Gegen jegliche Form der Wehr- oder Zivildienstpflicht |
Grüne | Uneinheitlich, teils Vorschläge für zivilen Freiheitsdienst |
Keine Einigkeit in Sicht
Die Debatte um die Wehrpflicht zeigt exemplarisch, wie stark sicherheitspolitische Vorstellungen in Deutschland auseinandergehen. Während konservative Kräfte auf militärische Stärke und Pflichterfüllung setzen, favorisieren liberale und linke Parteien individuelle Freiheit und zivile Alternativen. Die nächsten Monate dürften zeigen, ob das freiwillige Modell Bestand hat – oder ob der politische Druck für eine Rückkehr zur Wehrpflicht weiter zunimmt.
Eines ist klar: Die sicherheitspolitische Lage in Europa bleibt angespannt, und Deutschland muss sich entscheiden, wie es seine Rolle als Bündnispartner und Verteidiger der eigenen Freiheit künftig ausgestaltet – mit oder ohne Pflichtdienst.