
Hamburg – Zwei junge Leben, ausgelöscht in Sekunden: Der tödliche Unfall zweier vietnamesischer Zwillinge erschüttert Hamburg. Die 23-jährigen Brüder wurden von einem Auto erfasst, während sie sich in der Nacht mit einem E-Scooter fortbewegten. Ihre Ausbilder, Freunde und die Hamburger Öffentlichkeit sind fassungslos. Doch der tragische Vorfall lenkt auch den Blick auf gravierende Lücken in der Verkehrssicherheit für E-Scooter-Nutzer.
Ein Schock für Hamburg: Was geschah in der Unfallnacht?
Am 6. Juli 2025 wurden die 23-jährigen Zwillinge Duy Quang Nguyen und Quang Minh Nguyen in Hamburg auf tragische Weise aus dem Leben gerissen. Sie waren mit einem gemeinsam genutzten E-Scooter in der Nähe der Reeperbahn unterwegs, als sie von einem Auto mit hoher Geschwindigkeit erfasst wurden. Zeugenaussagen zufolge soll das Auto zuvor Schlangenlinien gefahren sein und in einem nicht für Autos vorgesehenen Bereich den E-Scooter gerammt haben.
Die beiden jungen Männer befanden sich auf dem Heimweg von einem Konzert. Sie lebten seit zwei Jahren in Hamburg und machten eine Ausbildung in einer kieferorthopädischen Praxis in Altona. Ihre Kolleginnen und Kollegen beschreiben sie als freundlich, hilfsbereit und voller Lebensfreude.
Eine Praxis in Trauer – Persönliche Spuren bleiben
Die Reaktionen aus dem beruflichen Umfeld der Brüder waren tief bewegt. Die Kieferorthopädie-Praxis, in der sie tätig waren, veröffentlichte eine emotionale Mitteilung: „Sie liebten das Leben. Ihre Herzlichkeit und ihr Lachen werden uns fehlen.“ Auch die Patienten der Praxis nahmen Anteil. Viele legten Blumen und Kerzen vor dem Eingang ab.
In sozialen Netzwerken und lokalen Gruppen zeigte sich eine stille, aber intensive Trauer. Besonders in vietnamesischen Communitys in Hamburg wurde das Schicksal der Brüder breit geteilt. Der emotionale Rückhalt war groß – ebenso wie die Frage nach der Verantwortung.
E-Scooter im Straßenverkehr – ein unterschätztes Risiko?
Wie sicher sind E-Scooter wirklich?
Die Zahlen zeichnen ein besorgniserregendes Bild: Allein 2023 wurden in Deutschland 9.425 Unfälle mit E-Scootern registriert – ein Anstieg von 14 % im Vergleich zum Vorjahr. Besonders alarmierend: Die Zahl der Todesfälle verdoppelte sich innerhalb eines Jahres auf 22.
Eine medizinische Studie zeigt, dass etwa 83 % der Schwerverletzten Kopf- oder Gesichtsverletzungen erleiden. Über die Hälfte muss intensivmedizinisch behandelt werden, etwa 5 % der Fälle enden tödlich. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage:
Wie hoch ist das Risiko für Kopfverletzungen bei E-Scooter-Unfällen?
Es ist sehr hoch. Die geringe Stabilität des Fahrzeugs, hohe Geschwindigkeiten und die kaum vorhandene Schutzausrüstung führen dazu, dass besonders bei Stürzen schwere Verletzungen entstehen. Hinzu kommt: Die meisten Fahrer tragen keinen Helm – Studien sprechen von einer Quote von lediglich 4 %.
Warum tragen E-Scooter-Fahrer selten einen Helm?
Die Gründe sind vielschichtig. Viele Nutzer empfinden einen Helm als unpraktisch – insbesondere bei spontanen, kurzen Fahrten. Zudem besteht in Deutschland keine gesetzliche Helmpflicht für E-Scooter, was bei vielen zu einem fehlenden Risikobewusstsein führt.
Nachtfahrten besonders gefährlich
Der Unfall der Zwillinge ereignete sich gegen Mitternacht. Ein Zufall? Nein – statistisch gesehen passieren rund 35 % aller E-Scooter-Unfälle in der Nacht. Häufig sind Alkohol oder andere berauschende Mittel im Spiel.
Sind E-Scooter nachts öfter in Unfälle verwickelt?
Ja. Nachtfahrten gelten als besonders unfallträchtig. Neben eingeschränkter Sicht spielt auch eine schlechtere Erkennbarkeit durch andere Verkehrsteilnehmer eine Rolle. E-Scooter sind in der Dunkelheit oft schwer auszumachen, insbesondere wenn Reflektoren oder helle Kleidung fehlen.
Auch in Foren und sozialen Medien äußern Nutzer wiederholt ihre Sorgen über mangelhafte Beleuchtung oder schwache Bremslichter der Scooter. Forderungen nach verpflichtenden Lichtverstärkern oder reflektierender Kleidung nehmen zu.
Ein System mit Lücken: Wer haftet bei einem Unfall?
Wer haftet bei einem Unfall mit E-Scooter und Auto?
Grundsätzlich gilt: Kommt es zu einem Unfall, liegt die Hauptverantwortung oft beim Autofahrer – insbesondere wenn dieser Rad- oder Gehwege befährt, wie es in diesem Fall offenbar geschah. Der Fahrer des Unfallwagens wird nun polizeilich untersucht.
Für E-Scooter besteht seit 2019 Versicherungspflicht. Jeder Scooter benötigt eine eigene Haftpflichtversicherung. Die Praxis zeigt jedoch: Im Ernstfall ist die Aufklärung kompliziert, vor allem wenn keine eindeutigen Zeugen vorhanden sind.
Die Politik hinkt hinterher – was Städte wie Hamburg tun müssten
Während Länder wie Finnland oder Dänemark strengere Regeln durchsetzen – etwa Helmpflicht, technische Sicherheitsstandards und Nachtfahrverbote – fehlt es in Deutschland bislang an politischen Reaktionen. Empfehlungen internationaler Gremien wie dem ETSC zur Einführung smarter Kollisionswarnsysteme und verpflichtender Datenaufzeichnung werden kaum umgesetzt.
Auch infrastrukturell bestehen in deutschen Städten gravierende Mängel: E-Scooter teilen sich oft unklare Wege mit Fußgängern oder Radfahrern, was Konflikte gerade bei höherem Tempo unvermeidbar macht.
Was tun nach einem E-Scooter-Unfall?
Nach einem Unfall mit einem E-Scooter gelten ähnliche Schritte wie bei anderen Verkehrsunfällen:
- Unfallstelle absichern
- Sofort medizinische Hilfe rufen
- Unfallhergang dokumentieren (Fotos, Zeugen, Positionen)
- Polizei verständigen
- Eigene Versicherung und ggf. Scooter-Versicherung informieren
Insbesondere bei Verletzungen am Kopf oder Verdacht auf inneren Schaden sollte unverzüglich ein Notarzt gerufen werden.
Perspektiven aus der Community: Stimmen, die zum Nachdenken anregen
Während der Unfall der vietnamesischen Azubis nicht viral ging, gab es auf Plattformen wie Reddit, Nextdoor und in lokalen Facebook-Gruppen dennoch Diskussionen. Viele User beklagten sich über mangelhafte Scooter-Beleuchtung, aggressive Autofahrer sowie das generelle Problem fehlender Verkehrstrennung.
Eine häufig diskutierte Frage lautete:
Wie sicher ist das Fahren zu zweit auf einem E-Scooter?
Offiziell ist das Fahren zu zweit verboten. Dennoch machen es viele – wie offenbar auch die Zwillinge an diesem Abend. Dieses Verhalten erhöht das Unfallrisiko erheblich, da das Gleichgewicht schwerer zu halten ist und Bremsmanöver unpräziser ausfallen.
Veränderung ist möglich – aber nur mit Bewusstsein und Konsequenz
Der Tod der Zwillinge ist nicht nur ein tragisches Einzelschicksal – er ist Symbol für eine überforderte Infrastruktur, ein unzureichendes Regelwerk und eine Gesellschaft, die zu oft erst im Nachhinein handelt. Die Zahl der E-Scooter-Unfälle steigt – mit ihr die Zahl der Verletzten und Toten. Und dennoch sind politische Reaktionen marginal.
Was jetzt nötig ist, sind konkrete Maßnahmen: verpflichtende Helmpflicht, technische Nachrüstung der Scooter, eindeutige Wegemarkierungen, nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen. Gleichzeitig braucht es Aufklärungskampagnen – etwa an Schulen, Berufsschulen und durch Sharing-Anbieter selbst.
Und: Jeder Einzelne muss mitdenken. Denn nur wenn Nutzer, Autofahrer und Politik gemeinsam Verantwortung übernehmen, kann verhindert werden, dass weitere junge Leben auf so sinnlose Weise verloren gehen.