DIW-Präsident will Sonderabgabe für Babyboomer einführen

In Politik
September 01, 2025

Berlin – Mit einem ungewöhnlichen Vorschlag hat DIW-Chef Marcel Fratzscher eine Debatte über Generationengerechtigkeit neu entfacht. Er fordert eine Sonderabgabe für Babyboomer, die vor allem wohlhabendere Rentnerinnen und Rentner stärker in die Pflicht nehmen soll. Ziel sei es, die wachsende soziale Schieflage unter älteren Menschen abzufedern und gleichzeitig die Jüngeren zu entlasten. Während Befürworter die Idee als gerecht ansehen, kommt aus Politik und Gewerkschaften deutliche Kritik.

Das Konzept des „Boomer-Soli“

Der Vorschlag sieht vor, eine pauschale Sonderabgabe auf Alterseinkünfte einzuführen. Betroffen wären gesetzliche Renten, betriebliche und private Renten, Pensionen sowie unter Umständen auch Kapitaleinkünfte. Ein monatlicher Freibetrag von rund 1.000 Euro soll sicherstellen, dass Menschen mit geringen Bezügen nicht zusätzlich belastet werden. Erst darüber hinaus würden zehn Prozent der Einkünfte an den Staat abgeführt. Mit den Einnahmen soll innerhalb der älteren Generation eine Umverteilung zugunsten finanziell schwächerer Seniorinnen und Senioren erfolgen.

Begründung durch das DIW

Fratzscher argumentiert, dass die Babyboomer-Generation von den wirtschaftlich erfolgreichen Nachkriegsjahrzehnten profitiert habe. Nun müsse sie Verantwortung übernehmen und einen Beitrag zur Finanzierung der stark steigenden Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege leisten. Der „Boomer-Soli“ sei dabei kein Mittel, um die Jungen zusätzlich zu entlasten, sondern ein Instrument, um soziale Ungleichheit unter den Älteren selbst zu verringern.

Erwartete Wirkung auf Armutsrisiko

Simulationen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen eine deutliche Wirkung: Das Armutsrisiko bei den über 65-Jährigen könnte von derzeit 18,3 Prozent auf 13,8 Prozent sinken. Das entspricht einer Reduktion um rund ein Viertel. Vor allem einkommensstarke Rentner und Pensionäre würden stärker belastet, während Haushalte im mittleren Bereich nur geringe Einbußen hinnehmen müssten.

GruppeDurchschnittliche Belastung
Oberstes Einkommensquintil-3 % bis -4 % Netto-Äquivalenzeinkommen
Mittlere EinkommenDeutlich unter 3 %
Geringverdienende (unter 1.000 €)Keine Belastung

Reaktionen aus Politik und Gesellschaft

Die Reaktionen auf den Vorstoß fallen gemischt aus. Kritiker bemängeln, dass eine Sonderabgabe auf Renten und Pensionen systemfremd sei und das Vertrauen in die Altersvorsorge gefährden könnte. So warnte der Deutsche Gewerkschaftsbund, dass eine solche Lösung die grundlegenden Finanzierungsprobleme der Sozialkassen nicht löse. Stattdessen fordern Gewerkschaften eine umfassendere Steuerreform und eine gerechtere Verteilung der Lasten über alle Generationen hinweg.

Auch aus der CDU kommt Ablehnung. Man fürchtet, dass die vorgeschlagene Abgabe die Verlässlichkeit des Rentensystems in Frage stellt. Zustimmung in Ansätzen kommt hingegen von Ökonominnen wie Monika Schnitzer, Mitglied des Sachverständigenrates. Sie hält es für richtig, dass Besserverdienende auch im Rentenalter stärker herangezogen werden. Die genaue Ausgestaltung sei jedoch noch offen und müsse diskutiert werden.

Weitere Forderungen Fratzschers

Parallel zum Vorschlag des „Boomer-Soli“ brachte Fratzscher eine weitere Idee ins Gespräch: ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner. Auch dieser Vorschlag stieß auf breite öffentliche Aufmerksamkeit, ist jedoch unabhängig von der geplanten Sonderabgabe zu sehen. Beide Forderungen verbindet der Gedanke, dass die ältere Generation stärker zur Stabilität des Gemeinwesens beitragen sollte.

Ein Vorschlag mit Sprengkraft

Der „Boomer-Soli“ hat das Potenzial, die Diskussion über Generationengerechtigkeit in Deutschland nachhaltig zu prägen. Während die Befürworter in der Sonderabgabe ein Instrument sehen, um soziale Ungleichheit im Alter spürbar zu verringern, warnen Kritiker vor einer Belastung, die das Vertrauen in die Altersvorsorge schwächen könnte. Klar ist: Mit Blick auf die bevorstehende Verrentung der Babyboomer und die steigenden Kosten in Pflege und Gesundheit wird die Debatte um eine gerechte Lastenverteilung nicht so schnell verstummen. Ob der Vorschlag politische Mehrheiten finden kann, bleibt jedoch fraglich – die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.