Koalitionskrise zwischen SPD und BSW Medienstaatsvertrag: Streit um Rundfunkreform spitzt sich zu

In Politik
November 09, 2025

Potsdam, 9. November 2025. Zwischen Druck und Diplomatie: Im Brandenburger Landtag herrscht Spannung. Die Abgeordneten der rot-grauen Koalition aus SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stehen vor einer Entscheidung, die weit über den Landesrahmen hinausweist. Es geht um zwei Staatsverträge – zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und zur Neuausrichtung des Jugendmedienschutzes – und um die Stabilität einer jungen Regierung, die schon nach wenigen Monaten ins Wanken geraten ist.

Der Kern des Konflikts: Zwei Verträge, ein politisches Dilemma

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die sogenannte Rundfunkreform, ein bundesweites Projekt, das die Strukturen von ARD, ZDF und Deutschlandradio effizienter, digitaler und kostentransparenter gestalten soll. Ergänzend soll ein überarbeiteter Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) neue Standards für den Schutz Minderjähriger in Online-Medien festlegen. Beide Verträge müssen von den Landesparlamenten ratifiziert werden – doch in Brandenburg droht die Koalition daran zu zerbrechen.

Während das Kabinett, in dem auch das BSW vertreten ist, den Verträgen bereits zugestimmt hat, kündigte die BSW-Fraktion im Landtag an, mehrheitlich dagegen zu stimmen. Begründung: Die Reform gehe nicht weit genug, insbesondere in Fragen von Gehältern, Pensionslasten und Strukturen innerhalb der Sender. Zudem sehe man im geplanten Jugendschutz zu starke Eingriffe staatlicher Behörden in die Medienfreiheit.

SPD fordert Geschlossenheit – BSW sieht Reformbedarf

Die SPD-Fraktion mahnt Einigkeit an. Fraktionschef Daniel Lüttmann betonte: „Wir wollen, dass diese Medienstaatsverträge eine Mehrheit finden.“ Laut Koalitionsvertrag sei eine gemeinsame Abstimmung Pflicht. Doch das BSW fühlt sich in die Vorbereitung nicht ausreichend eingebunden. Die Partei fordert Nachverhandlungen – und will damit ein Signal für mehr Mitsprache und eine „echte Strukturreform“ setzen.

Die SPD verweist hingegen auf die bereits erzielte Zustimmung im Kabinett. Ein Abweichen im Landtag, so ein SPD-Abgeordneter, „wäre ein Bruch des Koalitionsvertrags und ein fatales Signal für die Handlungsfähigkeit der Regierung“.

Worum es inhaltlich geht – und warum der Streit so grundlegend ist

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter Reformdruck

Nach einer Studie der Stiftung Marktwirtschaft ist Deutschland das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem weltweit – mit über 10 Milliarden Euro Jahresbudget. Der Reformdruck ist entsprechend groß. Gefordert werden Effizienzsteigerungen, digitale Modernisierung und eine Reduktion teurer Parallelstrukturen. In diesem Kontext sollen die neuen Staatsverträge greifen: Sie schaffen die Grundlage für mehr Transparenz, Kostenkontrolle und eine stärkere digitale Ausrichtung.

Eine begleitende Studie von ARD, ZDF und Deutschlandradio zeigt jedoch, dass drei Viertel der Bevölkerung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als wichtigen Pfeiler des gesellschaftlichen Zusammenhalts sehen. Die politische Gratwanderung besteht also darin, Reformen voranzutreiben, ohne das Vertrauen in das System zu untergraben.

Jugendmedienschutz als Zündstoff

Auch der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag steht im Fokus. Er soll eine modernisierte Regulierung für Online-Inhalte schaffen – mit klareren Alterskennzeichnungen und mehr Verantwortung für Plattformbetreiber. Laut Medienanstalten folgt das Prinzip der „regulierten Selbstregulierung“. Genau hier setzt die Kritik des BSW an: Man befürchte „bürokratische Überregulierung“ und einen Verlust an Medienfreiheit.

Politische Folgen – Koalitionsrisiko wächst

In der Praxis droht die Regierung Woidke auseinanderzudriften. Sollte die BSW-Fraktion bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben, wäre eine eigene Koalitionsmehrheit unmöglich. Zwar könnte die CDU im Landtag den Verträgen zustimmen und so das Vorhaben retten – doch das würde als Bruch der Koalitionsdisziplin gewertet werden. Beobachter warnen bereits vor einer „gefährlichen Dynamik“, bei der wechselnde Mehrheiten zur Regel werden.

Selbst innerhalb des BSW gibt es unterschiedliche Stimmen. Parteivertreterin Marlen Block betonte zwar, man wolle „die Koalition fortsetzen“, doch die Reform in ihrer aktuellen Form sei „nicht zustimmungsfähig“. Der parteinahe Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi verteidigte auf Facebook die Haltung der Fraktion: Die Reform müsse „tiefer greifen“, sonst bliebe sie ein „Reförmchen“ – ein Kommentar, der tausendfach geteilt wurde und auch in den Foren von Reddit und anderen Netzwerken intensive Diskussionen auslöste.

Gesellschaftliches Echo – zwischen Reformmüdigkeit und Reformdruck

In sozialen Medien zeigen sich geteilte Reaktionen. Einige Nutzer loben das BSW als „einzige Kraft, die sich gegen den Rundfunkfilz stellt“, andere warnen vor „politischem Theater auf Kosten der Regierungsfähigkeit“. Kommentatoren des Tagesspiegel sprechen von „gefährlichem Zündeln“, das die Glaubwürdigkeit der Koalition gefährde. Gleichzeitig erscheint die CDU als potenzieller Profiteur, da sie als stabiler Partner einer sachorientierten Politik wahrgenommen wird.

Stimmen aus der Bevölkerung

  • „Wenn Brandenburg ausschert, riskieren wir einen Flickenteppich bei der Rundfunkfinanzierung“, kommentierte ein Leser.
  • „Endlich stellt sich mal jemand gegen die ständigen Beitragserhöhungen“, schrieb ein anderer Nutzer auf Facebook.

Ein Land auf der Suche nach Einigkeit

Das politische Ringen in Brandenburg ist mehr als ein Streit über Paragrafen. Es ist ein Symbol für den Balanceakt zwischen Reformwillen und Stabilität. Die Abstimmung im Landtag wird zur Bewährungsprobe für die rot-graue Koalition – und könnte, je nach Ausgang, Signalwirkung für ganz Deutschland haben. Sollte der Kompromiss gelingen, wäre es ein Zeichen politischer Reife. Scheitert er, könnte Brandenburg das erste Bundesland sein, das seine Koalition an einer Rundfunkreform verliert.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.