
Warschau – Beim diesjährigen Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs hat Polens Präsident Karol Nawrocki eine klare Forderung an Deutschland gerichtet: Reparationen. In seiner Rede am 1. September 2025 verband er die Erinnerung an die Kriegsverbrechen mit einem deutlichen politischen Signal. Nawrocki betonte, dass eine auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruhende Partnerschaft zwischen beiden Ländern nur möglich sei, wenn die Frage der Entschädigungen geklärt werde.
Ein Gedenken mit politischer Botschaft
Am Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen im Jahr 1939 versammelten sich hochrangige Vertreter der polnischen Politik, um den Opfern des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Neben Regierungschef Donald Tusk und Parlamentspräsident Szymon Hołownia war auch Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz anwesend. Präsident Karol Nawrocki nutzte diesen symbolträchtigen Rahmen, um ein Thema in den Mittelpunkt zu stellen, das die bilateralen Beziehungen seit Jahren belastet: die Reparationsfrage.
„Um eine auf Wahrheit und guten Beziehungen basierende Partnerschaft aufbauen zu können, müssen wir die Frage der Reparationen durch den deutschen Staat klären“, erklärte Nawrocki in seiner Ansprache. Mit dieser Aussage setzte er ein deutliches Zeichen und machte klar, dass er seine Präsidentschaft auch inhaltlich mit diesem Thema verbinden will.
Der Hintergrund der Reparationsforderungen
Die Forderung nach Reparationen ist kein neues Anliegen. Bereits in der Vergangenheit hatte die nationalkonservative Partei PiS, mit der Nawrocki ideologisch verbunden ist, mehrfach betont, dass der Verzicht Polens auf Reparationen im Jahr 1953 nicht rechtsgültig sei. Damals erklärte die polnische Regierung unter sowjetischem Druck, keine weiteren Ansprüche an Deutschland zu stellen. Aus Sicht der heutigen polnischen Politik ist dieser Schritt jedoch fragwürdig, da er nicht souverän getroffen wurde.
Deutschland hingegen vertritt seit Jahrzehnten die Auffassung, dass die Reparationsfrage rechtlich abgeschlossen ist. Aus deutscher Sicht gibt es keine Grundlage für erneute Zahlungen, da internationale Vereinbarungen und der Zwei-plus-Vier-Vertrag die Rechtslage eindeutig regeln. Diese gegensätzlichen Positionen sorgen bis heute für Spannungen zwischen beiden Ländern.
Nawrocki und sein politischer Kontext
Karol Nawrocki ist seit dem 6. August 2025 Präsident Polens. Der promovierte Historiker war zuvor Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs und Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN). Beide Funktionen prägten sein Verständnis von Geschichte und seine politische Haltung. Als Präsident vertritt er nun eine Linie, die stark auf nationale Erinnerungspolitik setzt und historische Verantwortung in den Vordergrund stellt.
Seine Nähe zu konservativen und nationalistischen Strömungen spiegelt sich in der Betonung der Reparationsfrage wider. Für Nawrocki ist sie nicht nur eine juristische, sondern auch eine moralische Verpflichtung, die aus seiner Sicht gegenüber Polen bislang unerfüllt geblieben ist.
Ein Thema mit geopolitischer Dimension
In seiner Rede verwies Nawrocki nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage Europas. Angesichts der geopolitischen Spannungen in Osteuropa stellte er die historische Verantwortung Deutschlands in einen größeren Zusammenhang. Für Polen, so die Botschaft, seien Erinnerung, Gerechtigkeit und Sicherheit untrennbar miteinander verbunden.
Diese Verknüpfung macht die Debatte um Reparationen zu mehr als einer bilateralen Streitfrage. Sie zeigt, wie eng Vergangenheit und Gegenwart in der politischen Rhetorik des polnischen Präsidenten miteinander verbunden sind.
Reparationsfrage bleibt Zankapfel
Die Auseinandersetzung um Reparationen hat das Potenzial, die ohnehin sensiblen deutsch-polnischen Beziehungen erneut zu belasten. Während Deutschland rechtlich auf einer abgeschlossenen Position beharrt, signalisiert Polen, dass es den historischen Anspruch nicht aufgeben will. Damit steht fest: Die Reparationsfrage wird auch in Zukunft ein Streitpunkt bleiben, der politische Gespräche überschattet.
Fazit: Erinnerung als politisches Instrument
Nawrockis Rede beim Weltkriegsgedenken zeigt, dass Erinnerungskultur in Polen immer auch eine politische Dimension besitzt. Indem er Reparationen einfordert, verbindet der Präsident historische Schuld mit aktuellen Forderungen und verleiht seiner Amtszeit eine klare Ausrichtung. Ob diese Linie zu mehr Gerechtigkeit oder zu verstärkten Spannungen führt, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch: Die Diskussion um Reparationen wird Deutschland und Polen auch in den kommenden Jahren begleiten – und beim jährlichen Weltkriegsgedenken stets mitschwingen.