Diese Bäckereikette beantragt Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

In Regionales
September 21, 2025

Gifhorn. Die traditionsreiche Bäckereikette Leifert hat beim Amtsgericht Gifhorn ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Betroffen sind rund 220 Mitarbeiter und 40 Filialen in Niedersachsen, die vorerst weitergeführt werden. Trotz der wirtschaftlichen Krise will das Unternehmen mit diesem Schritt eine Chance zur Sanierung und für einen Neuanfang nutzen.

Ein Traditionsunternehmen in der Krise

Hintergrund und Entwicklung der Bäckerei Leifert

Die Bäckerei Leifert blickt auf eine über 70-jährige Unternehmensgeschichte zurück. Gegründet 1950 als Familienbetrieb, entwickelte sich Leifert von einer kleinen Dorfbäckerei in Gifhorn zu einer regional bekannten Kette mit Filialen in Gifhorn, Braunschweig, Wolfsburg und der Region Hannover. Zum Sortiment gehören Brot, Brötchen, Kuchen und Snacks, ergänzt durch moderne Serviceangebote wie Lieferservice und Gastronomieelemente in ausgewählten Filialen.

Im Jubiläumsjahr sollte eigentlich gefeiert werden, doch stattdessen überschattet nun die Insolvenz in Eigenverwaltung die Festlichkeiten. Viele Kundinnen und Kunden verbinden mit Leifert nicht nur Backwaren, sondern auch einen sozialen Treffpunkt in ihren Stadtteilen und Dörfern. Diese emotionale Bindung zeigt sich auch in den sozialen Medien, wo zahlreiche Nutzer ihre Besorgnis, aber auch Solidarität mit dem Unternehmen äußern.

Das Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung

Mit der Eigenverwaltung bleibt die Geschäftsführung – unter Leitung von Nils Leifert – weiterhin im Amt und führt das Unternehmen operativ fort. Unterstützt wird sie durch den Rechtsanwalt Joachim Walterscheid als Generalhandlungsbevollmächtigten. Zusätzlich hat das Amtsgericht Gifhorn den erfahrenen Sachwalter Dr. Malte Köster bestellt, der das Verfahren überwacht und die Interessen der Gläubiger wahrt.

Eigenverwaltung ist ein spezielles Instrument des Insolvenzrechts, das Unternehmen mehr Eigenkontrolle über den Sanierungsprozess ermöglicht. Ziel ist es, den Betrieb zu stabilisieren, Liquidität zu sichern und einen Insolvenzplan zu entwickeln, der die langfristige Fortführung erlaubt.

Warum kam es zur Insolvenz?

Gestiegene Kosten und schwache Konjunktur

Die Gründe für die Insolvenz sind vielfältig, haben jedoch vor allem mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der letzten Jahre zu tun. Wie viele Betriebe des Bäckerhandwerks litt Leifert unter stark gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten. Laut Branchenberichten lagen die Gas-Importpreise zwischenzeitlich über 300 Prozent höher als im Vorjahr. Auch die Preise für Heizöl und Mehl kletterten auf historische Höchststände. Diese Kostenexplosion traf kleine und mittlere Betriebe besonders hart, da ihre Fixkosten im Energiebereich nur begrenzt flexibel sind.

Dazu kommt eine schwache Konjunktur, die das Konsumverhalten verändert hat. Viele Verbraucher greifen inzwischen häufiger zu günstigen Discounter-Angeboten. Für traditionelle Bäckereien wie Leifert wird es dadurch schwieriger, die steigenden Kosten über Preiserhöhungen auszugleichen.

Die Stimmen aus der Region

In Facebook-Gruppen aus Gifhorn und Umgebung zeigen sich Kunden überrascht und enttäuscht über die Nachricht. „Schade um die Traditionsbäckerei, hoffentlich übersteht Leifert die Krise“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer ergänzt: „Ich werde dort weiter kaufen, wenn alles gut geht – Qualität muss erhalten bleiben.“

Andere fragen konkret nach: Wird es Preissteigerungen geben? Wird das Sortiment verkleinert? Manche machen sogar Vorschläge für Energiesparmaßnahmen oder für Kooperationen mit anderen Betrieben, um Rohstoffe günstiger einzukaufen. Auch Sorgen um die Nahversorgung kleinerer Orte werden diskutiert – denn in manchen Dörfern ist Leifert die einzige Bäckerei im Umfeld.

Fragen rund um die Insolvenz in Eigenverwaltung

Was bedeutet „Eigenverwaltung“ im Insolvenzverfahren?

Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung behält die Geschäftsführung die Kontrolle über den Betrieb. Sie führt das Tagesgeschäft fort, muss jedoch eng mit einem Sachwalter zusammenarbeiten, der die Interessen der Gläubiger schützt. Im Fall von Leifert soll diese Form der Sanierung dazu beitragen, das Unternehmen neu aufzustellen und eine Zukunftsperspektive zu sichern.

Wie viele Filialen sind betroffen?

Leifert betreibt derzeit 40 Filialen. Diese sollen zunächst alle geöffnet bleiben, wie das Unternehmen betont. Für die Kundschaft bedeutet das, dass sie vorerst keine Veränderungen beim Einkauf spüren werden.

Sind die Löhne der Mitarbeiter gesichert?

Ja. Die rund 220 Beschäftigten erhalten ihre Gehälter über das sogenannte Insolvenzgeld der Agentur für Arbeit. Dieses Instrument greift in den ersten Monaten nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und gibt den Angestellten Sicherheit in einer unsicheren Situation.

Wer überwacht das Verfahren?

Als vorläufiger Sachwalter wurde Dr. Malte Köster aus Hannover bestellt. Seine Aufgabe ist es, das Verfahren zu kontrollieren und die Rechte der Gläubiger zu wahren. Zudem begleitet Rechtsanwalt Walterscheid die Geschäftsführung bei der betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen.

Die Perspektiven für Leifert

Chancen durch Eigenverwaltung

Die Eigenverwaltung wird häufig als „zweite Chance“ beschrieben. Der Vorteil liegt darin, dass die Geschäftsführung ihre Erfahrung einbringen und die Unternehmensstruktur direkt beeinflussen kann. Gleichzeitig können Kosten gesenkt werden, da die Vergütung eines Sachwalters niedriger ist als die eines klassischen Insolvenzverwalters.

Allerdings birgt die Eigenverwaltung auch Risiken. Sollte der Sanierungsplan scheitern, kann das Gericht die Eigenverwaltung aufheben. In diesem Fall würde ein regulärer Insolvenzverwalter eingesetzt, und es könnte zu Filialschließungen oder gar einer Zerschlagung des Unternehmens kommen.

Wie lange dauert ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung?

Die Dauer eines solchen Verfahrens ist schwer vorherzusagen. Sie hängt von der Größe des Unternehmens, der Komplexität der Verbindlichkeiten und der Anzahl der Gläubiger ab. In der Regel dauert ein Sanierungsverfahren mehrere Monate, in komplexen Fällen auch mehrere Jahre.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen

Statistiken und Branchenhintergründe

Das deutsche Bäckerhandwerk kämpft seit Jahren mit strukturellen Problemen. Laut Branchenberichten sind die Energiekosten für Bäckereien drastisch gestiegen. Ein kleiner Betrieb mit 50 Quadratmetern Verkaufsfläche zahlt durchschnittlich rund 8.000 Euro jährlich für Strom und etwa 15.000 Euro für Gas. Hinzu kommen steigende Rohstoffkosten, insbesondere für Mehl, Butter und Zucker. Diese Faktoren lassen die Gewinnmargen schrumpfen.

Die Zahl der handwerklichen Bäckereien in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten stark gesunken. Während es in den 1990er-Jahren noch über 20.000 Betriebe gab, liegt die Zahl heute bei weniger als der Hälfte. Der Trend zeigt, wie schwierig es für kleinere und mittlere Unternehmen ist, im Wettbewerb mit Discountern und großen Ketten zu bestehen.

Innovationen und Effizienzmaßnahmen

Einige Experten verweisen auf die Notwendigkeit, in moderne Technik zu investieren. Energieeffiziente Backöfen, bessere Isolierungen und ein optimiertes Management von Betriebszeiten können helfen, Kosten zu senken. Förderprogramme unterstützen diese Maßnahmen teilweise, doch die Anfangsinvestitionen sind hoch. Für ein Unternehmen in der Insolvenz bleibt die Umsetzung solcher Strategien eine besondere Herausforderung.

Die Rolle der Kunden und die regionale Bedeutung

Solidarität und Sorgen

In den sozialen Medien äußern Kunden ihre Verbundenheit. Viele kündigen an, weiterhin bei Leifert einzukaufen, um das Unternehmen zu unterstützen. Gleichzeitig wächst die Sorge, dass Standorte in ländlichen Regionen schließen könnten. Dort sind Bäckereien nicht nur Verkaufsstellen, sondern auch wichtige Treffpunkte für das soziale Leben.

Vergleich mit ähnlichen Fällen

Regionale Diskussionen zeigen auch Vergleiche mit anderen Bäckereien, die Insolvenz anmeldeten. Manche Betriebe konnten sich sanieren und sogar gestärkt aus dem Verfahren hervorgehen, andere mussten endgültig schließen. Welche Zukunft Leifert erwartet, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.

Ausblick

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist für die Bäckerei Leifert eine große Herausforderung, zugleich aber auch eine Chance. Ob es gelingt, das Traditionsunternehmen zu sanieren und die 220 Arbeitsplätze sowie 40 Filialen langfristig zu sichern, hängt von vielen Faktoren ab: der Entwicklung der Energiepreise, der Loyalität der Kunden, der Verhandlungsbereitschaft der Gläubiger und der Fähigkeit des Managements, neue Wege zu gehen.

Eines steht jedoch fest: Leifert ist tief in der Region verwurzelt. Die Menschen identifizieren sich mit der Bäckerei, viele verbinden persönliche Erinnerungen mit den Filialen. Diese emotionale Bindung könnte in den kommenden Monaten eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, das Unternehmen über die Insolvenz hinauszuführen und eine nachhaltige Perspektive zu schaffen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.