
Braunschweig, 12. November 2025 – Im Morgengrauen ziehen schwer bewaffnete Einsatzkräfte der Polizei Braunschweig durch ein Gewerbegebiet in Schöppenstedt. In roten Schutzanzügen sichern sie Fässer, Kanister und Tanks, deren chemischer Geruch in der kalten Luft hängt. Was zunächst aussieht wie ein gewöhnlicher Polizeieinsatz, entpuppt sich als einer der größten Schläge gegen die synthetische Drogenproduktion in Deutschland seit Jahren.
Ein länderübergreifender Einsatz mit Präzision
Unter der Leitung der Zentralen Kriminalinspektion Braunschweig und in enger Zusammenarbeit mit Europol durchsuchten die Ermittler zeitgleich 17 Objekte – acht im Landkreis Wolfenbüttel und neun in den Niederlanden. Das Ziel: eine international agierende Tätergruppe, die nach Angaben der Ermittler „in nicht geringer Menge Betäubungsmittel hergestellt und gehandelt haben soll“.
In einer Halle in Schöppenstedt stießen Spezialkräfte auf ein professionell eingerichtetes Labor. Zwischen Baugerüsten und Werkbänken fanden sie Fässer voller Chemikalien, Kochkessel und Laborgeräte. Die Produktion selbst ruhte zum Zeitpunkt der Durchsuchung – offenbar liefen Bauarbeiten, die möglicherweise zur Tarnung dienten. Dennoch war schnell klar: Hier wurde im großen Stil gearbeitet.
Sieben Festnahmen in zwei Ländern
Insgesamt wurden sieben Personen festgenommen: vier in Deutschland, drei in den Niederlanden. Gegen mehrere Beschuldigte lagen bereits Haftbefehle vor. Nach Polizeiangaben handelt es sich um eine Gruppe mit überwiegend niederländischem Hintergrund, die in den letzten Monaten im Verdacht stand, großflächig Amphetamin und andere synthetische Drogen zu produzieren und zu vertreiben.
Die Dimension des Fundes
Bei der Razzia beschlagnahmten die Ermittler rund 130 Liter Amphetamin-Base – eine Menge, die nach Einschätzung der Ermittler zur Herstellung von etwa 1,5 Millionen Einzeldosen Speed gereicht hätte. Der Straßenverkaufswert: ein zweistelliger Millionenbetrag. Damit entspricht der Fund nahezu der gesamten in Deutschland sichergestellten Menge des Vorjahres.
Zusätzlich wurden Bargeld im hohen fünfstelligen Bereich, Laborinstrumente und umfangreiche Chemikalienbestände sichergestellt. Nach Angaben der Ermittler war die Ausstattung so professionell, dass sie industriellen Standards entsprach. „Das war kein Hinterhoflabor, sondern eine regelrechte Produktionsstätte“, so ein Polizeisprecher.
Warum Wolfenbüttel zum Einsatzort wurde
Der Standort Wolfenbüttel wurde offenbar bewusst gewählt. Die Region bietet mit ihren ländlichen Hallenstrukturen und abgelegenen Gewerbegebieten ideale Bedingungen, um unbemerkt zu agieren. Konkrete Hinweise führten die Ermittler auf eine Halle in Schöppenstedt, wo bereits im Vorfeld verdächtige Lieferungen von Chemikalien registriert worden waren. Eine lokale Spurensicherung bestätigte, dass dort großvolumige Behälter und Tanks mit Resten von chemischen Substanzen gelagert waren.
Europäische Dimension und Hintergrund
Nach Daten des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) ist Europa in den letzten Jahren zu einem der Hauptproduktionsstandorte für Amphetamin geworden. Zwischen 2019 und 2021 wurden EU-weit 337 Produktionsanlagen ausgehoben, darunter 35 allein in Deutschland. Besonders aktiv: die Niederlande, wo moderne Labore und internationale Netzwerke, teils mit lateinamerikanischen „Cooks“, zum Einsatz kommen.
Diese industrielle Organisation zeigt sich auch im aktuellen Fall. Die Verbindungen zwischen den beschuldigten Personen in Niedersachsen und niederländischen Hintermännern bestätigen, wie grenzüberschreitend und arbeitsteilig die Szene agiert. Rohstoffe, Ausrüstung und Know-how zirkulieren innerhalb weniger Tage zwischen mehreren Ländern.
Marktentwicklung und gesellschaftlicher Kontext
In Deutschland liegt der Konsum von Amphetamin laut Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bei rund 1,3 Prozent der 18- bis 59-Jährigen. Zwischen 2015 und 2021 stieg der Konsum um rund 30 Prozent, parallel nahm auch die Zahl illegaler Produktionsstätten zu. Dieser Anstieg geht mit einer wachsenden Verfügbarkeit von synthetischen Drogen einher – einem Trend, den die Behörden zunehmend als Sicherheits- und Gesundheitsrisiko einstufen.
Fakten zur Amphetaminproduktion in Europa (2021–2024)
| Land | Anzahl ausgehobener Labore | Bemerkung |
|---|---|---|
| Niederlande | 114 | Schwerpunkt industrieller Produktion |
| Deutschland | 35 | Deutlich steigende Tendenz |
| Belgien | 23 | Kooperation mit niederländischen Gruppen |
Neue Aspekte aus sozialen Medien
Auf Instagram und YouTube kursieren Videos, die den Einsatz dokumentieren: Spezialkräfte in Schutzanzügen, die Substanzen prüfen, und Luftaufnahmen der Halle in Schöppenstedt. Lokale Facebook-Gruppen berichteten parallel von einer kleineren Cannabis-Plantage im selben Umfeld – ob es sich um denselben Einsatzkomplex handelt, prüfen die Ermittler derzeit. Diese Details zeichnen das Bild einer breit angelegten, vielschichtigen Aktion.
Wie es weitergeht
Die beschlagnahmten Chemikalien werden derzeit von Experten des Landeskriminalamts ausgewertet. Parallel laufen in den Niederlanden Verfahren gegen mutmaßliche Drahtzieher. Für Niedersachsen ist der Einsatz ein Signal: Die Behörden setzen verstärkt auf internationale Kooperation, um bandenmäßige Strukturen im Drogenhandel zu zerschlagen. „Ohne den engen Austausch mit Europol wäre dieser Schlag nicht möglich gewesen“, heißt es aus Ermittlerkreisen.
Ein Einsatz mit weitreichenden Folgen
Der Fund von 130 Litern Amphetamin-Base zeigt, wie professionell und arbeitsteilig Drogenproduktion in Europa heute abläuft. Für die Ermittler war die Razzia ein Erfolg – doch sie steht zugleich sinnbildlich für ein wachsendes Problem: Immer mehr industrielle Labore entstehen abseits urbaner Zentren, in stillgelegten Hallen oder unscheinbaren Gewerbegebieten. Der Kampf gegen diese Strukturen wird damit zur Daueraufgabe, nicht nur für Niedersachsen, sondern für ganz Europa.

































