Ermittler stehen vor Rätsel Hakenkreuz-Schmierereien als blutige Symbole auf Autos in Hanau

In Regionales
November 06, 2025

Hanau, 6. November 2025 – Ein kühler Novemberabend im Hanauer Stadtteil Lamboy: Unter den Laternen glitzert eine rötlich-bräunliche Spur auf der Motorhaube eines Autos. Kurz darauf sind Dutzende Fahrzeuge, Hauswände und Briefkästen mit denselben Zeichen übersät – Hakenkreuze, gezeichnet mit dem, was offenbar menschliches Blut ist. Eine Tat, die Schock und Fassungslosigkeit hinterlässt – und eine Stadt erneut in den Fokus rückt.

Unbekannte beschmieren Dutzende Autos mit Blut

In der Nacht zum Donnerstag entdeckte ein Anwohner in der Platanenstraße von Hanau erstmals ein Hakenkreuz aus einer rötlichen Flüssigkeit auf seinem Auto. Als die Polizei kurz darauf weitere Straßen kontrollierte – darunter die Karl-Marx-Straße, Friedrich-Engels-Straße, Breslauer Straße und Dartforder Straße –, bot sich den Einsatzkräften ein schockierendes Bild: Rund 50 Fahrzeuge sowie mehrere Hauswände und Briefkästen waren mit ähnlichen Symbolen beschmiert.

Ein erster Vortest deutete darauf hin, dass es sich bei der Flüssigkeit um menschliches Blut handeln könnte. Die Herkunft ist bislang ungeklärt. Nach Angaben der Polizei gibt es keine Hinweise auf verletzte Personen oder Blutspenden, die gestohlen worden sein könnten. Die Ermittlungen laufen wegen Sachbeschädigung und wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB).

Zeugenaufruf und Spurensicherung

Wie die Polizei mitteilte, wurde der erste Vorfall gegen 22:40 Uhr gemeldet. Einsatzkräfte sicherten an mehreren Orten Spuren und riefen die Bevölkerung zur Mithilfe auf. Wer verdächtige Personen oder Fahrzeuge in der Zeit zwischen 16 Uhr und Mitternacht gesehen habe, solle sich unter der bekannten Hinweisnummer melden. Ein Sprecher betonte, dass „jede Beobachtung, auch vermeintlich unbedeutende“, für die Ermittlungen hilfreich sein könne.

Was bislang bekannt ist – Fragen und Antworten aus der Bevölkerung

Nach Bekanntwerden der Tat suchten viele Menschen online nach Antworten. Die Polizei bestätigte, dass tatsächlich rund 50 Autos betroffen seien – vor allem im Stadtteil Lamboy. Die auffälligen Symbole, so wurde berichtet, seien teilweise spiegelverkehrt gewesen, was jedoch nichts an ihrer Bedeutung ändere. Es handle sich eindeutig um Hakenkreuze.

Ein häufiges Anliegen betraf die Frage nach dem verwendeten Material. Laut Polizei weist ein chemischer Schnelltest klar auf menschliches Blut hin. Weitere Laboruntersuchungen sollen klären, ob es sich dabei um Blut mehrerer Personen handelt. Hinweise auf verletzte Menschen wurden bislang nicht gefunden, Verletzte gibt es keine. Auch ein politisches Bekennerschreiben existiert derzeit nicht.

Ermittelt wird nun wegen zweier zentraler Tatbestände: Sachbeschädigung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Die Ermittler schließen einen politisch motivierten Hintergrund nicht aus, betonen aber, dass bisher keine Gruppenzugehörigkeit oder Ideologie bestätigt werden konnte.

Hanau – eine Stadt mit sensibler Vergangenheit

Die Nachricht verbreitete sich schnell – und mit ihr ein Gefühl der Beklemmung. Denn Hanau ist keine Stadt wie jede andere: Seit dem rechtsextrem motivierten Anschlag vom 19. Februar 2020, bei dem neun Menschen getötet wurden, gilt sie als Symbol für das Ringen um Erinnerung, Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dass nun erneut Nazi-Symbole auftauchen, löste Entsetzen und Trauer aus.

„Es ist einfach unfassbar, dass so etwas hier wieder passiert“, sagte eine Anwohnerin gegenüber einem Reporter. „Man hat das Gefühl, die Vergangenheit lässt uns nicht los.“ Auch Bürgermeister Claus Kaminsky äußerte sich betroffen: „Hanau steht für Offenheit und Zusammenhalt – diese Tat trifft uns ins Herz.“

Psychologische und gesellschaftliche Wirkung solcher Taten

Experten betonen, dass der Einsatz von Symbolen wie Hakenkreuzen bewusst gewählt sein kann. Solche Handlungen seien „nicht bloß Vandalismus“, sondern oft Teil einer Strategie, um Angst zu verbreiten und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wissenschaftliche Analysen beschreiben, dass Symbolhandlungen in der extremistischen Kommunikation eine zentrale Rolle spielen – sie sollen provozieren, einschüchtern und zugleich Verbündete signalisieren.

Gerade in Städten mit einem Hintergrund wie Hanau könne das Wiederauftauchen nationalsozialistischer Symbolik tiefe emotionale Spuren hinterlassen. Forschungen zur Erinnerungskultur zeigen, dass solche Taten auch Jahre nach Gewaltereignissen alte Wunden aufreißen. Das Bewusstsein für die Tat von 2020 ist in der Stadt bis heute präsent – mit Gedenkstätten, Mahnwachen und Initiativen, die sich gegen Rassismus engagieren.

Statistischer Kontext: Zunahme rechter Straftaten

Die Tat von Hanau steht nicht isoliert. Bundesweite Daten zeigen eine besorgniserregende Entwicklung. Nach Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz wurden im Jahr 2024 insgesamt 57.701 politisch motivierte Straftaten rechter Herkunft registriert – ein Anstieg von rund 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Etwa 2.976 dieser Fälle waren Gewaltdelikte. Innenminister warnen seit Monaten vor einer „massiven Zunahme rechtsextremer Aktivitäten“, die zunehmend die Demokratie bedrohten.

Auch Opferberatungsstellen sprechen von einem „alarmierenden Niveau“. Dabei habe sich die Art der Taten verändert: Neben offenen Angriffen nähmen insbesondere Symbolhandlungen wie Schmierereien, Vandalismus und gezielte Einschüchterungen zu. Diese Entwicklung wird auch von Beobachtern in Hanau wahrgenommen – viele Bürger sehen die Schmierereien als Spiegelbild eines gesellschaftlichen Klimas, das sich in Teilen radikalisiert.

Von der Großtat zur symbolischen Einschüchterung

Eine Studie der Universität Lund zeigt, dass rechte Akteure zunehmend auf niedrigschwellige Aktionen setzen, die schnell Aufmerksamkeit erzeugen, aber schwer zuzuordnen sind. Schmierereien, Aufkleber oder Blutzeichen gehören dazu. Diese Form des Extremismus sei subtiler, aber psychologisch wirksam – sie besetze den öffentlichen Raum, ohne zwingend Täter zu zeigen.

Auch in Hanau sehen Fachleute Parallelen: Die gezielte Verwendung von Blut, das international als starkes Symbol für Opfer, Schuld und Gewalt gilt, könnte auf eine bewusste Inszenierung hinweisen. Die Ermittler bleiben jedoch vorsichtig – bislang gibt es keinerlei Beweise, dass eine organisierte Gruppe hinter der Tat steht.

Reaktionen in der Stadt und Ermittlungsstand

In den sozialen Netzwerken sorgten die Bilder der blutroten Hakenkreuze für Entsetzen. Unter Hashtags wie #Hanau und #Lamboy teilten Anwohner Fotos der beschmierten Fahrzeuge. Viele äußerten Angst und Wut, manche erinnerten an den Anschlag von 2020, andere riefen zu Zivilcourage auf. Die Polizei bat darum, keine weiteren Fotos der Tatorte zu posten, um die Ermittlungen nicht zu behindern.

Nach aktuellem Stand wertet die Kriminaltechnik zahlreiche Proben aus. Auch Videoaufnahmen von Überwachungskameras aus dem Umfeld werden geprüft. Die Beamten gehen davon aus, dass die Schmierereien zwischen dem späten Nachmittag und dem späten Abend entstanden. Zeugen berichteten von einer verdächtigen Person, die sich mit Kapuze und Handschuhen in der Gegend aufhielt. Eine offizielle Täterbeschreibung liegt jedoch noch nicht vor.

Lokale Hilfs- und Solidaritätsinitiativen

Bereits am Donnerstagmorgen begannen Bürger und städtische Mitarbeiter, die Schmierereien zu entfernen. Mehrere Hanauer Initiativen kündigten spontane Mahnwachen an, um ein Zeichen gegen Hass zu setzen. Der Verein „Hanau steht zusammen“ erklärte: „Unsere Stadt lässt sich nicht einschüchtern. Wir sind viele, die sich für ein friedliches Miteinander einsetzen.“

Auch Kirchen und Bildungseinrichtungen kündigten an, über den Vorfall zu sprechen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Besonders in Schulen soll das Thema aufgegriffen werden, um jungen Menschen die Bedeutung der Symbole und die Gefahren extremistischer Ideologien bewusst zu machen.

Ein Blick über Hanau hinaus – was die Tat bedeutet

Die Ermittler stehen vor einer schwierigen Aufgabe: Ohne klare Spuren bleibt der Fall bislang ein Rätsel. Ob die Blut-Schmierereien eine Einzelaktion oder Teil eines größeren Plans sind, ist unklar. Doch unabhängig vom Täter zeigt der Vorfall, wie sensibel das gesellschaftliche Klima in Deutschland geworden ist. Eine einzige Tat kann eine ganze Stadt verunsichern – und das Vertrauen in Sicherheit und Zusammenhalt erschüttern.

Eine Stadt sucht nach Ruhe – und Antworten

Hanau versucht, zur Normalität zurückzufinden. Doch die roten Spuren auf Blech und Beton sind mehr als nur Farbflecken – sie sind Mahnmale eines ungelösten Falls. Während die Polizei weiter ermittelt, wächst die Hoffnung auf Aufklärung, aber auch die Sorge, dass die Tat symbolisch bleibt: ein blutiges Echo aus einer Vergangenheit, die nie ganz vergeht.

„Wir werden diesen Fall aufklären“, versichert ein Polizeisprecher am Donnerstagabend. „Und wir werden alles tun, damit sich die Menschen in Hanau sicher fühlen.“

Bis dahin bleibt ein leises, aber eindringliches Gefühl: Die Zeichen von Hanau sind nicht nur auf Autos gemalt – sie stehen für die Fragen, die Deutschland sich immer wieder stellen muss.

Avatar
Redaktion / Published posts: 2987

Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.