
Dresden, 13. Juni 2025, 09:00 Uhr
Mitten im Herzen von Dresden steht eine tiefgreifende Veränderung bevor: Der Postplatz, eine der zentralen Verkehrsadern der Stadt, wird vom 30. Juni um 6 Uhr bis zum 21. Juli um 3 Uhr vollständig gesperrt. Grund dafür ist die umfassende Erneuerung der Gleiskreuzung – eine Maßnahme, die sowohl technische Notwendigkeit als auch stadtplanerische Bedeutung in sich trägt.
Eine Kreuzung mit Geschichte – und Verschleiß
Die Gleiskreuzung am Postplatz ist seit über 20 Jahren in Betrieb. Täglich fahren hier zahlreiche Straßenbahnen und Busse ein und aus, was den Verschleiß an der Verkehrstechnik stark begünstigt hat. Die bevorstehende Sperrung dient der vollständigen Erneuerung der Anlage – ein Vorhaben, das akribisch geplant wurde und bereits seit Wochen in den Werkstätten der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) vorbereitet wird.
Die neue Gleiskonstruktion wurde vorgefertigt und steht einsatzbereit in der DVB-Zentrale in Reick. Ziel ist es, durch diese Vorarbeit die Bauzeit auf ein Minimum zu reduzieren. Dennoch ist die Maßnahme tiefgreifend: Sowohl der öffentliche Nahverkehr als auch der Individualverkehr sind in dieser Zeit erheblich eingeschränkt.
Starke Beeinträchtigungen für Fahrgäste und Autofahrer
Während der dreiwöchigen Sperrung wird der Postplatz weder von Straßenbahnen noch von Bussen befahren. Mehrere Linien – insbesondere jene mit Zielrichtungen in die Neustadt oder in den Westen der Stadt – werden weiträumig umgeleitet.
Betroffene Straßenbahn- und Buslinien
Die Umleitungen führen unter anderem über die Hertha-Lindner-Straße, die Ostra-Allee und die Wallstraße. Besonders gravierend ist die Einschränkung des sogenannten „Postplatztreffens“, bei dem sich nachts traditionell fast alle Linien am Postplatz kreuzen. Diese zentrale Verknüpfung fällt komplett aus.
Alternative Angebote
Die DVB stellt temporäre Ersatzhaltestellen bereit und ergänzt das Angebot im Nachtverkehr durch sogenannte „alita“-Anruflinientaxis. Auch das Kundenservicezentrum am Postplatz ist während der Bauzeit geschlossen – Fahrgäste müssen auf Alternativen am Hauptbahnhof oder an der Prager Straße ausweichen.
Technik trifft Zeitdruck: Drei Wochen Bauzeit
Dass eine so zentrale Stelle Dresdens komplett stillgelegt wird, ist ungewöhnlich – und zeigt die Dringlichkeit der Maßnahme. Die DVB versichert, dass die Bauzeit von drei Wochen ambitioniert, aber realistisch ist. Die Vorfertigung der Gleise und der präzise Bauablauf sollen garantieren, dass der Verkehr spätestens am 21. Juli wieder wie gewohnt rollen kann.
Warum die Maßnahme notwendig ist
Die stark belastete Gleiskreuzung gilt als sicherheitskritischer Punkt. Risse, Verwerfungen und veraltete Technik machen einen Austausch unausweichlich. Gleichzeitig wird durch die Maßnahme die langfristige Leistungsfähigkeit des Netzes gesichert und die Betriebsstabilität erhöht.
Historische und städtebauliche Dimension des Postplatzes
Der Postplatz ist weit mehr als ein Verkehrsknotenpunkt. Historisch war er bereits in den 1920er Jahren ein Zentrum des städtischen Nahverkehrs. Das sogenannte „Postplatztreffen“ wurde damals eingeführt und prägt das Dresdner Nachtliniennetz bis heute.
Auch architektonisch ist der Platz von Bedeutung: Die „Käseglocke“, ein pavillonartiger Bau aus der Zwischenkriegszeit, steht unter Denkmalschutz und wurde mehrfach umgestaltet. Der Ort ist außerdem einer der letzten zentralen Plätze in Dresden, der über Jahrzehnte hinweg nicht vollständig neu gestaltet wurde. Viele Stadtplaner sehen ihn deshalb als „ewig unvollendeten“ Raum mit hohem Entwicklungspotenzial.
Stadtentwicklung rund um den Postplatz
Seit 2016 hat sich das Bild des Postplatzes schrittweise gewandelt. Große Bauprojekte – wie das „Haus am Zwinger“ oder der Neubau der ehemaligen Oberpostdirektion – prägen das Areal. Insgesamt wurden rund 60 Millionen Euro in neue Wohn- und Geschäftsräume investiert. Der Platz rückt damit zunehmend ins Zentrum des hochpreisigen Immobilienmarkts der Stadt.
Stimmen aus der Stadtgesellschaft
Die Sperrung des Postplatzes wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern pragmatisch aufgenommen, da sie als notwendig angesehen wird. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen: Einige fordern eine bessere langfristige Verkehrsplanung, insbesondere hinsichtlich Fahrrad- und Fußverkehr. Auch der Wunsch nach dauerhaften Begrünungsmaßnahmen wird laut.
„Der Postplatz ist im Sommer eine echte Hitzeinsel – ohne Schatten, ohne Grün. Hier braucht es endlich stadtklimatisch wirksame Maßnahmen“, so eine Anwohnerin aus der Wilsdruffer Vorstadt.
Hitzeinseleffekt messbar
Studien belegen: Der Postplatz kann im Sommer bis zu 6,5 °C heißer werden als umliegende Grünräume wie der Große Garten. 2009 versuchte die Stadt, dem mit mobilen Hochbeeten entgegenzuwirken – doch eine dauerhafte Begrünung fehlt bis heute.
Erinnerungskultur und politische Geschichte
Der Postplatz ist auch ein Ort historischer Tiefenschichten. Ein Denkmal mit einem Panzerkettenfragment erinnert an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Zudem sind Spuren früherer städtischer Infrastrukturen – wie der Cholerabrunnen von 1866 – noch immer Teil des kollektiven Gedächtnisses.
Diese historischen Verflechtungen zeigen: Der Postplatz ist ein Ort, an dem technische Notwendigkeit, kulturelles Erbe und stadtgesellschaftliche Wünsche aufeinandertreffen.
Verkehrspolitische Debatte: Viel Kritik, wenig Veränderung
Bereits im Verkehrsentwicklungsplan „VEP 2025plus“ wurde der Postplatz als zentrales Mobilitätsdrehkreuz diskutiert. Viele Forderungen aus der Bevölkerung – etwa Tempo-30-Zonen, eine Stärkung des Radverkehrs oder mehr Sicherheit im Fußgängerbereich – wurden damals nur teilweise aufgenommen.
Forderung | Realisierungsstand |
---|---|
Mehr Fahrradspuren am Postplatz | Teilweise umgesetzt |
Tempolimit für Kfz | Nicht umgesetzt |
Dauerhafte Begrünung | Ausstehend |
Barrierefreie Haltestellen | Im Ausbau |
Mehr als nur neue Schienen
Die Erneuerung der Gleiskreuzung ist technisch notwendig und stadtplanerisch bedeutsam. In den drei Wochen Sperrzeit muss jedoch auch deutlich werden, wie eng Infrastruktur und Lebensqualität miteinander verflochten sind. Die Diskussion um den Postplatz sollte deshalb nicht nach dem 21. Juli enden, sondern vielmehr Ausgangspunkt für eine umfassendere Neugestaltung sein – stadtklimatisch, sozial und historisch bewusst.
Bis dahin gilt für alle Dresdnerinnen und Dresdner: rechtzeitig umplanen, alternative Routen nutzen und die Chance sehen, wie aus einem technischen Projekt ein neuer städtischer Impuls entstehen kann.