
Herford – Die Möbelbranche in Ostwestfalen-Lippe ist um einen weiteren Insolvenzantrag reicher. Der traditionsreiche Hersteller Gela-Form hat am 9. Juli 2025 Insolvenz angemeldet. Die Nachricht erschüttert eine Region, die lange als Zentrum deutscher Möbelqualität galt – und stellt einmal mehr die Schwächen eines ganzen Industriezweigs bloß.
Ein Branchenbeben im Herzen der Möbelindustrie
Gela-Form, ansässig in Herford, war bislang ein fester Bestandteil der Zulieferindustrie für Küche, Bad und Flur. Mit rund 30 Beschäftigten hatte das Unternehmen sich auf die Fertigung hochwertiger Fronten und Formteile spezialisiert. Der Geschäftsbetrieb wurde trotz des Insolvenzantrags vorerst aufrechterhalten – ein Schritt, den viele als Hoffnungsschimmer deuten. Doch die Ursachen der Krise sind tiefgreifend und zeigen exemplarisch, welche Herausforderungen Mittelständler in der Möbelbranche derzeit zu bewältigen haben.
Hintergründe der Insolvenz: Zwischen Investitionen und Preisdruck
Die Unternehmensführung nennt mehrere Gründe für die Zahlungsunfähigkeit: gestiegene Personalkosten, massive Investitionen in Maschinen und Prozesse sowie eine allgemein rückläufige Nachfrage. Bemerkenswert ist dabei, dass Gela-Form erst wenige Monate vor dem Insolvenzantrag die ebenfalls insolvente LignoSmart Holztechnik aus Lübbecke übernommen hatte. Laut interner Stellungnahmen sei diese Akquisition jedoch nicht der direkte Auslöser für die aktuellen Schwierigkeiten gewesen.
Wichtige Eckdaten zur Insolvenz
Merkmal | Details |
---|---|
Unternehmen | Gela-Form GmbH, Herford |
Insolvenzanmeldung | 9. Juli 2025 |
Mitarbeiter | Ca. 30 |
Geschäftsbetrieb | Läuft vorerst weiter |
Löhne | Gesichert durch Insolvenzgeld bis August 2025 |
Ein strukturelles Problem: Die Lage der deutschen Möbelbranche
Die Insolvenz von Gela-Form ist kein Einzelfall. Allein im ersten Quartal 2025 verzeichnete die deutsche Möbelindustrie einen Umsatzrückgang von 4,6 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders stark betroffen: Büro- und Polstermöbel. Insgesamt sank der Branchenumsatz 2024 um 6,6 %, und auch die Zahl der Mitarbeitenden ging deutlich zurück – ein Minus von über 5 %.
Ein weiterer Belastungsfaktor: die anhaltende Schwäche im Wohnungsbau. Mit nur noch rund 216.000 genehmigten Neubauwohnungen 2024 erreichte Deutschland den niedrigsten Stand seit 2010. Das trifft die Möbelindustrie ins Mark – insbesondere Hersteller, die stark vom Küchen- und Bausektor abhängen.
Branchenstatistik im Überblick (Stand 2024–2025)
- Umsatzentwicklung: –6,6 % auf 20,7 Mrd. € (2024)
- Rückgang der Beschäftigten: –5,4 % auf rund 71.000
- Kurzarbeit: Über 40 % der Unternehmen betroffen
- Wohnungsneubau: Rückgang auf 216.000 Einheiten (2024)
Stimmen aus der Branche: „Der Mittelstand steht unter Dauerfeuer“
Die Unsicherheit im Mittelstand wächst. In Branchenforen, Netzwerken und auf LinkedIn mehren sich Stimmen, die das aktuelle Marktumfeld als toxisch für kleinere Hersteller beschreiben. Ein Branchenanalyst kommentierte: „Die Digitalisierung wurde verschlafen, der Preisdruck durch den Einzelhandel nimmt zu und Investitionen amortisieren sich kaum – das kann keine Firma lange aushalten.“
Auch ein langjähriger Mitarbeiter aus Herford, der anonym bleiben möchte, schilderte auf einem regionalen Forum: „Wir haben alles gegeben – neue Maschinen, neue Prozesse, ein gutes Produkt. Aber gegen den Marktdruck und die Kostenflut konnten wir irgendwann nicht mehr ankämpfen.“
Weitere Beispiele aus der Region
Gela-Form ist nicht allein: Bereits im Dezember 2024 meldete die Werner Laker GmbH, ebenfalls aus Herford, Insolvenz an. Die Parallelen sind auffällig. Beide Unternehmen stehen stellvertretend für einen Teil der ostwestfälischen Industrie, der von jahrzehntelanger Qualität lebt – aber unter digitalen Defiziten, Rechtsrisiken und fehlendem Kapital leidet.
Digitalisierung als Überlebensstrategie – oder letzte Chance?
Herford ist nicht nur Sitz zahlreicher Möbelhersteller, sondern auch Standort innovativer Verbände wie dem Daten Competence Center (DCC) und dem VHK. Hier werden Standards entwickelt, die digitale Prozesse in der Branche vorantreiben sollen – von 3D-Produktkonfigurationen über BIM-Daten bis zu digitalen Lieferscheinen.
Doch gerade kleinere Firmen wie Gela-Form haben Schwierigkeiten, diese Anforderungen zeitnah umzusetzen. Der Investitionsdruck ist hoch, Fördermöglichkeiten oft komplex. Die Folge: Wer nicht Schritt hält, bleibt zurück.
Digitalisierungsgrad als Überlebensfaktor
Unternehmensgröße | Digitalisierungsgrad | Überlebenschance |
---|---|---|
Kleine Hersteller (< 50 MA) | Gering bis mittel | Kritisch |
Mittlere Hersteller (50–250 MA) | Mittel | Unsicher |
Große Konzerne (> 250 MA) | Hoch | Stabil |
Rechtliche Risiken: Wenn Gläubiger nachträglich zur Kasse bitten
Ein weiterer Aspekt, der selten diskutiert wird: Insolvenzanfechtungen. Seit der Reform des Insolvenzrechts können Lieferanten bis zu zehn Jahre rückwirkend zur Rückzahlung von erhaltenen Zahlungen verpflichtet werden – wenn der Verdacht besteht, dass der Schuldner bereits in finanziellen Schwierigkeiten war. Gerade im Umfeld von Gela-Form werden solche Risiken heiß diskutiert.
Für kleinere Zulieferer, die regelmäßig mit unsicheren Zahlungszielen arbeiten, bedeutet das eine doppelte Bedrohung: Erst der Forderungsausfall – und dann womöglich noch Rückforderungen durch Insolvenzverwalter.
Ein Ausblick mit Unsicherheiten – aber auch Chancen
Auch wenn Gela-Form vorerst weiter produziert, bleibt unklar, wie sich das Unternehmen sanieren will. Eine Investorensuche wurde bislang nicht öffentlich bestätigt. Brancheninsider halten einen Verkauf an einen strategischen Investor für denkbar – allerdings nur, wenn die Produktionslinien digital kompatibel und wirtschaftlich tragfähig sind.
Was bleibt, ist ein Beispiel für das stille Sterben vieler Mittelständler in einer Industrie im Umbruch. Zugleich gibt es Hoffnung: Wer sich spezialisiert, nachhaltig produziert und digital aufrüstet, kann nach wie vor bestehen. Die Region Herford bringt diese Voraussetzungen mit – doch es liegt an den Unternehmen, sie auch zu nutzen.
Gela-Form als Spiegelbild einer Branche im Wandel
Die Insolvenz von Gela-Form ist mehr als nur ein regionaler Rückschlag – sie ist symptomatisch für eine Möbelbranche, die sich grundlegend verändern muss. Zwischen Digitalisierung, ESG-Vorgaben, Handelskonzentration und rechtlichen Fallstricken geraten besonders kleine und mittelständische Unternehmen unter Druck. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Gela-Form ein Beispiel für gelungene Restrukturierung wird – oder für das Scheitern eines traditionellen Geschäftsmodells in einer digitalen Welt.