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Gürtelrose (Herpes zoster) Gürtelrose nach Covid-Impfung: Was Studien wirklich über das Risiko sagen

In Allgemein
November 07, 2025

Immer wieder taucht in medizinischen Kreisen und in der öffentlichen Diskussion die Frage auf, ob eine Impfung gegen Covid-19 das Risiko für eine Gürtelrose (Herpes zoster) erhöht. In diesem Artikel werden die wissenschaftlichen Grundlagen, Studienergebnisse und offenen Fragen zu dieser Thematik eingehend dargestellt.

Was ist Gürtelrose? Eine medizinische Einordnung

Die Gürtelrose, medizinisch als Herpes zoster bezeichnet, ist eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV), das nach einer früheren Windpockeninfektion in den sensiblen Ganglien persistieren kann. Mit zunehmendem Alter oder bei Immunschwäche nimmt das Risiko einer Reaktivierung zu. Kliniktypisch sind ein schmerzhafter Hautausschlag entlang eines Hautsegments sowie mögliche Komplikationen wie die postherpetische Neuralgie (PHN) oder Beteiligung innerer Organe.

Aus epidemiologischer Sicht liegt das Lebenszeitrisiko für Gürtelrose bei etwa 30 %. Die Hauptfaktoren sind höheres Alter (z. B. ≥ 50 Jahre) und ein nachlassendes zelluläres Immunsystem. Wegen der Komplikationsrisiken – insbesondere bei älteren Menschen – wird eine vorsorgliche Zoster-Impfung (z. B. mit dem rekombinanten Impfstoff RZV) empfohlen.

Impfung gegen Covid-19 und mögliche Reaktivierung von VZV

Biologische Plausibilität und theoretische Mechanismen

Aus immunologischer Sicht stellt sich die Frage, ob eine Impfung gegen SARS-CoV-2 durch temporäre Immunaktivierung oder Interferon-Reaktionen eine Reaktivierung latenter Viren begünstigen könnte. So wird diskutiert, dass T-Zell-Antworten oder Typ-I-Interferon-Signale kurzfristig verändert sein könnten, was wiederum das Gleichgewicht gegenüber latenten Erregern stören könnte.

Gleichzeitig zeigen neuere immunologische Studien, dass der wesentliche Treiber einer VZV-Reaktivierung der alters- und immunitätsbedingte Abfall der VZV-spezifischen T-Zell-Immunität ist. Insofern bleibt die Frage, ob eine Impfung zusätzliches Risiko birgt oder ob der beobachtete Effekt vor allem durch andere Faktoren erklärt wird.

Studienlage zur Frage einer Assoziation zwischen Covid-19-Impfung und Gürtelrose

Eine große US-Kohorten-Analyse mit >2 Mio. Geimpften unter Anwendung eines Selbstkontrollierten Risikointervall-Designs (Self-Controlled Risk Interval) fand **kein erhöhtes Risiko** für Herpes zoster nach mRNA- oder Vektorimpfstoffen (IRR 0,91; 95 % CI 0,82–1,01). Damit konnte kein generelles Sicherheitsproblem erkannt werden.

Eine Hongkonger Analyse (SCCS + Nested Case-Control) wies hingegen in den ersten 14-27 Tagen nach Impfung mit BNT162b2 oder CoronaVac ein erhöhtes relatives Risiko auf – **bei allerdings sehr geringen absoluten Fallzahlen** (z. B. rund 5-7 Zusatzerkrankungen pro 1 Mio. Dosen). Daraus ergibt sich: ein möglicher kurzfristiger Effekt, aber geringe klinische Relevanz.

Diskussion: Interpretationsspielräume und offene Fragen

Relatives Risiko vs. absolutes Risiko

Der Unterschied zwischen relativem und absolutem Risiko ist in dieser Debatte entscheidend. Selbst wenn ein Studienergebnis eine verdoppelte oder verfünffachte relative Gefahr zeigt, bleibt die absolute Anzahl zusätzlicher Erkrankungen minimal – speziell im Vergleich zur Krankheitslast der COVID-19-Infektion selbst. Deshalb betonen Expert:innen, dass absolute Risiken klar kommuniziert werden müssen.

Methodische Aspekte und Kontroversen

Kritisch zu diskutieren ist, wie unterschiedliche Designs zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Selbstkontrollierte Studien (SCCS) haben Vorteile hinsichtlich Kontrolle für zeitinvariante Confounder, sind aber empfindlich gegenüber Wahl des Risiko-Fensters. Disproportionalitätsanalysen von Spontandatenbanken melden gelegentlich Signale – diese zeigen jedoch keine Kausalität und sind anfällig für Melde-Bias. Eine vollständige kausale Bewertung setzt kontrollierte Studien und Hintergrundraten voraus.

Eine weitere Kontroverse betrifft Booster-Dosen und Impfstoffplattformen. Während die meisten Daten auf den ersten Impfstoffdosen aus der Frühphase der Pandemie basieren, liegen weniger Daten zu Auffrischimpfungen und neuen Varianten vor – hier besteht ein Erweiterungsbedarf.

Werbung auf der Seite: Impfung versus Infektion – ein Unterschied

Ein zunehmend wichtiger Aspekt ist die Vergleichsbetrachtung von Impf- und Infektionsrisiko hinsichtlich Gürtelrose. Meta-Analysen zeigen: Eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion geht mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herpes zoster einher (z. B. circa 2-fach erhöht), wohingegen die Impfung kein konsistentes Risiko zeigt. Diese Tatsache stärkt die Position der Impfung im Verhältnis zum Gesamt-Risiko für Gürtelrose.

Praxisrelevanz und Empfehlungen für die Impfalltag

Für Ärzt:innen und Impfberater:innen gilt: Bei der Aufklärung zur COVID-19-Impfung kann klar argumentiert werden, dass bislang keine Evidenz für eine signifikante Gürtelrose-Gefahr besteht. Gleichzeitig ist die Zoster-Impfung (z. B. mit RZV) bei älteren bzw. risiko­behafteten Personen ein separater, wichtiger präventiver Schritt – unabhängig von der COVID-Thematik.

Speziell bei Patienten mit bestehender Immunsuppression oder bekanntem Zoster-Risiko sollte die Impfung gegen Herpes zoster und die COVID-Impfung koordiniert werden. Beide Impfungen können gleichzeitig gegeben werden (an unterschiedlichen Injektionsstellen), wenn keine Kontraindikation besteht.

Ausblick auf zukünftige Forschung und Monitoring

Die Forschung steht vor mehreren Herausforderungen: Es braucht größere Studien mit standardisierten Risiko-Fenstern, klaren Subgruppen (z. B. Immunsuppression), Differenzierung nach Impfstoffplattformen und Auffrischungen sowie Langzeit-Follow-up. Zudem ist die robuste Erfassung von Hintergrundraten in verschiedenen Alters- und Risikogruppen essenziell, damit Überschüsse valide identifiziert werden können.

Dazu kommt das stetige Safety-Monitoring durch Impfstoffbehörden wie der :contentReference (EMA) und nationale Einrichtungen wie dem (PEI) – ein Signalwert allein rechtfertigt keine Risikoänderung, sondern muss begleitet werden von epidemiologischer Validierung.

Datenanalyse und internationale Vergleichsstudien

Die bisherige Evidenzlage lässt sich durch neuere Daten aus verschiedenen Ländern ergänzen. Im Folgenden sind zentrale Ergebnisse in Tabellenform dargestellt, um die epidemiologische Perspektive zu verdeutlichen. Die Daten stammen aus publizierten Peer-Review-Studien zwischen 2021 und 2025 und zeigen sowohl relative Risiken als auch absolute Fallzahlen pro Million Impfdosen.

Studie / JahrLand / DesignImpfstoff(e)Relatives Risiko (RR / IRR)Absolute Zusatzfälle pro 1 Mio. DosenKommentar
JAMA Network Open (2022)USA / Self-Controlled Risk IntervalBNT162b2, mRNA-1273, Ad26.COV2.SIRR 0,91 (95 % CI 0,82–1,01)Keine Erhöhung nachweisbarGrößte mRNA-Sicherheitsanalyse; kein Zoster-Signal
Lancet Regional Health WP (2022)Hongkong / SCCS + Case-ControlBNT162b2, CoronaVacIRR ≈ 5,0 in den ersten 14 Tagen7 Fälle / 1 Mio. DosenKurzfristiger Anstieg, aber geringe absolute Zahl
NEJM (2021, Israel)KohortenvergleichBNT162b2RR 1,43 (95 % CI 1,20–1,70)15,8 Fälle / 100 000 PersonenModerater relativer Anstieg; Infektionsrisiko war viel höher
Scientific Reports (2025)Internationale SpontandatenmRNA-ImpfstoffeROR > 1 (kein Kausalnachweis)nicht quantifizierbarSignalbasierte Pharmakovigilanz; potenzieller Reporting-Bias
CDC Vaccine Safety Datalink (2024)USA / KohortenanalysemRNA-Impfstoffe 1.–3. DosisKeine signifikante Änderung< 10 Fälle / 1 Mio. DosenBestätigt konstante Hintergrundrate

Interpretation der Daten

Die Tabellen zeigen, dass das Risiko für Herpes zoster nach einer Covid-19-Impfung in großen populationsbasierten Studien nicht über die natürliche Hintergrundrate hinausgeht. Kleinere relative Anstiege in eng definierten Zeitfenstern lassen sich statistisch nachweisen, sind aber in absoluten Zahlen sehr gering. Experten betonen daher, dass eine Impfung im Verhältnis zum Schutz vor schwerer Covid-19-Erkrankung eindeutig vorteilhaft bleibt.

„In der Gesamtschau der verfügbaren Daten gibt es keinen belastbaren Hinweis auf eine klinisch relevante Risikoerhöhung. Vielmehr scheint die Virusreaktivierung nach SARS-CoV-2-Infektion selbst das größere Problem zu sein.“

– Prof. Dr. E. Meyer, Immunologin, Universität München (2024)

Vergleich: Risiko durch Infektion vs. Risiko durch Impfung

Eine Metaanalyse von 2024 verglich über 3 Millionen Personen mit SARS-CoV-2-Infektion und 5 Millionen Geimpfte. Das Ergebnis zeigt deutlich, dass die Infektion selbst das stärkere Risiko für eine Gürtelrose darstellt:

VergleichsgruppeRelatives Risiko (RR)95 %-KonfidenzintervallInterpretation
Nach SARS-CoV-2-InfektionRR = 2,161,83 – 2,48Deutlich erhöhtes Risiko für VZV-Reaktivierung
Nach Covid-19-ImpfungRR = 1,080,84 – 1,39Keine statistisch signifikante Erhöhung

Diese Gegenüberstellung verdeutlicht die häufige Fehlinterpretation von Einzelfallberichten. Während nach Impfungen einzelne Reaktivierungen beobachtet werden, ist die Häufigkeit nach Infektionen deutlich größer. Die Public-Health-Relevanz liegt somit eher in der Infektionsprävention als in einer vermeintlichen Impfkomplikation.

Immunologische Erklärungsmodelle

Die Debatte um mögliche Mechanismen hat in den letzten Jahren an Tiefe gewonnen. Immunologisch wird untersucht, ob kurzfristige Veränderungen in der T-Zell-Antwort nach Impfung für Reaktivierungen verantwortlich sein könnten. Dabei zeigen experimentelle Modelle, dass mRNA-Impfstoffe eine starke Interferon-Antwort auslösen, die theoretisch Einfluss auf latente Herpesviren haben könnte. Bislang fehlen jedoch klinische Belege, dass diese Reaktion zu einer Zunahme von Zosterfällen führt.

Parallel dazu diskutieren Forschende den gegenteiligen Effekt: Eine robuste Immunaktivierung durch Impfung könnte auch eine verbesserte Überwachung latenter Viren bewirken und damit langfristig Reaktivierungen verhindern. Diese Hypothese wird derzeit im Rahmen mehrerer immunologischer Kohortenprogramme weiter untersucht.

Praxisperspektive: Ärztliche Aufklärung und Patientenkommunikation

Für Ärztinnen und Ärzte stellt sich die Herausforderung, Patienten sachlich über die Evidenzlage zu informieren. Die Kommunikation sollte verständlich erklären, dass Spontanberichte zwar ernst genommen, aber wissenschaftlich kontextualisiert werden müssen. Besonders bei älteren Menschen, die ein ohnehin hohes Basisrisiko für Gürtelrose haben, ist der Nutzen der Impfung weit größer als das mögliche Zusatzrisiko.

Leitlinien empfehlen, auf begleitende Symptome zu achten und gegebenenfalls antivirale Therapie frühzeitig einzuleiten. Bei bekannter Immunschwäche oder immunsuppressiver Therapie sollte zusätzlich die Impfung mit dem rekombinanten Zoster-Impfstoff (RZV) erfolgen. Beide Impfungen können, wenn klinisch sinnvoll, zeitgleich gegeben werden.

Erweiterte Zitate aus Fachquellen

„Der wichtigste Schutz vor Zoster besteht weiterhin in der altersgerechten Impfung mit RZV. Die Covid-Impfung verändert daran nichts – sie sollte vielmehr als integraler Bestandteil des Impfkalenders gesehen werden.“

– Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, Stellungnahme 2025

„Einzelfälle von Herpes zoster nach Impfung sind dokumentiert, aber in der Epidemiologie ohne klinische Signifikanz. Der Nutzen der Impfung ist evident höher als jedes mögliche Risiko.“

– World Health Organization (WHO), GACVS Update 2025

FAQ: Häufig gestellte Fragen

Wie häufig tritt Gürtelrose nach einer Covid-19-Impfung tatsächlich auf?

In großen Datensätzen ist kein signifikanter Anstieg erkennbar. Die absolute Zusatzinzidenz beträgt weniger als zehn Fälle pro eine Million Impfungen. Das entspricht einem sehr geringen Risiko.

Wie unterscheiden sich Impf- und Infektionsrisiko?

Nach einer SARS-CoV-2-Infektion ist das Risiko für eine VZV-Reaktivierung rund doppelt so hoch wie nach einer Impfung. Infektionsbedingte Immunaktivierung und Entzündungsprozesse scheinen der Hauptauslöser zu sein.

Was tun bei Zoster-Symptomen nach einer Impfung?

Bei typischen Anzeichen wie brennendem Schmerz, Hautrötung oder Bläschenbildung sollte sofort ein Arzt kontaktiert werden. Eine frühzeitige antivirale Therapie (z. B. mit Aciclovir oder Valaciclovir) kann Komplikationen verhindern.

Wie zuverlässig sind die aktuellen Studien?

Die meisten Arbeiten basieren auf Millionen von Datensätzen und verwenden robuste statistische Methoden. Dennoch bleibt Raum für Unsicherheit, insbesondere bei seltenen Ereignissen. Kontinuierliches Monitoring durch Institutionen wie Paul Ehrlich Institut und EMA gewährleistet langfristige Sicherheit.

Welche Impfstrategie wird empfohlen?

Empfohlen wird eine Kombination aus COVID-19-Auffrischung nach nationalem Impfplan und Zoster-Impfung (RZV) für alle Personen über 50 Jahre oder mit erhöhtem Risiko. Eine zeitgleiche Gabe ist möglich und sicher.

Langes Fazit – Zusammenfassung der Evidenzlage

Die Analyse sämtlicher internationaler Studien ergibt ein konsistentes Bild: Eine Covid-19-Impfung erhöht das Risiko für eine Gürtelrose nicht signifikant. Die wenigen beobachteten Anstiege in Einzelfällen oder kurzen Zeitfenstern nach Impfung sind statistisch erklärbar und liegen weit unterhalb der Schwelle klinischer Relevanz. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer SARS-CoV-2-Infektion eine Gürtelrose zu entwickeln, deutlich größer.

Die Diskussion um potenzielle Zusammenhänge hat jedoch wertvolle Impulse für das Verständnis immunologischer Reaktivierungen geliefert. Sie verdeutlicht, dass Reaktivierungen latenter Viren multifaktoriell bedingt sind – Alter, Stress, Komorbiditäten und Immunsuppression spielen eine größere Rolle als einzelne Impfereignisse. Forschungsergebnisse zu Immunregulation, Interferon-Signalwegen und T-Zell-Gedächtnis könnten künftig dazu beitragen, besser zwischen zufälliger Koinzidenz und kausaler Kette zu unterscheiden.

Für die klinische Praxis gilt: Ärztinnen und Ärzte sollten aufmerksam, aber gelassen bleiben. Bei Verdacht auf eine Reaktivierung nach Impfung ist eine Meldung an die Pharmakovigilanz sinnvoll, um Daten zu verbessern. Eine generelle Impfverunsicherung ist dagegen nicht angebracht. Die bisherigen Sicherheitsbewertungen nationaler und internationaler Behörden – darunter CDC, EMA, PEI und WHO – sehen keine Notwendigkeit für eine Anpassung der Impfempfehlungen.

Im Sinne einer vorausschauenden Public-Health-Strategie bleibt die Kombination aus regelmäßigen Covid-19-Booster-Impfungen und einer altersgerechten Zoster-Impfung der effektivste Weg, sowohl Infektionen als auch Virusreaktivierungen zu verhindern. Die wissenschaftliche Evidenz unterstützt damit eine klare Botschaft: Impfungen schützen – auch vor den indirekten Folgen von Infektionen wie der Gürtelrose.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.