
Stuttgart-Untertürkheim – Ein Fund aus den dunklen Tagen des Zweiten Weltkriegs hat am 12. August 2025 den Alltag in einem ganzen Stadtteil lahmgelegt. Bei Bauarbeiten in der Augsburger Straße entdeckten Arbeiter eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe amerikanischer Bauart. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst entschärfte den Blindgänger noch am selben Abend – nach einer groß angelegten Evakuierung von rund 1.000 Menschen.
Der Fund und die sofortige Alarmierung
Gegen Mittag stießen Bauarbeiter im Bereich einer Baustelle an der Augsburger Straße in Untertürkheim auf den metallischen Koloss. Schnell war klar: Es handelt sich um einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg, Typ amerikanische Sprengbombe, Gesamtgewicht rund 250 Kilogramm. Besonders heikel: Der Zünder wies sichtbare Beschädigungen auf. In solchen Fällen wird aus Sicherheitsgründen keine zeitliche Verzögerung in Kauf genommen – die Entschärfung erfolgt direkt am Fundort.
Die Stadt Stuttgart reagierte umgehend. Bereits um 15:30 Uhr begannen Einsatzkräfte mit der Einrichtung eines großräumigen Sperrkreises. Dieser umfasste zunächst einen Radius von etwa 400 Metern und wurde später nach genauer Lagebeurteilung angepasst. Feuerwehr, Polizei und Ordnungsamt arbeiteten eng mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst zusammen, um das Areal zu sichern.
Evakuierung von 1.000 Menschen
Insgesamt mussten etwa 1.000 Menschen ihre Wohnungen und Arbeitsplätze verlassen. Der Sperrbereich umfasste ein Wohngebiet, Teile eines Gewerbegebiets sowie wichtige Bahntrassen. Die Evakuierungsmaßnahmen verliefen nach Plan: Straßenzüge zwischen der Mäulenstraße, der Bundesstraße B14 und dem Eszet-Steg wurden gezielt angesprochen. Die Behörden richteten Shuttles und eine Betreuungsstelle in der Sporthalle der Linden-Realschule ein. Dort fanden über 40 Personen vorübergehend Unterkunft und Versorgung.
Parallel schaltete die Stadt ein Bürgertelefon, das im Verlauf des Einsatzes über 100 Anrufe erreichte. Ein sogenannter Notfall-Leuchtturm am Feuerwehrgerätehaus diente als zentrale Informationsstelle für Betroffene, die nicht telefonisch erreichbar waren.
Wie viele Menschen wurden bei der Entschärfung evakuiert?
Die offizielle Zahl der Evakuierten lag bei rund 1.000 Personen. Die Evakuierung begann um 15:30 Uhr und war bis 19:30 Uhr abgeschlossen. Erst danach konnte mit der diffizilen Entschärfungsarbeit begonnen werden.
Betroffene Infrastruktur
Die Auswirkungen des Einsatzes waren weitreichend. Im Sperrbereich lagen nicht nur Wohnhäuser und kleinere Gewerbebetriebe, sondern auch zentrale Verkehrsinfrastruktur. Die Bahnstrecken zwischen Stuttgart und Ulm sowie Stuttgart und München mussten zeitweise gesperrt werden. Betroffen war auch die S-Bahn-Linie S1 zwischen Bad Cannstatt und Obertürkheim. Stadtbahn- und Regionalzüge wurden umgeleitet oder fielen aus. Zusätzlich kam es zur temporären Sperrung des Kappelbergtunnels, um den Einsatzkräften reibungslose Zufahrtswege zu ermöglichen.
Welche Infrastruktur war von der Sperrzone betroffen?
Die Sperrzone erfasste Wohngebiete, Bahngleise und Teile des Gewerbegebiets. Selbst große Unternehmen wie ein Mercedes-Standort lagen innerhalb der Absperrung. Durch die Nähe zur Bahntrasse waren sowohl Güter- als auch Personenzüge von den Einschränkungen betroffen.
Der Ablauf der Entschärfung
Nachdem der letzte Anwohner den Sperrbereich verlassen hatte, machten sich die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an die Arbeit. Präzise Handgriffe und jahrelange Erfahrung sind bei einer beschädigten Zündvorrichtung entscheidend. Um 19:47 Uhr kam schließlich die erlösende Meldung: Die Bombe war entschärft. Die NINA-Warn-App und die Social-Media-Kanäle der Feuerwehr Stuttgart informierten zeitgleich über die Entwarnung.
Die Sprengvorrichtung wurde fachgerecht entfernt, die Bombe für den Abtransport vorbereitet und anschließend auf ein gesichertes Gelände gebracht. Dort erfolgt in der Regel eine kontrollierte Sprengung oder Demontage unter Laborbedingungen.
Wann genau wurde die Bombe entschärft?
Die Entschärfung wurde um exakt 19:47 Uhr abgeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Einsatzkräfte mit den Rückbauarbeiten der Absperrungen beginnen.
Auswirkungen auf den Bahnverkehr
Der Bahnverkehr in und um Stuttgart war für mehrere Stunden stark eingeschränkt. Der Fernverkehr zwischen Stuttgart–München und Stuttgart–Ulm musste umgeleitet werden. Die S-Bahn Stuttgart informierte ihre Fahrgäste laufend über Ausfälle, insbesondere der Linie S1. Auch der städtische Nahverkehr (SSB) meldete zeitweise Ausfälle. Erst nach 20:21 Uhr lief der Betrieb wieder normal an.
Wie stark war der Bahnverkehr betroffen und wann lief er wieder an?
Während der Entschärfung kam der Bahnverkehr in Teilen zum Erliegen. Die Wiederaufnahme erfolgte schrittweise nach der offiziellen Entwarnung um 20:21 Uhr.
Warum kam es zu einer Sofort-Entschärfung?
Die beschädigte Zündvorrichtung machte eine sofortige Entschärfung notwendig. In Fällen, in denen der Zünder unversehrt und stabil ist, kann eine Bombe unter Umständen abtransportiert und an einem anderen Ort unschädlich gemacht werden. Doch hier bestand ein erhöhtes Risiko, sodass die Experten keine Zeit verloren. Der Einsatz verlief ohne Zwischenfälle, was nicht zuletzt der guten Vorbereitung und Erfahrung der Einsatzkräfte zu verdanken ist.
Wie sicher ist die Entschärfung einer 250-Kilogramm-Bombe?
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst arbeitet nach strengen Sicherheitsprotokollen. Trotz der heiklen Lage bei beschädigten Zündern gelten die Entschärfungstechniken als erprobt und sicher, solange die Sperrzonen eingehalten werden und keine unbefugten Personen in der Nähe sind.
Hintergrund: Bombenfunde in Stuttgart
Stuttgart wurde im Zweiten Weltkrieg insgesamt 53-mal bombardiert. Besonders die Industriegebiete in Untertürkheim und Gaisburg waren Ziel alliierter Luftangriffe. Dass Jahrzehnte später noch immer Blindgänger gefunden werden, ist daher keine Seltenheit. In Baden-Württemberg werden jährlich mehrere Blindgänger entdeckt und entschärft – allein im Jahr 2024 verzeichnete der Kampfmittelbeseitigungsdienst 13 Einsätze dieser Art. Bundesweit liegt die Zahl wesentlich höher, in manchen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen im dreistelligen Bereich pro Jahr.
Notunterkünfte und Betreuung
Die Betreuungsstelle in der Sporthalle der Linden-Realschule war während des Einsatzes ein wichtiger Anlaufpunkt. Dort konnten sich evakuierte Anwohner aufhalten, erhielten Getränke und warme Mahlzeiten sowie psychologische Betreuung. Für mobilitätseingeschränkte Personen standen Krankentransportwagen bereit.
Wo wurde eine Notunterkunft eingerichtet?
Die zentrale Notunterkunft befand sich in der Sporthalle der Linden-Realschule in Untertürkheim. Mehr als 40 Personen nutzten dieses Angebot, bis sie nach der Entschärfung in ihre Wohnungen zurückkehren konnten.
Lehren aus dem Einsatz
Der koordinierte Ablauf in Untertürkheim zeigt, wie eingespielt die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und Hilfsorganisationen ist. Von der zügigen Evakuierung über die klare Informationspolitik bis hin zur technischen Umsetzung der Entschärfung lief der Einsatz reibungslos. Auch die Kommunikation über moderne Kanäle wie Social Media oder Warn-Apps trug dazu bei, dass Betroffene rechtzeitig informiert und beruhigt wurden.
Frage: Wie viele Bomben werden in Deutschland jährlich entschärft?
Die Zahlen schwanken, doch bundesweit handelt es sich um mehrere tausend Funde pro Jahr. In stark betroffenen Regionen wie NRW können es weit über 2.000 sein, in Baden-Württemberg einige Dutzend.
Ein langer Tag mit glücklichem Ende
Als die letzten Einsatzfahrzeuge gegen Abend den Stadtteil verließen, kehrte in Untertürkheim wieder Ruhe ein. Die Bewohner konnten in ihre Wohnungen zurück, der Bahnverkehr lief wieder, und auch auf der Augsburger Straße herrschte bald wieder Normalbetrieb. Der Fund der Bombe bleibt ein mahnendes Zeichen für die langfristigen Folgen von Krieg – und für die Notwendigkeit, auf Bau- und Grabungsarbeiten in belasteten Gebieten vorbereitet zu sein.
Der Einsatz am 12. August 2025 wird in Untertürkheim noch lange in Erinnerung bleiben: als Tag, an dem eine große Gefahr abgewendet wurde – und als Beleg dafür, wie professionell und besonnen Einsatzkräfte in einer potenziell lebensgefährlichen Lage handeln können.