
Düsseldorf – Die geplante Übernahme des Elektronikhändlers Ceconomy durch den chinesischen Online-Giganten JD.com sorgt nicht nur in der Wirtschaftspresse für Schlagzeilen. Während Unternehmensführung und Großaktionäre den Milliarden-Deal als strategische Chance sehen, wächst der Widerstand von Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften.
Ein historischer Deal im europäischen Handel
Die Nachricht schlug ein wie eine wirtschaftliche Bombe: JD.com, einer der größten E-Commerce-Konzerne Chinas, will mit einem Angebot von 4,60 Euro je Aktie die Kontrolle über Ceconomy übernehmen – das Unternehmen hinter MediaMarkt und Saturn. Die geplante Transaktion, die Ceconomy mit rund 2,2 Milliarden Euro bewertet, zählt zu den größten chinesischen Unternehmensübernahmen in Europa der letzten Jahre.
Ceconomy betreibt mit seinen beiden Marken über 1.000 Filialen in Europa, beschäftigt rund 50.000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023/2024 einen Umsatz von über 22 Milliarden Euro. Etwa ein Viertel davon stammt bereits aus dem Onlinegeschäft – ein strategisch interessanter Hebel für JD.com, das auf den europäischen Markt drängt.
Warum bietet JD.com 4,60 Euro pro Ceconomy-Aktie?
Diese Frage beschäftigt nicht nur Analysten, sondern auch viele Privatanleger. Der angebotene Preis liegt etwa 23 Prozent über dem Börsenkurs vor den ersten Übernahmegerüchten und rund 43 Prozent über dem durchschnittlichen Kassakurs der letzten drei Monate. JD.com will offenbar nicht nur den Fuß, sondern beide Beine in den europäischen Einzelhandelsmarkt setzen – und sieht in Ceconomy eine solide, bekannte Plattform mit bewährten Vertriebskanälen und Markenbekanntheit.
Strategisches Kalkül hinter dem Deal
Für JD.com geht es nicht nur um Filialen oder Marktanteile. Vielmehr will der Konzern seine technologische Stärke – insbesondere in Logistik, KI-gestützter Kundenanalyse und Omnichannel-Vertrieb – mit der regionalen Infrastruktur von Ceconomy kombinieren. Die Integration soll nach Aussagen beider Unternehmen „behutsam und mit langfristiger Perspektive“ erfolgen. JD.com verspricht, Ceconomy als unabhängige europäische Gesellschaft weiterzuführen – mit separaten IT-Systemen, Erhalt der Tarifverträge und ohne Restrukturierungsmaßnahmen für mindestens drei Jahre.
Wer unterstützt das Übernahmeangebot?
Ein entscheidender Faktor sind die Großaktionäre. Die Familie Kellerhals, über ihre Convergenta Holding einer der größten Anteilseigner (rund 29 Prozent), hat dem Angebot bereits zugestimmt – ebenso wie andere strategische Investoren wie Haniel, Beisheim und Freenet. Insgesamt liegen JD.com verbindliche Annahmeerklärungen für etwa 32 Prozent der Ceconomy-Aktien vor. Gemeinsam mit bereits gehaltenen Anteilen würde JD.com auf etwa 57 Prozent Stimmrechte kommen – die faktische Kontrolle.
Spannend dabei: Die Kellerhals-Familie will nach Verkauf eines Teils ihrer Anteile weiterhin rund 25 Prozent halten und als strategischer Minderheitsaktionär im Unternehmen bleiben.
Aktionärsstruktur im Überblick
Aktionär | Geplanter Anteil nach Deal |
---|---|
JD.com (direkt & indirekt) | ~57 % |
Convergenta (Kellerhals) | ~25 % |
Haniel, Beisheim, Freenet | 0 % (nach Verkauf) |
Freefloat | ~18 % |
Wie reagierten Aktienkurse auf die Ankündigung?
Seit den ersten Übernahmegerüchten konnte die Ceconomy-Aktie über 60 Prozent zulegen. Nach der offiziellen Ankündigung stieg sie nochmals um rund 7 Prozent. JD.com selbst reagierte verhaltener – die Aktie des chinesischen Konzerns verlor leicht um 2,4 Prozent. Analysten führen dies auf kurzfristige Unsicherheiten und Investitionsrisiken im Ausland zurück.
Was bedeutet die Übernahme für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Hier entzündet sich der Widerstand. Die Gewerkschaft Ver.di kritisiert massiv, dass Betriebsräte und Belegschaften erst „in letzter Minute“ über das Vorhaben informiert wurden. Corinna Groß, Bundesfachgruppenleiterin Einzelhandel bei Ver.di, warnte:
„Sowohl die Einbeziehung des Aufsichtsrats als auch die Unterrichtung der Beschäftigten sind in letzter Minute erfolgt.“
Ver.di fordert umfassende Garantien für den Erhalt von Arbeitsplätzen, Tarifverträgen und Mitbestimmungsrechten. Zwar hat JD.com erklärt, auf Kündigungen und tiefgreifende Veränderungen für drei Jahre zu verzichten, doch die Erfahrung mit anderen Übernahmen macht Arbeitnehmervertreter skeptisch.
Welche Aufgaben behält Ceconomy nach der Übernahme?
JD.com will Ceconomy nicht zerschlagen oder eingliedern, sondern als eigenständigen Partner weiterentwickeln. Geplant ist eine Partnerschaft, in der JD.com strategische Technologieplattformen zur Verfügung stellt – etwa Logistiknetzwerke oder datengestützte Vertriebsanalysen. Ceconomy soll weiterhin aus Düsseldorf heraus geführt werden, inklusive bestehender Governance-Strukturen.
Welche Rollen spielt die EU-Kommission bei der Übernahme?
Da es sich um einen grenzüberschreitenden Deal handelt, fällt die Entscheidung nicht an das deutsche Kartellamt, sondern an die EU-Kommission in Brüssel. Diese prüft aktuell die Auswirkungen auf Wettbewerb, Markttransparenz und mögliche außenwirtschaftliche Interessen. Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate dauern, wobei keine Mindestannahmeschwelle für das Zustandekommen des Deals besteht.
Wann ist mit dem Abschluss der JD.com-Übernahme zu rechnen?
Die Unternehmen rechnen mit dem formalen Vollzug im ersten Halbjahr 2026 – vorausgesetzt, alle zuständigen Behörden geben grünes Licht. Neben der EU-Kommission könnten auch außenwirtschaftliche Prüfstellen (z. B. BMF oder BMWK) beteiligt werden.
Was sagen Analysten und Investoren?
In Fachforen wie GetQuin oder Reddit äußern sich Anleger überwiegend positiv. Besonders der strategische Umbau Ceconomys seit dem Amtsantritt von CFO Kai-Ulrich Deissner findet Beachtung. Ein Nutzer kommentiert:
„Deissner hat mit klarer Kante den Umbau zur Plattformstrategie eingeleitet – JD.com passt da hervorragend rein.“
Andere Nutzer äußern sich zurückhaltend: Sie befürchten langfristig schwindende Entscheidungsfreiheit und eine allmähliche „Verlagerung europäischer Handelsmacht nach Asien“.
Bleibt Ceconomy ein europäisches Unternehmen?
Formell ja – Ceconomy bleibt eine europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Düsseldorf. JD.com verpflichtet sich zudem, keine Gewinnabführungsverträge zu schließen und auch die IT-Systeme getrennt zu halten. Auch tarifliche Strukturen und betriebliche Mitbestimmung sollen erhalten bleiben.
Doch faktisch wird JD.com bei einer Mehrheit von über 50 Prozent den Kurs bestimmen können – sei es in Sachen Produktstrategie, Investitionsverhalten oder digitalen Plattformlösungen.
Proteststimmung oder Stille?
Erstaunlich ist, dass in sozialen Medien kaum Widerstand sichtbar wird. Trotz der Empörung seitens Ver.di blieb Twitter (bzw. X) ruhig, keine großen Hashtag-Kampagnen oder Mobilisierungen wurden bislang angestoßen. Auch in den einschlägigen Konsumentenforen herrscht eher Zurückhaltung. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn sich erste Folgen für Arbeitsplätze oder Standorte abzeichnen.
Wie könnte sich der Markt durch den Deal verändern?
Die Übernahme ist Teil eines größeren Trends: Die zunehmende Internationalisierung des Einzelhandels. Mit JD.com betritt ein globaler Player die europäische Bühne – mit der Ambition, den stationären Handel neu zu erfinden. Die Kombination aus starker Online-Kompetenz und etabliertem Filialnetz könnte Ceconomy tatsächlich zukunftsfähiger machen.
Aber auch Risiken bleiben: Die technologische Abhängigkeit, geopolitische Spannungen oder kulturelle Differenzen könnten das Projekt erschweren. Für Ceconomy ist der Deal ein gewagter, aber möglicherweise notwendiger Schritt, um im digitalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden.
Schlussgedanken
Der angekündigte Einstieg von JD.com bei Ceconomy markiert eine potenzielle Zeitenwende im europäischen Elektronikhandel. Während große Teile der Wirtschaft und Finanzwelt das strategische Potenzial des Deals sehen, bleibt die Frage offen, wie sich die Übernahme langfristig auf Arbeitsplätze, Mitbestimmung und Standortpolitik auswirken wird.
Entscheidend wird sein, ob JD.com seine Versprechen hält – und ob Ceconomy nicht nur auf dem Papier europäisch bleibt, sondern auch in seiner unternehmerischen Haltung. Für die Beschäftigten, Verbraucher und Investoren beginnt damit eine neue Phase der Unsicherheit – aber auch der Hoffnung auf eine digital gestärkte Zukunft im Handel.