Cashless-Regel Bargeldverbot auf dem Weihnachtsmarkt: Strengen Auflagen sorg für Kritik

In Ausland
November 17, 2025

Zürich, 17. November 2025 – Lichterglanz über dem Hauptbahnhof, dichtes Gedränge zwischen Glühweinstand und Holzspielzeug, doch ein Thema überstrahlt in diesem Jahr alles: Auf dem Weihnachtsmarkt „Polarzauber“ erhitzt ein umfassendes Bargeldverbot die Gemüter. Während Besucher zwischen Duftschwaden von Zimt und gebrannten Mandeln schlendern, diskutieren Händler und Gäste gleichermaßen über eine Maßnahme, die für viele kaum vorstellbar klingt – ein traditioneller Markt ohne Münzen und Scheine.

Ein Weihnachtsmarkt im Umbruch

Der „Polarzauber“ in Zürich gilt als einer der ersten größeren Weihnachtsmärkte, die vollständig auf digitale Zahlungen setzen wollten. Kartenzahlung, Twint, Apple Pay oder Google Pay – all das sollte problemlos funktionieren, Bargeld jedoch kategorisch ausgeschlossen bleiben. Händler, die dennoch Münzen oder Scheine annähmen, sollten laut Vertrag mit einer Strafe von 500 Schweizer Franken belegt werden. Bei wiederholten Verstößen war sogar der Verlust des Standplatzes im Gespräch.

Diese ungewöhnlich strikte Regelung begründete der Veranstalter vor allem mit höheren Sicherheitsstandards. Weniger Bargeld vor Ort sollte das Diebstahlrisiko minimieren und Abläufe beschleunigen. Ein eigenes aufladbares Kartensystem war zeitweise ebenfalls im Gespräch, wurde jedoch wieder verworfen. Die Maßnahme traf dennoch einen Nerv: Besucher, Standbetreiber und Beobachter reagierten schnell und teils heftig.

Tradition trifft Realität: Warum Bargeld für viele mehr ist als ein Zahlungsmittel

Während die Veranstalter auf Effizienz und Sicherheit verweisen, zeigt die breite Reaktion, dass Bargeld auf Weihnachtsmärkten eine andere Rolle spielt. Viele Besucher bringen bewusst einen festen Betrag mit – eine Praxis, die vor allem Familien, ältere Menschen und Touristen betrifft. Einige Betreiber berichteten, dass ein erheblicher Teil der Kundschaft üblicherweise bar bezahlt, teils „etwa die Hälfte“. Andere beklagten, dass Kinder ohne Bargeld weniger selbstständig bezahlen können.

Diese Stimmen finden auch in sozialen Medien Widerhall. In Foren wie dem Kirmesforum äußerten Betreiber deutliche Kritik: „Ich habe … sehr viel Ablehnung erfahre wenn die Kunden mit der Tatsache konfrontiert werden das sie nur mit Karte zahlen können. … Es möchte eben nicht jeder.“ Andere Nutzer betonten die Einschränkung der Wahlfreiheit und beschrieben Kartenzwang als ebenso problematisch wie ein reines Bargeldsystem.

Die rechtliche Lage: Was Veranstalter dürfen – und was nicht

Eine der am häufigsten diskutierten Fragen lautet: „Darf der Veranstalter eines Weihnachtsmarkts Bargeld komplett verbieten?“ Die kurze Antwort lautet: Ja, denn es handelt sich um eine private Veranstaltung. Entscheidend ist, dass Besucher und Händler vorab transparent informiert werden. Rechtlich ist ein Bargeldverbot möglich, solange alternative Zahlungsmethoden bereitstehen.

Dennoch entfacht die Maßnahme eine Grundsatzdiskussion, die weit über Zürich hinausreicht. Verschiedene Studien zeigen, dass Bargeld weiterhin eine große Rolle spielt. Laut einer schweizweiten Zahlungsstudie akzeptieren über 90 Prozent der stationären Betriebe Bargeld, trotz wachsender Bedeutung digitaler Systeme. Gleichzeitig planen manche Unternehmen bereits Einschränkungen – etwa aus Kostengründen oder zur Risikominimierung. Diese Entwicklungen deuten auf gesellschaftliche Spannfelder hin, die in Zürich nun in geballter Form sichtbar wurden.

Händler zwischen Unsicherheit und Anpassungsdruck

Für die Betreiber des Marktes stellt das Bargeldverbot eine zusätzliche Herausforderung dar. Viele fürchten nicht nur Umsatzeinbußen, sondern auch die Abhängigkeit von Technik und Netzabdeckung. Ein Ausfall von Kartenlesegeräten könnte den Verkauf zeitweise lahmlegen, während Bargeld stets funktioniert. Auch Trinkgeld könnte mit rein digitalen Zahlungen seltener werden – ein Aspekt, der in Foren wie gutekueche.at kritisch erwähnt wurde.

Einige Traditionsbetriebe, die seit Jahrzehnten auf dem Markt aktiv waren, erhielten in diesem Jahr keine Zulassung oder wichen auf umliegende Einkaufsbereiche aus, wo Bargeld akzeptiert bleibt. Diese Dynamik zeigt nicht nur wirtschaftliche Sorgen, sondern auch die emotionale Bindung an gewachsene Strukturen.

Digitalisierung und soziale Folgen: Forschung liefert zusätzliche Perspektiven

Mehrere Studien und Analysen betonen zudem die sozialen Folgen eines rein bargeldlosen Systems. Forschungsarbeiten zeigen, dass Gewohnheiten, Einkommen und technische Ausstattung darüber entscheiden, ob Menschen digitale Zahlungsmethoden nutzen können. Ein vollständiges Bargeldverbot kann damit bestimmte Gruppen unverhältnismäßig belasten – eine Feststellung, die auch im LSE-Blog zur sozialen Ungleichheit digitaler Zahlungssysteme thematisiert wird.

Ein weiterer Blick in die Wissenschaft zeigt: Bargeldlos bedeutet nicht automatisch effizienter oder kundenfreundlicher. Die Entscheidung hängt stark vom Kontext und den Erwartungen der Besucher ab – und genau hier entfaltet der Weihnachtsmarkt seine eigene Dynamik.

Breite Reaktionen – und eine Kehrtwende

Die Proteste von Besuchern, mediale Berichte und die Sorgen der Händler führten schließlich zu einer entscheidenden Änderung: Der Veranstalter kündigte an, Bargeld wieder zuzulassen. Die Regelung sollte abgeschwächt werden, um dem Druck entgegenzukommen und den Markt für alle Besuchergruppen offen zu halten.

Ein ungeklärtes Spannungsfeld mit Signalwirkung

Der Fall des Zürcher Weihnachtsmarkts zeigt, wie sensibel das Thema Bargeld in der Öffentlichkeit weiterhin ist. Die Diskussionen berühren nicht nur Fragen der Sicherheit und Effizienz, sondern auch Aspekte sozialer Teilhabe, Tradition und individueller Freiheit. Ob Zürich ein Vorbild für kommende Märkte ist oder eine Ausnahme bleibt, könnte maßgeblich davon abhängen, wie Besucher und Händler zukünftige Entwicklungen aufnehmen – und welche Rolle Bargeld in einer zunehmend digitalen Welt noch spielt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.