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Olympia-Pläne mit Sprengkraft: Wird das Volksparkstadion bald Geschichte sein?

In Aktuelles
Juni 07, 2025
Olympia Stadion

7. Juni 2025, 17:30 Uhr

Hamburgs neuer Vorstoß zur Austragung Olympischer Spiele bringt die Diskussion über die sportliche Infrastruktur der Hansestadt erneut in den Fokus. Im Zentrum der Debatte steht dabei das Volksparkstadion – jahrzehntelang Heimat des Hamburger SV und eines der traditionsreichsten Stadien Deutschlands. Doch nun mehren sich Anzeichen dafür, dass der Kultbau bald einem modernen Neubau weichen könnte. Was steckt hinter den Plänen? Ist das bestehende Stadion tatsächlich abrissreif – oder geht es um mehr als nur sportliche Zukunftsvisionen?

Stadionoffensive im Zeichen von Olympia

Hamburg hat offiziell sein Interesse bekundet, sich um die Austragung der Olympischen Sommerspiele in den Jahren 2036, 2040 oder 2044 zu bewerben. Das neue Konzept setzt auf kurze Wege, Nachhaltigkeit und Integration in die Stadtstruktur. Einer der zentralen Punkte: ein neues, multifunktionales Stadion mit zunächst 60.000 Sitzplätzen, ausbaubar auf 70.000. Es soll im Stadtteil Bahrenfeld errichtet werden – exakt dort, wo sich heute das Volksparkstadion befindet.

Während der Spiele soll die neue Arena als Leichtathletik-Stadion dienen. Nach den Spielen ist ein Umbau zu einem reinen Fußballstadion geplant – ganz im Sinne der HSV-Fans, die ein Stadion ohne Laufbahn fordern. Dabei betont Hamburgs Innensenator Andy Grote: „Das Stadion soll auch gebaut werden, wenn Olympia nicht nach Hamburg kommt.“ Es geht also um weit mehr als nur ein sportliches Großevent.

Das Volksparkstadion: Alt, ehrwürdig – und bald überholt?

Das derzeitige Volksparkstadion wurde zwischen 1998 und 2000 umfassend modernisiert. Es bietet Platz für rund 57.000 Zuschauer, war Austragungsort zahlreicher Länderspiele, großer Konzerte und gehört zu den bekanntesten Stadien Deutschlands. Doch der Zahn der Zeit nagt – so zumindest die Argumentation der Stadt.

Für die kommenden Jahrzehnte rechnen Experten mit einem wachsenden Sanierungsaufwand. Die technischen Standards entwickeln sich weiter, die Betriebskosten steigen. Ein kompletter Neubau erscheint unter langfristig wirtschaftlichen Gesichtspunkten als die logische Konsequenz. Die Stadt denkt damit nicht nur sportlich, sondern auch städtebaulich und finanziell.

Wird das Volksparkstadion abgerissen?

Eine der brisantesten Fragen lautet: Was passiert mit dem bestehenden Volksparkstadion? Ein Parallelbetrieb zweier großer Stadien gilt als unrealistisch. Zu hoch wären die Instandhaltungs-, Betriebs- und Personalkosten. Auch verkehrs- und sicherheitstechnisch wäre eine Doppelstruktur kaum zu stemmen. In internen Papieren der Stadt heißt es daher, dass das bestehende Stadion „möglicherweise abgetragen werden muss“.

Das sorgt für Aufregung unter HSV-Fans, die das Volksparkstadion nicht nur als Spielstätte, sondern als identitätsstiftenden Ort betrachten. In Fanforen heißt es: „Ein Umzug nur, wenn wir Eigentümer sind.“ Die Angst: Ein modernes Stadion, das dem HSV nicht gehört, könnte neue Abhängigkeiten schaffen – sowohl finanzieller als auch struktureller Art.

HSV zwischen Emotion und Pragmatismus

Der Hamburger SV selbst unterstützt die Planungen für ein neues Stadion grundsätzlich – unter einer Bedingung: Es darf keine Laufbahn enthalten. Damit reagiert der Verein auf den Wunsch vieler Fans, die auf reine Fußballstadien mit Nähe zum Spielfeld pochen. Die Verantwortlichen sehen zudem die Chance, die infrastrukturellen Mängel des aktuellen Stadions hinter sich zu lassen und von einer modernen Arena zu profitieren – etwa mit besseren VIP-Bereichen, Medienräumen und barrierefreier Infrastruktur.

Doch auch wirtschaftlich ist die Lage komplex. Das Volksparkstadion gehört dem HSV. Ein Umzug in ein neues, von der Stadt errichtetes Stadion würde eine Rolle als Mieter bedeuten. Das könnte den Verein langfristig finanziell belasten, sofern die Konditionen nicht entsprechend ausgestaltet werden. Zugleich wäre ein Neubau eine Gelegenheit, mit Sponsoren neue Erlösmodelle aufzubauen – sei es durch Naming-Rights oder zusätzliche Eventvermarktung.

Multifunktionale Nutzung geplant

Das neue Stadion soll nicht nur Fußballspiele austragen. Auch Konzerte, internationale Sportevents und Veranstaltungen wie die European Championships sollen dort Platz finden. Neben dem HSV werden potenziell auch die Hamburg Sea Devils (American Football) als Nutzer gehandelt. Die Stadt möchte damit ein Maximum an Auslastung erreichen – und die Wirtschaftlichkeit des Projekts sichern.

Olympische Infrastruktur: Nachhaltig und integriert

Im Olympiakonzept „HAMBURG+“ sind zwei große Olympic Parks geplant: einer im Volkspark, der andere in der Innenstadt. Der Clou: 80 Prozent der Sportstätten sollen sich in einem Radius von sieben Kilometern befinden. Viele davon sind temporär oder bereits bestehend – ein deutliches Signal in Richtung Nachhaltigkeit. Nach den Spielen sollen möglichst viele Anlagen rückgebaut oder anderweitig genutzt werden.

Ein Stadion, das aus Leichtathletik- in Fußballstruktur überführt werden kann, entspricht dieser Philosophie. So soll es nach den Spielen zu einem reinen Fußballstadion ohne Laufbahn umgebaut werden – ganz im Sinne des HSV.

Kritik an den Plänen – nicht alle jubeln

Wie bei jeder Großinvestition gibt es auch Gegenstimmen. Umweltverbände warnen vor steigender Bodenversiegelung und verweisen auf die klimapolitische Verantwortung Hamburgs. Auch die Partei Die Linke zeigt sich skeptisch. Ihre Befürchtung: Kostensteigerungen, Privatisierungsdruck und soziale Verdrängung rund um die neuen Infrastrukturprojekte. Zudem herrscht Unverständnis über den Zeitrahmen: Warum wird ein neues Stadion angedacht, obwohl das bestehende funktionstüchtig ist?

In der Tat ist der letzte Modernisierungsschub am Volksparkstadion noch keine drei Jahrzehnte her. Gegner werfen der Stadt daher vor, Prestigeprojekte auf dem Rücken der Steuerzahler umzusetzen. Gerade vor dem Hintergrund der gescheiterten Olympiabewerbung Hamburgs 2024 ist Skepsis angebracht. Die damalige Ablehnung durch die Bevölkerung im Referendum 2015 wirkt bis heute nach.

Das Bürger-Votum: Schicksalsfrage im Mai 2026

Entscheidend wird das Referendum im Mai 2026. Dort sollen die Bürgerinnen und Bürger über die Olympiabewerbung Hamburgs abstimmen. Die Stadt bereitet sich entsprechend vor: Mit Informationskampagnen, transparenter Kostenplanung und breitem Dialog. Sollte das Votum negativ ausfallen, steht das Olympiaprojekt vor dem Aus – doch das Stadionprojekt ist ausdrücklich davon entkoppelt.

Damit wird deutlich: Auch ohne Olympia plant Hamburg langfristig mit einem neuen Stadion. Es soll – so der aktuelle Stand – kommen, unabhängig davon, ob die Spiele nach Hamburg vergeben werden oder nicht.

Tabelle: Volksparkstadion vs. geplanter Neubau

MerkmalVolksparkstadionGeplantes Stadion
Kapazität57.00060.000 (erweiterbar auf 70.000)
TypFußballstadionMultifunktional / später Fußballstadion
Baujahr (Modernisierung)1998–2000ab 2027 geplant
BesitzHSVStadt Hamburg
OlympiatauglichNeinJa

Fazit: Zwischen Weitblick und Wehmut

Hamburgs Pläne für ein neues Stadion im Rahmen der Olympiabewerbung sind ambitioniert, modern und zukunftsgerichtet. Doch sie treffen auch auf Skepsis, Emotionen und Erinnerungen. Das Volksparkstadion ist für viele Fans mehr als Beton und Tribüne – es ist Heimat. Der Neubau könnte dem HSV sportlich und wirtschaftlich neue Möglichkeiten bieten, doch nur unter fairen Rahmenbedingungen.

Ob die Rechnung aufgeht, entscheidet nicht nur der Bauplan – sondern vor allem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Das Referendum im Mai 2026 wird zur Schicksalsfrage. Und vielleicht auch zur letzten Chance, Hamburg dauerhaft als Weltstadt des Sports zu etablieren.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.