
Berlin, 14. Dezember 2025 – Im Paul-Löbe-Haus herrscht gespannte Aufmerksamkeit, als die Corona-Kommission des Bundestages zu einer weiteren Anhörung zusammenkommt. Es geht um Entscheidungen aus einer Zeit, in der politisches Handeln unter enormem Druck stand. Und es geht um Vertrauen – in staatliche Abläufe, in politische Verantwortung, in die Fähigkeit zur ehrlichen Aufarbeitung.
Die Anhörung der Corona-Kommission rückt an diesem Tag eine der sensibelsten Fragen der Pandemie erneut in den Mittelpunkt: die Beschaffung von Schutzmasken in den ersten Monaten der Corona-Krise. Im Fokus steht dabei die Rolle des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Die Grünen fordern von ihm und seinem früheren Ministerium umfassende Transparenz über Entscheidungswege, Verträge und Verantwortlichkeiten – und erhöhen damit den politischen Druck auf die Union.
Die Corona-Kommission als politisches Prüfverfahren
Mit der Einsetzung der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie hat der Bundestag im Sommer 2025 ein Forum geschaffen, das Analyse, Selbstkritik und politische Lehren miteinander verbinden soll. Anders als ein Untersuchungsausschuss arbeitet die Kommission nicht mit Zwangsbefugnissen, sondern setzt auf die systematische Auswertung von Dokumenten, Expertenanhörungen und parlamentarischem Austausch. Ihr Auftrag ist umfassend: Sie soll staatliches Krisenmanagement, parlamentarische Kontrolle, gesellschaftliche Folgen und wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie beleuchten.
Ein zentrales Themenfeld ist dabei die staatliche Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung. Gerade die Maskenbeschaffung gilt als Symbol für die außergewöhnlichen Herausforderungen jener Zeit – aber auch für politische Entscheidungen, die bis heute Fragen aufwerfen. Milliardenbeträge, Notvergaben, rechtliche Sonderwege und spätere juristische Auseinandersetzungen prägen das Bild.
Warum die Maskenbeschaffung im Zentrum steht
Die Maskenbeschaffung während der Pandemie war geprägt von globalen Lieferengpässen, hektischen Marktbewegungen und politischem Handlungsdruck. In dieser Situation entschied das Bundesgesundheitsministerium, Beschaffungsprozesse teilweise außerhalb etablierter Strukturen zu organisieren. Diese Entscheidungen, so die Kritik der Grünen, seien bis heute nicht lückenlos aufgearbeitet. Die Corona-Kommission sei deshalb gefordert, Transparenz herzustellen und politische Verantwortung klar zu benennen.
Nach Ansicht der Grünen reicht die bisherige Aktenlage nicht aus. Wichtige Unterlagen seien geschwärzt oder nur fragmentarisch zugänglich, Entscheidungswege nur unzureichend nachvollziehbar. Gerade bei einem Projekt dieser Größenordnung – finanziell wie politisch – sei vollständige Offenlegung unerlässlich.
Forderungen nach Klarheit und Offenlegung
- Offenlegung aller relevanten Entscheidungsprozesse im Bundesgesundheitsministerium
- Ungekürzte Einsicht in Verträge und interne Vermerke zur Maskenbeschaffung
- Politische Bewertung der Verantwortung ehemaliger Entscheidungsträger
Die Grünen argumentieren, dass Transparenz kein Selbstzweck sei, sondern Voraussetzung für demokratische Kontrolle. Ohne vollständige Informationen könne weder das Parlament noch die Öffentlichkeit beurteilen, ob Fehler gemacht wurden – und wie sie künftig vermieden werden können.
Jens Spahn zwischen Rechtfertigung und politischem Erbe
Jens Spahn selbst hat die Kritik in der Vergangenheit zurückgewiesen. Er verweist auf die außergewöhnliche Lage zu Beginn der Pandemie, auf den akuten Mangel an Schutzmaterial und auf den Zeitdruck, unter dem Entscheidungen getroffen werden mussten. Aus seiner Sicht seien schnelle, unkonventionelle Wege notwendig gewesen, um die Versorgung von medizinischem Personal und Bevölkerung sicherzustellen.
Diese Argumentation stößt bei den Grünen auf Skepsis. Sie erkennen zwar die Ausnahmesituation an, betonen jedoch, dass auch in Krisenzeiten rechtsstaatliche Prinzipien, Dokumentationspflichten und parlamentarische Kontrolle gelten müssten. Die Frage, ob politische Dringlichkeit rechtliche Grauzonen rechtfertigt, zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatte.
Politische Linien und offene Konflikte
Die Anhörung macht deutlich, wie unterschiedlich die politischen Bewertungen der Pandemiepolitik ausfallen. Während Vertreter der Union vor einer nachträglichen Skandalisierung warnen und auf die damalige Unsicherheit verweisen, pochen die Grünen auf eine klare Trennung zwischen nachvollziehbarer Krisenentscheidung und möglichem Fehlverhalten. Die Corona-Kommission wird damit auch zum Spiegel parteipolitischer Grundkonflikte.
Innerhalb der Opposition wächst zudem der Wunsch nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Ein solches Gremium hätte weitergehende Befugnisse zur Akteneinsicht und Zeugenbefragung. Ob es dazu kommt, ist offen – bislang fehlt eine parlamentarische Mehrheit. Dennoch bleibt der politische Druck bestehen, insbesondere solange zentrale Fragen unbeantwortet bleiben.
Transparenz als politische Bewährungsprobe
Die Forderung nach Transparenz ist mehr als ein Schlagwort. Sie berührt das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament, zwischen Exekutive und Öffentlichkeit. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie stark politische Entscheidungen in Krisenzeiten in das Leben der Menschen eingreifen. Umso größer ist im Nachhinein das Bedürfnis nach Erklärung, Einordnung und Verantwortung.
Die Corona-Kommission soll dazu beitragen, Vertrauen zurückzugewinnen. Dafür muss sie nachvollziehbar machen, wie Entscheidungen zustande kamen, welche Alternativen es gab und wo Grenzen überschritten wurden. Gerade die Maskenbeschaffung steht exemplarisch für diese Herausforderung: Sie verbindet medizinische Notwendigkeit, wirtschaftliche Interessen und politische Verantwortung.
Der lange Weg der Aufarbeitung
Die aktuelle Anhörung markiert keinen Endpunkt, sondern einen Zwischenschritt. Die Corona-Kommission wird ihre Arbeit noch über Monate fortsetzen und weitere Themenfelder behandeln – von Schulschließungen über Impfstrategien bis hin zu sozialen und psychischen Folgen der Pandemie. Der Abschlussbericht soll Empfehlungen formulieren, die über parteipolitische Grenzen hinaus wirken.
Ob die Kommission ihrem Anspruch gerecht wird, hängt auch davon ab, wie offen und vollständig die Zusammenarbeit aller Beteiligten ausfällt. Die Debatte um Jens Spahn und die Maskenbeschaffung zeigt, wie schwierig dieser Prozess ist. Sie zeigt aber auch, wie notwendig eine gründliche, transparente und sachliche Aufarbeitung bleibt – nicht nur zur Bewertung der Vergangenheit, sondern als Grundlage für künftiges politisches Handeln.