OVG-Urteil: Bundesregierung darf Asylverfahren für Afghanen vorerst stoppen

In Politik
September 01, 2025

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Bundesregierung Aufnahmeverfahren für afghanische Ortskräfte und gefährdete Personen vorerst aussetzen darf. Damit bestätigt das Gericht den Handlungsspielraum der Regierung, auch bereits erteilte politische Zusagen zu überprüfen, solange sie nicht rechtsverbindlich sind. Die Entscheidung betrifft zahlreiche Afghaninnen und Afghanen, die auf eine Einreise nach Deutschland hoffen und aktuell in Pakistan ausharren.

Hintergrund des Urteils

Das OVG Berlin-Brandenburg musste über den Fall eines ehemaligen afghanischen Richters entscheiden. Ihm und seiner Familie war Ende 2022 eine Aufnahme über eine sogenannte „Überbrückungsliste“ signalisiert worden. Doch im Frühsommer 2025 wurde sein Visumsantrag abgelehnt – mit der Begründung, dass das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen ausgesetzt sei. Der Betroffene hatte daraufhin geklagt, bekam in erster Instanz Recht und zog schließlich bis vor das OVG, wo die Bundesregierung nun obsiegte.

Rechtliche Begründung

Das Gericht stellte klar: Eine politische Zusage oder eine Aufnahmebereitschaft begründe noch keinen verbindlichen Anspruch auf ein Visum. Erst ein rechtskräftiger Verwaltungsakt würde einen solchen Anspruch sichern. Die Richter hoben hervor, dass der Bundesregierung ein „weites Ermessen“ bei der Entscheidung über Aufnahmeverfahren zustehe. Damit sei es legitim, Verfahren auszusetzen oder politische Zusagen zu überdenken, solange diese nicht rechtswirksam geworden sind.

Aktuelle Zahlen und Dimensionen

Die Tragweite des Urteils wird an den Zahlen deutlich. Insgesamt sind etwa 770 Personen offiziell in das Aufnahmeprogramm erfasst worden. Rund 2.300 weitere Afghaninnen und Afghanen warten derzeit in Pakistan auf eine Aufnahme nach Deutschland. Ein Teil von ihnen hat bereits Aufnahmezusagen erhalten, doch die Verfahren liegen nun auf Eis. Lediglich rund 50 Personen mit entsprechender Zusage konnten in den vergangenen Monaten per Linienflug aus Islamabad nach Deutschland einreisen.

Bereits entschiedene Verfahren

Das OVG Berlin-Brandenburg ist mit dieser Frage nicht zum ersten Mal befasst. Inzwischen wurden rund 28 Eilverfahren zu ähnlichen Fällen entschieden. Die Richter sehen in allen Fällen die Handlungsfreiheit der Bundesregierung bestätigt. Gleichwohl betonten Juristen, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, da die endgültige rechtliche Bewertung in Hauptsacheverfahren noch aussteht.

Betroffene zwischen Hoffnung und Ungewissheit

Für die Betroffenen bedeutet das Urteil eine massive Belastung. Viele von ihnen haben während der westlichen Präsenz in Afghanistan als Richter, Journalisten oder Ortskräfte gearbeitet und sind seit der Machtübernahme der Taliban erheblichen Risiken ausgesetzt. Besonders prekär ist die Lage jener Menschen, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten hatten und sich deshalb auf eine baldige Ausreise verlassen haben.

  • Gefährdete Personengruppen: Ehemalige Ortskräfte, Richter, Journalisten
  • Aufenthaltsort: Mehrere tausend Afghanen warten in Pakistan auf die Weiterreise
  • Rechtslage: Politische Zusagen sind nicht automatisch rechtlich bindend

Politische Dimension

Die Entscheidung des OVG könnte weitreichende Folgen für die deutsche Flüchtlings- und Außenpolitik haben. Kritiker bemängeln, dass Menschen, die sich durch ihre Arbeit an der Seite westlicher Kräfte in Gefahr gebracht haben, nun im Stich gelassen würden. Befürworter hingegen sehen in der gerichtlichen Bestätigung des Ermessensspielraums einen notwendigen Schritt, um die Verfahren besser steuern zu können.

Die ungewisse Zukunft der Aufnahmeprogramme

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts schafft zwar kurzfristig Klarheit für die Bundesregierung, lässt aber tausende Afghaninnen und Afghanen weiter im Ungewissen zurück. Ob und wann die ausgesetzten Verfahren wieder aufgenommen werden, ist derzeit offen. Während einige bereits die Sicherheit Deutschlands erreicht haben, warten viele andere weiterhin in Pakistan – in einer Zwischenwelt aus Hoffnung und Unsicherheit. Wie sich die Bundesregierung in den kommenden Monaten positioniert, wird entscheidend für das Vertrauen in die deutschen Aufnahmeprogramme sein.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.