Rückkehrfähigkeit Syrien-Geflüchtete: Kritik an Wadephul entflammt CDU-Streit

In Politik
November 03, 2025
Berlin, 3. November 2025 – Der Wind, der an diesem grauen Herbstmorgen durch die Straßen der Hauptstadt zieht, trägt mehr als nur das Rascheln der Blätter mit sich – er bringt eine Debatte zurück, die Deutschland seit Jahren begleitet. Nach einem Besuch in Syrien äußerte CDU-Politiker Johann Wadephul Zweifel an einer baldigen Rückkehr syrischer Geflüchteter. Seine Worte lösten ein politisches Beben aus – in der eigenen Partei, aber auch weit darüber hinaus.

Ein Besuch mit Folgen: Wadephuls Zweifel an der Rückkehrfähigkeit Syriens

Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, hatte auf einer Reise nach Syrien zerstörte Wohnviertel und verlassene Ortschaften gesehen. Seine Einschätzung danach fiel ernüchternd aus: „Hier können wirklich kaum Menschen würdig leben“, sagte er laut Tagesspiegel. Für viele klang das wie eine Abkehr von der bisherigen Parteilinie – eine, die die Rückkehr syrischer Geflüchteter längst wieder ins Zentrum der Debatte rücken wollte.

Doch statt Verständnis erntete Wadephul Widerspruch. Parteikollegen wie Günter Krings und Sven Schulze hielten dagegen: Der Krieg sei weitgehend vorbei, nun müsse der Wiederaufbau beginnen – und dazu gehöre auch die Rückkehr der eigenen Bürger. Krings formulierte es scharf: „Wenn nicht die eigenen Staatsbürger ein zerstörtes Land wiederaufbauen, wer dann?“

Politische Spannungen innerhalb der Union

Die Diskussion zeigt eine tiefe Spaltung in der CDU. Während Wadephul auf humanitäre Realitäten verweist, betonen andere die politische Verantwortung, Rückkehrprozesse voranzutreiben. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach von einem „Scheinkonflikt“, machte aber deutlich, dass Abschiebungen von Straftätern selbstverständlich bleiben müssten. Auch Kanzleramtsminister Thorsten Frei erklärte, er sehe „keine grundsätzlichen Hindernisse“ mehr für Rückführungen, insbesondere bei jungen, arbeitsfähigen Männern.

Im Hintergrund jedoch schwelt ein Dilemma: Wie kann Deutschland Menschen zurückführen, wenn weite Teile Syriens noch immer von Zerstörung, Stromausfällen und wirtschaftlichem Stillstand geprägt sind? Laut dem Deutschlandfunk zeigen rund zwei Millionen Binnenflüchtlinge und eine Million Rückkehrer aus Nachbarländern, dass Sicherheit regional sehr unterschiedlich wahrgenommen wird.

Die Realität vor Ort: Zwischen Hoffnung und Verwüstung

Ein Blick auf Daten des UNHCR verdeutlicht die Diskrepanz zwischen politischer Rhetorik und Lebensrealität. Rund 1,4 Millionen Syrerinnen und Syrer sind seit 2018 in ihre Heimat zurückgekehrt – häufig in zerstörte Viertel, ohne Zugang zu stabiler Versorgung. Viele leben dort in improvisierten Unterkünften, unterstützt von internationalen Organisationen. Die Rückkehr ist also nicht unmöglich, aber riskant und von Hilfsprogrammen abhängig.

Die Bundeszentrale für politische Bildung ergänzt: Über 75 000 Syrerinnen und Syrer wurden 2023 in Deutschland eingebürgert, insgesamt rund 165 000 in den vergangenen zehn Jahren. Diese Zahl zeigt, dass ein erheblicher Teil längst in Deutschland Wurzeln geschlagen hat. Der Gedanke einer Rückkehr ist für viele deshalb weniger politisch, sondern existenziell – zwischen Integration und Verlust des Schutzstatus.

Fakten und Zahlen zur syrischen Gemeinschaft in Deutschland

KategorieZahl (2023/2024)
Syrische Staatsangehörige in Deutschlandca. 972 000
davon Schutzsuchendeetwa 712 000
Einbürgerungen (2023)75 000 +
Rückkehrer nach Syrien (UNHCR-Schätzung)1,4 Mio. weltweit

Die Erwerbstätigenquote syrischer Geflüchteter steigt laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kontinuierlich. Von der Kohorte, die 2015 nach Deutschland kam, waren 2022 bereits rund 60 Prozent erwerbstätig – ein Beleg dafür, dass Integration messbare Fortschritte erzielt. Diese Entwicklung verstärkt die Frage, ob eine Rückkehr überhaupt noch im Interesse aller Beteiligten liegt.

Öffentliche Reaktionen und soziale Spannungen

In den sozialen Medien kochte die Debatte schnell hoch. Unter dem Hashtag #Wadephul kursierten hitzige Diskussionen – zwischen jenen, die seine Skepsis als „realistisch und menschlich“ bezeichneten, und denen, die sie als „falsches Signal“ kritisierten. Auf Plattformen wie Reddit schilderten syrische Nutzer persönliche Eindrücke: zerstörte Dörfer, fehlende Jobs, Angst vor Behördenwillkür. Einige schreiben, sie wünschten sich Rückkehr, „aber nicht in ein Land, das es so nicht mehr gibt“.

Gleichzeitig wiesen konservative Stimmen auf die moralische Verantwortung hin, Syrien nicht dem Chaos zu überlassen. Rückkehr, so der Tenor, sei nicht nur eine politische Frage, sondern auch eine über Selbstbestimmung und nationale Identität. Zwischen diesen Polen bewegt sich die gesellschaftliche Diskussion – emotional, moralisch aufgeladen, aber zunehmend differenziert.

Wie realistisch ist die Rückkehr?

Die Frage vieler Bürgerinnen und Bürger lautet: Wie realistisch ist eine Rückkehr nach Syrien überhaupt? Faktisch hängt sie von mehreren Faktoren ab – der Sicherheit vor Ort, der Infrastruktur, der politischen Stabilität und individuellen Schutzentscheidungen. Derzeit sind Rückführungen nach Syrien in Deutschland kaum vorgesehen. Sie finden meist freiwillig statt und betreffen vor allem Einzelfälle mit familiären Bindungen oder spezifischen Gründen.

Auch rechtlich ist die Situation komplex: Wer freiwillig nach Syrien reist, kann seinen Schutzstatus verlieren. Diese Regelung soll verhindern, dass Personen den Schutz in Deutschland beanspruchen, obwohl sie das Herkunftsland gefahrlos besuchen können. Dennoch fordern manche Politiker Ausnahmeregeln – etwa für kurze Familienbesuche oder Lageprüfungen vor Ort.

Ein Streit, der über Parteigrenzen hinausreicht

Der Streit um die Rückkehr syrischer Geflüchteter ist längst mehr als eine parteiinterne Auseinandersetzung. Er spiegelt ein Ringen um Grundwerte: Humanität, Verantwortung, Sicherheit und Selbstbestimmung. Während einige CDU-Politiker auf Ordnung und Rückführung pochen, mahnen andere, Deutschland dürfe seine moralische Verpflichtung nicht vergessen. Wadephul selbst verteidigt seine Position mit den Worten, sie sei „kein Zeichen der Schwäche, sondern der Realitätstreue“.

Deutschland zwischen Integration und Rückkehr – eine offene Zukunft

Ob Deutschland in den kommenden Jahren tatsächlich Rückführungen nach Syrien verstärken wird, bleibt offen. Die Fakten sprechen derzeit für Vorsicht: zerstörte Städte, unklare Machtverhältnisse und eine wachsende Zahl integrierter Syrerinnen und Syrer, die längst Teil der Gesellschaft geworden sind. Doch die politische Dynamik ist stark – und Wahljahre verstärken die Rhetorik.

Vielleicht wird die Frage am Ende nicht lauten, ob Syrer zurückkehren, sondern wohin sie gehören. Zwischen den Trümmern von Damaskus und den Neubauten in Deutschland entscheidet sich nicht nur das Schicksal Einzelner, sondern auch das Selbstverständnis einer Nation, die seit Jahren mit der Balance zwischen Humanität und Realpolitik ringt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.