
Stuttgart – Am Samstagvormittag kommt es in der Stadtbahnlinie U7 zu einem verstörenden Vorfall: Ein bislang unbekannter Mann entblößt sich vor einer Seniorin, während die Bahn an der Haltestelle Sillenbuch steht. Die Polizei bittet nun um Hinweise aus der Bevölkerung. Der Vorfall wirft erneut ein Schlaglicht auf das Thema exhibitionistischer Übergriffe im öffentlichen Raum.
Ein erschreckender Moment an einem ruhigen Vormittag
Am 2. August 2025, gegen 9:00 Uhr, wartete eine 75-jährige Frau an der Haltestelle Sillenbuch in Stuttgart auf die einfahrende Stadtbahn der Linie U7 in Richtung Ostfildern. Was dann geschah, beschreibt die Polizei als „massiv übergriffiges Verhalten“. Der Mann stand bereits im Türbereich der Bahn und zeigte sich in schamverletzender Weise – er entblößte sein Geschlechtsteil direkt vor der älteren Dame. Die Szene dauerte nur wenige Sekunden, doch sie reichte aus, um die Betroffene in Angst und Ekel zu versetzen.
Der Täter flüchtete anschließend in unbekannte Richtung. Die Polizei reagierte umgehend mit einer Täterbeschreibung und richtete eine Zeugensuche ein. Noch immer gibt es keine heiße Spur.
Wer ist der Täter? – Die bisherigen Erkenntnisse
Die Kriminalpolizei Stuttgart veröffentlichte eine detaillierte Personenbeschreibung:
- Alter: etwa 30 bis 40 Jahre
- Haarfarbe: kurze schwarze Haare
- Bart: Stoppelbart
- Kleidung: dunkle Jeanshose, dunkle Jacke
- Auffällig: schwarz-weiß gemusterte Unterwäsche
Besonders die Unterwäsche wurde als auffällig beschrieben – möglicherweise ein Hinweis auf die bewusste Planung des Vorfalls. Die Polizei bittet um Hinweise unter der Telefonnummer 0711 8990 5778.
Exhibitionismus in der Bahn – kein Einzelfall
Der Vorfall in Stuttgart reiht sich ein in eine Reihe von Fällen, die bundesweit immer wieder Schlagzeilen machen. Schon 2020 kam es in derselben Linie zu einem ähnlichen Vorfall: Damals setzte sich ein älterer Mann neben eine junge Frau und entblößte sich ebenfalls. Diese wiederkehrenden Muster lassen auf strukturelle Probleme schließen – insbesondere im ÖPNV, wo Täter auf engstem Raum auf potenzielle Opfer treffen.
Wie häufig kommt es zu exhibitionistischem Verhalten in Stadtbahnen in Deutschland?
Exakte Zahlen zur Häufigkeit solcher Taten im Nahverkehr existieren nicht. Laut Kriminalstatistik werden in Deutschland jedoch jährlich rund 7.000 Fälle von Exhibitionismus erfasst. Ein Teil dieser Vorfälle geschieht in Zügen oder Bahnhöfen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen, denn viele Betroffene erstatten aus Scham keine Anzeige.
Was tun, wenn man Zeuge eines solchen Vorfalls wird?
In derartigen Situationen ist schnelles und besonnenes Handeln gefragt. Die Polizei empfiehlt folgendes Vorgehen:
- Bewahren Sie Ruhe und bringen Sie sich in Sicherheit.
- Merken Sie sich Aussehen, Kleidung und Fluchtrichtung des Täters.
- Informieren Sie sofort die Polizei – entweder telefonisch oder über Notrufmelder in der Bahn.
- Suchen Sie gegebenenfalls Zeugen oder sprechen Sie das Zugpersonal an.
Viele Betroffene fühlen sich im ersten Moment überfordert oder blockiert. Doch auch im Nachgang kann eine Anzeige helfen – nicht nur zur Aufklärung, sondern auch zur Verarbeitung des Erlebten.
Rechtliche Einordnung: Wann ist Entblößung strafbar?
Ist exhibitionistisches Verhalten in der Bahn strafbar?
Ja, das Strafgesetzbuch regelt dies klar. Nach § 183 StGB gilt das vorsätzliche Entblößen mit sexueller Motivation als Straftat, wenn andere dadurch belästigt werden. Es drohen Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen. Bereits das Empfinden von Ekel, Scham oder Angst bei Zeugen reicht zur Strafbarkeit aus – körperlicher Kontakt ist nicht nötig.
Psychologische und soziale Folgen für Betroffene
Studien zeigen, dass sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum bei den Opfern psychische Belastungen hervorrufen kann. Dazu zählen:
- Angstzustände
- Schlafstörungen
- Vermeidungsverhalten (z. B. keine Bahnfahrten mehr)
- Gefühl von Hilflosigkeit
Eine Untersuchung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass über zwei Drittel der Frauen bereits sexuelle Übergriffe in der Öffentlichkeit erlebt haben – Exhibitionismus gehört zu den häufigsten Formen.
„Ich bin wie gelähmt dagestanden – man denkt in dem Moment nicht rational“, schildert eine Betroffene in einem anonymen Forum.
ÖPNV als Tatort – warum gerade dort?
Der öffentliche Nahverkehr bietet Tätern leider oft ideale Bedingungen:
- Hoher Durchlauf an Menschen – geringe Wiedererkennung
- Enge Räume – kaum Fluchtmöglichkeiten für Betroffene
- Fehlende soziale Kontrolle, besonders in Randzeiten
Experten fordern daher mehr Präsenz von Sicherheitspersonal, bessere Überwachungssysteme und regelmäßige Schulungen des Fahrpersonals zum Umgang mit Belästigungen.
Fragen zur Anzeige: Wie sollten Opfer vorgehen?
Wo melden Opfer oder Zeugen Fälle von Exhibitionismus am besten?
Der erste Ansprechpartner ist stets die Polizei – entweder telefonisch oder direkt auf der nächstgelegenen Wache. Viele Städte bieten inzwischen auch Online-Anzeigen an. Wichtig ist, möglichst zeitnah nach dem Vorfall zu handeln, um Erinnerungen und Beweismaterial zu sichern.
Gibt es Präventionsmaßnahmen in Stuttgart?
Die SSB (Stuttgarter Straßenbahnen AG) kooperiert mit der Polizei bei der Aufklärung solcher Fälle. Zwar gibt es in jeder Bahn Notrufeinrichtungen, doch vielen Fahrgästen ist deren Nutzung unbekannt. Außerdem ist die Zahl uniformierter Sicherheitskräfte begrenzt. Die Polizei empfiehlt daher:
- Notfallknopf in der Bahn betätigen
- Situationen laut kommentieren – Täter abschrecken
- Andere Fahrgäste aktiv einbinden
Ein gesellschaftliches Problem mit Unsichtbarkeit
Während physische Gewalt oft sichtbar und dokumentierbar ist, bleiben exhibitionistische Übergriffe häufig im Graubereich: kurz, schamhaft, diffus. Diese Unsichtbarkeit erschwert nicht nur die Strafverfolgung, sondern auch das öffentliche Bewusstsein. Dabei sind die psychischen Folgen für Betroffene real – oft langanhaltend.
Stuttgart ist kein Einzelfall – ein bundesweites Phänomen
Auch in Städten wie Berlin oder Hamburg wurden ähnliche Fälle dokumentiert. 2017 registrierte Berlin fast 300 Sexualdelikte im Nahverkehr – darunter auch Entblößungen. Die Zahl ist seither konstant hoch. Dennoch sprechen Betroffene selten darüber. Warum?
Ein Mix aus Scham, Verdrängung und Unsicherheit über die Rechtslage führt dazu, dass viele Vorfälle unbehandelt bleiben. Initiativen wie „Luisa ist hier“ oder „Sicher unterwegs“ wollen das ändern – durch Aufklärung und konkrete Hilfsangebote im Nahverkehr.
Forderungen an Politik und Gesellschaft
Der aktuelle Fall in Stuttgart macht erneut deutlich: Es braucht gezielte Maßnahmen, um den öffentlichen Nahverkehr sicherer zu machen. Dazu gehören:
Maßnahme | Ziel |
---|---|
Mehr Videoüberwachung | Beweissicherung & Abschreckung |
Sichtbares Sicherheitspersonal | Präsenz & Ansprechbarkeit |
Informationskampagnen | Aufklärung & Handlungssicherheit |
Schulungen für Fahrer:innen | Reaktionsfähigkeit im Ernstfall |
Ein Appell an die Fahrgäste
Auch wenn der Täter bislang nicht gefasst wurde, steht eines fest: Das Schweigen der Gesellschaft schützt die Falschen. Wer belästigt wird, sollte sich nicht schämen – sondern Hilfe holen. Wer etwas beobachtet, sollte nicht wegsehen – sondern reagieren. Nur so können Täter überführt und Betroffene geschützt werden.
Stuttgart hat mit diesem Vorfall einen weiteren traurigen Eintrag in der Liste öffentlicher Belästigungen erhalten. Doch mit jeder Anzeige, jedem Zeugentelefonat, jedem sichtbaren Widerspruch wächst der Druck auf Täter – und die Hoffnung auf sicherere Bahnen für alle.