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Das ändert sich ab heute am 01. Oktober 2025 in der Arztpraxis

In Allgemein
Oktober 01, 2025

Seit dem 1. Oktober 2025 gilt eine neue Ära im deutschen Gesundheitswesen: Die elektronische Patientenakte (ePA) wird für Praxen, Kliniken und Apotheken zur Pflicht. Leistungserbringer müssen ab sofort medizinische Daten systematisch in die digitale Akte eintragen. Während Befürworter von einem Meilenstein für eine vernetzte Versorgung sprechen, stehen Datenschutz, Akzeptanz und technische Hürden stark in der Diskussion.

Die gesetzliche Grundlage und der Start der Pflicht

Von der Einführungsphase zum Stichtag

Die elektronische Patientenakte, oft als „ePA für alle“ bezeichnet, wurde bereits am 15. Januar 2025 flächendeckend eingeführt. Seitdem erhalten alle gesetzlich Versicherten automatisch eine Akte, sofern sie nicht widersprochen haben. Ab dem 29. April 2025 begann eine Hochlaufphase, in der Praxen, Kliniken und Apotheken die Systeme freiwillig testen und erste Dokumente hochladen konnten. Mit dem Stichtag 1. Oktober 2025 endet diese Übergangszeit: Ab sofort sind die Einrichtungen verpflichtet, alle relevanten Behandlungsdokumente in die Akte einzustellen.

Was muss gespeichert werden?

Die Pflicht umfasst sämtliche medizinischen Dokumente, die im Rahmen der Behandlung entstehen – etwa Laborbefunde, Arztbriefe oder bildgebende Untersuchungsberichte. Diese Daten müssen vollständig und zeitnah eingestellt werden. Apotheken wiederum tragen insbesondere arzneimittelbezogene Daten ein. Der Zugriff auf die Akte ist zeitlich begrenzt, typischerweise auf drei Kalendertage, wenn die Gesundheitskarte des Patienten in der Apotheke oder Praxis eingesteckt wird.

Pflichten für Praxen, Kliniken und Apotheken

Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser

Ärztinnen und Ärzte müssen nun systematisch jede Behandlung dokumentieren und die Ergebnisse in die ePA übertragen. Bereits vor dem Stichtag stieg die Nutzung: In den Tagen zuvor wurden knapp 2,5 Millionen Dokumente hochgeladen. Dennoch klagen viele Kliniken über fehlende technische Ausstattung und unzureichende Schulungen für das Personal. Damit bleibt die praktische Umsetzung eine Herausforderung.

Apotheken und ihre Rolle

Für Apotheken gilt, dass sie Informationen zur Medikation der Patienten ergänzen. Dazu gehören beispielsweise Abgabeinformationen und Wechselwirkungsprüfungen. Auch sie stehen in der Pflicht, die Befüllung sicherzustellen. Branchenvertreter weisen jedoch darauf hin, dass nicht alle Apotheken rechtzeitig die notwendige Infrastruktur bereitstellen konnten. Es wird bereits diskutiert, ob Sanktionen drohen, sollten Apotheken ihre Pflicht nicht erfüllen.

Rechte der Versicherten und Datenschutz

Opt-out-Modell und Widerspruchsrecht

Besonders sensibel ist die Frage des Datenschutzes. Versicherte können der Befüllung der ePA jederzeit widersprechen. Das Verfahren ist nicht an Fristen gebunden. Wer sich entscheidet, seine Akte nicht nutzen zu wollen, kann den Widerspruch bei seiner Krankenkasse einlegen. Ebenso kann ein einmaliger Widerspruch später zurückgenommen werden, wenn Versicherte ihre Meinung ändern.

Zugriffsrechte und Löschmöglichkeiten

Patienten haben die Möglichkeit, einzelnen Praxen den Zugriff auf bestimmte Dokumente zu verweigern oder einzelne Befunde löschen zu lassen. In der Theorie bedeutet das, dass sensible Diagnosen nicht automatisch für alle Leistungserbringer sichtbar sein müssen. Kritiker bemängeln jedoch, dass diese Funktion in der Praxis noch nicht umfassend technisch umgesetzt ist.

Kritik und datenschutzrechtliche Bedenken

Stimmen von Experten und Organisationen

Zahlreiche Fachverbände äußern Bedenken. „Die technischen Sicherheitslücken sind nicht glaubhaft ausgeräumt“, warnt Manuel Hofmann von der Deutschen Aidshilfe. Auch der Chaos Computer Club kritisiert, dass das Opt-out-Modell viele Versicherte ungewollt in das System zwingt. Netzpolitik-Experten weisen zudem darauf hin, dass frühere Konzepte zur feingliedrigen Rechtevergabe wieder verworfen wurden, wodurch Patienten weniger Kontrolle haben.

Verfassungsrechtliche Fragen

Auch juristisch bleibt das Projekt umstritten. Die Gesellschaft für Informatik sieht einen möglichen Konflikt mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung betont, dass Vertrauen in Datenschutz und Funktionalität Grundvoraussetzungen für Akzeptanz seien. Fehlt diese Basis, drohe ein massiver Vertrauensverlust im Gesundheitswesen.

Herausforderungen bei der Umsetzung

Technische Defizite und Schulungen

Aus den Praxen und Kliniken wird berichtet, dass viele Systeme noch nicht ausgereift sind. Besonders kleinere Arztpraxen kämpfen mit veralteter Software oder fehlender Schulung. Nutzer in ärztlichen Foren klagen, dass klare Leitlinien fehlen und die Integration in den Alltag noch nicht funktioniert. Dies führt zu Unsicherheit und Frust im laufenden Betrieb.

Informationsdefizite bei den Versicherten

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 84 Prozent der Menschen mit Arztbesuchen im laufenden Jahr noch nie auf die ePA angesprochen wurden. Nur neun Prozent wurden durch das Praxisteam informiert, sechs Prozent haben das Thema selbst eingebracht. Viele Versicherte erfahren von ihrem Recht auf Widerspruch nur durch Eigeninitiative. In Foren berichten Nutzer, dass Krankenkassen sie nicht ausreichend aufgeklärt haben.

Offene Fragen aus der Bevölkerung

  • Wie kann ich der verpflichtenden Befüllung der ePA widersprechen? – Der Widerspruch kann jederzeit ohne Frist bei der Krankenkasse erfolgen.
  • Welche Datenarten müssen zwingend gespeichert werden? – Dazu gehören Laborwerte, Arztbriefe und andere aktuelle Behandlungsdaten.
  • Kann ich nach einem Widerspruch meine Entscheidung ändern? – Ja, Patienten können ihre Entscheidung rückgängig machen und die ePA wieder nutzen.

Akzeptanz und Nutzung in der Bevölkerung

Zurückhaltende Nutzung

Obwohl die ePA für alle eingerichtet wurde, bleibt die tatsächliche Nutzung bislang gering. Studien belegen, dass nur ein kleiner Prozentsatz aktiv Daten pflegt oder die Akte bei Arztbesuchen einsetzt. Viele Menschen haben Vorbehalte: 29 Prozent äußern Sicherheitsbedenken, 23 Prozent befürchten Nachteile durch den Zugriff der Krankenkassen.

Perspektiven der Patientinnen und Patienten

In Elternforen äußern Nutzer Sorgen, dass sie unzureichend informiert wurden. Besonders für Kinder unter 15 Jahren gelten Sonderregelungen: Hier kann auf das Befüllen verzichtet werden, wenn gewichtige therapeutische Gründe vorliegen. Auch aus Patientensicht wird diskutiert, ob eine digitale Akte tatsächlich mehr Transparenz schafft oder eher zu Misstrauen führt.

Chancen und Potenziale der ePA

Optimierung der Behandlungsabläufe

Trotz aller Kritik betonen Befürworter die Chancen. Ziel der elektronischen Patientenakte ist es, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und eine bessere Kommunikation zwischen Hausärzten, Fachärzten, Kliniken und Apotheken zu ermöglichen. Langfristig sollen Patientinnen und Patienten von einer höheren Qualität der Versorgung profitieren.

Zukünftige Ausbaustufen

Die Gematik, verantwortlich für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, plant bereits den Ausbau der Funktionen für die kommenden Jahre. 2026 sollen weitere Anwendungen und Schnittstellen folgen. Damit soll die ePA zu einem umfassenden digitalen Gesundheitsdossier ausgebaut werden.

Öffentliche Diskussion und Stimmen aus den Foren

Alltagsprobleme und fehlende Akzeptanz

In Foren wie Coliquio beklagen Ärztinnen und Ärzte die fehlende Schulung. Versicherte berichten von Unsicherheiten beim Zugriff. Nutzer in Datenschutz-Communities betonen, dass Ärzte die ePA nur befüllen können, wenn ein Zugriff explizit erlaubt wurde – eine Hürde, die für Missverständnisse sorgt. Diese Stimmen zeigen, dass neben den rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem die praktische Umsetzung den Erfolg bestimmt.

Fragen aus dem Alltag

  • Dürfen Ärzte weitere Dokumente hochladen, wenn ich widersprochen habe? – Nein, ein Widerspruch schließt das Hochladen aus.
  • Kann ich sensible Diagnosen von der Einsicht ausschließen? – Ja, theoretisch möglich, aber die technische Umsetzung ist noch nicht überall gegeben.
  • Was passiert, wenn Ärzte die Pflicht nicht erfüllen? – Sanktionen sind vorgesehen, die Details sind jedoch noch nicht endgültig festgelegt.

Der Streit um Vertrauen und Kontrolle

Die Debatte um die ePA dreht sich weniger um technische Details, sondern um das Vertrauen in den Umgang mit hochsensiblen Gesundheitsdaten. Während Befürworter auf Effizienz, Sicherheit und bessere Versorgung setzen, warnen Kritiker vor Risiken für die informationelle Selbstbestimmung. Damit bleibt die verpflichtende Befüllung ein Spagat zwischen Fortschritt und Datenschutz.

Schlussabsatz: Ein Meilenstein mit offenen Baustellen

Die elektronische Patientenakte markiert einen tiefgreifenden Wandel im deutschen Gesundheitswesen. Der Stichtag 1. Oktober 2025 ist ein Meilenstein, der Praxen, Kliniken und Apotheken gleichermaßen fordert. Doch die Realität zeigt: Viele Einrichtungen kämpfen mit Technikproblemen, Patienten fühlen sich unzureichend informiert, und Experten äußern datenschutzrechtliche Bedenken. Gleichzeitig eröffnet die ePA Chancen, Behandlungen besser zu koordinieren und Doppelarbeit zu vermeiden. Der Erfolg dieses Projekts wird sich daran messen, ob Vertrauen geschaffen werden kann – sowohl bei den Leistungserbringern als auch bei den Versicherten. Denn nur wenn Akzeptanz und Transparenz wachsen, kann die elektronische Patientenakte ihr volles Potenzial entfalten und die Versorgung in Deutschland langfristig verbessern.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.