Süchtig nach Chips & Cola Coca-Cola verklagt wegen ultrahochverarbeiteter Lebensmittel

In Ausland
Dezember 03, 2025

San Francisco, 2. Dezember 2025 – Ein kühler Morgen an der Westküste, doch in der Stadtverwaltung herrscht angespannte Betriebsamkeit. San Francisco stellt sich mit einer Klage gegen einige der mächtigsten Lebensmittelkonzerne der Welt. Was wie ein lokaler juristischer Vorstoß beginnt, könnte das Verhältnis zwischen Industrie, Politik und Verbrauchern grundlegend verändern.

Die Stadt erhebt schwere Vorwürfe gegen mehrere globale Hersteller, deren Marken täglich in Millionen Haushalten stehen. Kraft Heinz, Mondelez International und Coca-Cola sollen nach Ansicht der Stadt bewusst Produkte entwickelt und vermarktet haben, die aufgrund ihrer Zusammensetzung und Verarbeitung einen süchtig machenden Charakter besitzen. Damit, so die Argumentation, hätten sie nicht nur individuelle Gesundheitsrisiken verschärft, sondern auch das ohnehin belastete öffentliche Gesundheitssystem zusätzlich unter Druck gesetzt.

Worum es in der Klage wirklich geht

Die am 2. Dezember eingereichte Klage markiert einen juristischen Meilenstein. Stadtanwalt David Chiu führt aus, dass die beanstandeten Unternehmen über Jahre hinweg Nahrungsmittel angeboten hätten, die zwar harmlos wirken, tatsächlich aber hochgradig problematische Eigenschaften aufweisen. San Francisco zieht damit ausdrücklich Parallelen zu früheren Großverfahren gegen Tabak- und Pharmaunternehmen. Der Kernvorwurf: systematische Irreführung, aggressive Vermarktung und eine bewusste Inkaufnahme gesundheitlicher Schäden.

Laut Klageschrift stützt sich der Vorwurf auf zwei zentrale Punkte, die in der Debatte um ultrahochverarbeitete Lebensmittel zunehmend an Bedeutung gewinnen:

  • Gezieltes Marketing trotz bekannter Risiken: Die Produkte seien darauf ausgelegt, häufig und regelmäßig konsumiert zu werden. Der Einsatz intensiver Geschmacksstoffe, Salz, Zucker und Fett sowie auffällige Verpackungen und Werbung verstärken diese Wirkung.
  • Massive Folgen für öffentliche Gesundheit und Kosten: Der übermäßige Konsum solcher Lebensmittel wird mit chronischen Krankheiten wie Adipositas, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Die finanziellen Belastungen treffen vor allem kommunale Gesundheitsträger.

Die Klage fordert Schadenersatz, strukturelle Änderungen in der Vermarktung und klare Einschränkungen für Produkte, die im Verdacht stehen, gesundheitlich bedenklich zu sein. Besonders im Fokus steht dabei der Begriff «ultrahochverarbeitete Lebensmittel», der zum Hauptschlüsselbegriff dieser Debatte geworden ist.

Was ultrahochverarbeitete Lebensmittel ausmacht

Unter dem Schlagwort ultrahochverarbeitete Lebensmittel – häufig als UPFs bezeichnet – subsumieren Wissenschaftler und Behörden Produkte, die im Herstellungsprozess weit von natürlichen Ausgangszutaten entfernt wurden. Dazu zählen Fertiggerichte, Süßwaren, Snacks, Softdrinks und viele Frühstücksprodukte.

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Typische Merkmale dieser Lebensmittelkategorie sind:

  • ein besonders hoher Anteil an Zucker, Salz oder industriell hergestellten Fetten,
  • Zusatzstoffe wie Emulgatoren, Konservierungsmittel oder Farbstoffe,
  • ein geringer Anteil unverarbeiteter Grundzutaten und Nährstoffe.

San Francisco argumentiert, dass viele dieser Produkte so konstruiert seien, dass sie einen intensiven Geschmack erzeugen, die Belohnungszentren im Gehirn stimulieren und dadurch ein Verlangen nach häufigem Konsum erzeugen. Dieser Mechanismus stehe laut Klagebehörde im Zentrum des Problems – und im Zentrum der Verantwortung der Hersteller.

Gesellschaftliche Folgen und Belastungen für das Gesundheitssystem

Die Stadt betont, dass insbesondere sozial schwächere Bevölkerungsgruppen überproportional von den Folgen ultrahochverarbeiteter Lebensmittel betroffen seien. Preiswerte Snacks, Softdrinks oder Fertigprodukte seien in vielen Vierteln besser verfügbar als frische, unverarbeitete Lebensmittel. Die gesundheitlichen Folgen träfen daher vor allem jene, die sich gesunde Ernährung am wenigsten leisten können.

Die Klage führt aus, dass durch Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden enorme Kosten im kommunalen Gesundheitssektor entstehen. Für die Stadtverwaltung ist dies ein zentrales Argument, um die Hersteller zur Verantwortung zu ziehen und eine finanzielle Beteiligung an den Folgeschäden einzufordern.

Widerstand aus der Industrie – und die Frage nach wissenschaftlicher Einordnung

Lebensmittelkonzerne selbst weisen die Vorwürfe zurück. Branchenvertreter betonen, dass es keine einheitlich definierte, wissenschaftlich verbindliche Kategorie «ultrahochverarbeiteter Lebensmittel» gebe. Konsummuster, Lebensstil und generelle Ernährungsgewohnheiten seien ebenso relevant wie die Verarbeitungstiefe einzelner Produkte.

Hersteller argumentieren, dass eine pauschale Einstufung ganzer Produktgruppen als gesundheitsschädlich den Blick auf ausgewogene Ernährung verzerren könne. Zudem sei unklar, ob eine juristische Verknüpfung zwischen Produktgestaltung und individueller Gesundheit kausal belastbar sei.

Signalwirkung über San Francisco hinaus

Ungeachtet der Gegenargumente hat die Klage das Potenzial, weit über Kalifornien hinaus auszustrahlen. Sollten die Gerichte zugunsten der Stadt urteilen, könnte dies regulatorische Veränderungen auslösen – beispielsweise Einschränkungen bei Werbung, Reformulierungen von Rezepturen oder verpflichtende Warnhinweise bei bestimmten Produktgruppen.

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Auch andere Städte oder Bundesstaaten könnten dem Beispiel folgen und eigene Klagen prüfen. Für Kommunen mit hohen Gesundheitskosten bietet das Verfahren ein mögliches Instrument, finanzielle Lasten teilweise auf die Industrie zu übertragen.

Ein möglicher Wendepunkt in der Ernährungspolitik

Die Klage aus San Francisco stellt eine grundlegende Frage: Welche Verantwortung tragen Unternehmen, wenn ihre Produkte zwar legal, aber gesundheitlich fragwürdig sind? Und wie weit darf ein demokratischer Staat gehen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen, ohne persönlichkeitsrechtliche Freiheiten und Marktmechanismen zu stark zu beschneiden?

Die Debatte berührt auch kulturelle Aspekte: Ernährung ist nicht nur Konsum, sondern Teil gesellschaftlicher Identität — und zugleich ein milliardenschweres Geschäftsfeld. Der Konflikt zwischen öffentlichem Interesse und wirtschaftlichen Interessen dürfte daher in den kommenden Monaten an Schärfe gewinnen.

Perspektiven für das, was kommen könnte

Die Klage eröffnet eine neue Phase der Auseinandersetzung um ultrahochverarbeitete Lebensmittel. Sie zwingt Politik, Wissenschaft und Industrie, das Thema Ernährungssicherheit neu zu denken. Ob San Francisco am Ende Recht erhält, ist offen — doch bereits jetzt formt das Verfahren ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, wie stark Lebensmittelindustrie und Gesundheit miteinander verflochten sind.

Für viele Beobachter ist klar: Dieses Verfahren könnte erst der Anfang sein. Eine Stadt hat den ersten Schritt getan – und damit ein Thema auf die große politische Bühne gehoben, das lange im Alltag verborgen blieb.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.