Auto gerät außer Kontrolle Gießener Innenstadt: Autofahrer fährt in Gegenverkehr – vier Verletzte, kein Terrorverdacht

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Dezember 26, 2025

Gießen, 23. Dezember 2025 – Es ist kurz vor dem Abend, als sich die Geräuschkulisse der Innenstadt schlagartig verändert. Wo eben noch vorweihnachtliche Betriebsamkeit herrscht, durchbrechen plötzlich quietschende Reifen, splitterndes Glas und panische Rufe die Szenerie. Ein Auto gerät in der Gießener Innenstadt in den Gegenverkehr, kollidiert mit mehreren Fahrzeugen und endet in einer Kette von Zusammenstößen, die vier Menschen verletzt zurücklässt.

Was zunächst wie ein gezielter Angriff wirken könnte, entpuppt sich nach ersten Ermittlungen als tragischer Verkehrsvorfall mit möglicherweise gesundheitlichem Hintergrund. Polizei und Staatsanwaltschaft schließen nach aktuellem Stand einen terroristischen oder politisch motivierten Hintergrund aus. Dennoch bleibt der Vorfall ein Schock für die Stadt – und wirft Fragen auf, die über diesen Nachmittag hinausreichen.

Ein plötzlicher Kontrollverlust im Herzen der Stadt

Nach Angaben der Polizei ereignete sich der Unfall gegen 16:30 Uhr auf einer zentralen Verkehrsachse der Gießener Innenstadt. Ein 32-jähriger Autofahrer, der nach Behördenangaben in Gießen lebt, war zunächst stadteinwärts unterwegs. Aus bislang ungeklärter Ursache geriet sein Wagen plötzlich auf die Gegenfahrbahn.

Dort kam es zu einer ersten Kollision mit entgegenkommenden Fahrzeugen. Die Wucht der Zusammenstöße setzte eine Kettenreaktion in Gang: Mindestens zwei Fahrzeuge wurden beschädigt, eines davon wurde durch den Aufprall weitergeschleudert. Schließlich erfasste dieses Auto eine nahegelegene Bushaltestelle, an der mehrere Menschen warteten.

Vier Personen wurden bei dem Geschehen verletzt. Eine 64-jährige Frau erlitt schwere Verletzungen und musste umgehend medizinisch versorgt werden. Drei weitere Menschen trugen leichtere Verletzungen davon. Rettungskräfte brachten alle Verletzten in umliegende Krankenhäuser.

Der Bereich rund um die Unfallstelle verwandelte sich binnen Minuten in einen Einsatzort mit Blaulicht, Rettungswagen und abgesperrten Straßenzügen. Für viele Passanten kam die Eskalation völlig unerwartet.

Augenzeugen berichten von Chaos und Hilfsbereitschaft

Mehrere Augenzeugen schilderten der Polizei eine Szene großer Unruhe. Menschen seien aufgeschreckt zur Seite gesprungen, einige hätten zunächst nicht verstanden, was geschehen war. Andere reagierten instinktiv und eilten den Verletzten zu Hilfe, noch bevor Rettungskräfte eintrafen.

Ein 29 Jahre alter Mann spielte in diesen Minuten eine entscheidende Rolle: Nachdem der Fahrer nach der ersten Unfallserie weitergefahren war und ein weiteres geparktes Fahrzeug gerammt hatte, gelang es dem Zeugen, den 32-Jährigen bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Die Beamten nahmen den Mann kurz darauf vorläufig fest.

Polizei und Staatsanwaltschaft würdigten das besonnene Eingreifen des Zeugen. Ohne dessen Handeln, so hieß es aus Ermittlerkreisen, hätte sich die Situation möglicherweise weiter zuspitzen können.

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Schnelle Ermittlungen, klare erste Einschätzung

Bereits wenige Stunden nach dem Vorfall machten Polizei und Staatsanwaltschaft deutlich, dass sie keinen Hinweis auf einen terroristischen Hintergrund sehen. Auch das Hessische Landeskriminalamt wurde frühzeitig in die Ermittlungen eingebunden, um mögliche Gefahrenlagen auszuschließen.

Hessens Innenminister Roman Poseck erklärte, nach dem bisherigen Erkenntnisstand spreche nichts für eine politisch motivierte Tat. Diese Einschätzung stütze sich auf die bisherigen Ermittlungen, Zeugenaussagen und das Verhalten des Fahrers nach dem Unfall.

Für die Behörden war diese frühe Einordnung auch deshalb wichtig, weil ähnliche Vorfälle in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit immer wieder mit gezielten Angriffen in Verbindung gebracht wurden. In Gießen jedoch deuten die Spuren in eine andere Richtung.

Psychischer Zustand des Fahrers rückt in den Fokus

Im Zentrum der weiteren Ermittlungen steht nun der gesundheitliche Zustand des 32-jährigen Fahrers. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft machte der Mann nach seiner Festnahme lediglich wirre und zusammenhangslose Angaben. Ein geordneter Gesprächsverlauf sei zunächst nicht möglich gewesen.

Diese Beobachtungen führten dazu, dass die Ermittler eine mögliche psychische Erkrankung in Betracht ziehen. Ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten wurde in Auftrag gegeben, um zu klären, ob der Mann zum Tatzeitpunkt unter einer akuten psychischen Störung litt.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des versuchten Mordes sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung. Diese rechtliche Einordnung berücksichtigt zunächst den objektiven Tatablauf – unabhängig davon, wie die Schuldfähigkeit des Beschuldigten letztlich bewertet wird.

Ein Haftrichter soll darüber entscheiden, ob der Mann in Untersuchungshaft bleibt oder in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird.

Spurensicherung in der Gießener Innenstadt

Der Unfallort blieb über mehrere Stunden abgesperrt. Spezialisten des Landeskriminalamts sicherten Spuren, dokumentierten Fahrzeugpositionen und untersuchten die beschädigten Autos. Unfallgutachter analysierten zudem den technischen Zustand des Fahrzeugs und die Fahrdynamik.

Auch digitale Spuren spielen eine Rolle: Die Polizei wertet mögliche Videoaufnahmen aus umliegenden Geschäften, Verkehrskameras und privaten Mobiltelefonen aus. Zeugen wurden gebeten, Bild- oder Videomaterial zur Verfügung zu stellen, um den genauen Ablauf des Geschehens rekonstruieren zu können.

Ziel der Ermittlungen ist es, minutengenau nachzuvollziehen, wie es zu dem Kontrollverlust kam – und ob technische Defekte, medizinische Ursachen oder andere Faktoren eine Rolle spielten.

Zwischen Weihnachtsmarkt und Ausnahmezustand

Unweit des Unfallorts befand sich zum Zeitpunkt des Geschehens ein gut besuchter Weihnachtsmarkt. Viele Besucher bekamen von dem Vorfall zunächst nichts mit, andere hörten Sirenen oder sahen Einsatzfahrzeuge und fragten sich, was geschehen war.

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Der Weihnachtsmarkt blieb geöffnet, doch die Stimmung veränderte sich spürbar. Händler berichteten von verunsicherten Gesprächen, Besucher zeigten sich betroffen und äußerten ihr Mitgefühl für die Verletzten. Für manche wurde der Kontrast zwischen Lichtern, Musik und dem Geschehen wenige Straßen weiter besonders deutlich.

Die Stadtverwaltung betonte, dass keine akute Gefahr für die Bevölkerung bestanden habe. Dennoch blieb der Schock über den Vorfall präsent – gerade angesichts der belebten Innenstadt kurz vor den Feiertagen.

Juristische Bewertung bleibt offen

Wie der Fall juristisch weiter eingeordnet wird, hängt maßgeblich von den Ergebnissen der medizinischen und psychiatrischen Untersuchungen ab. Sollte sich eine schwere psychische Erkrankung bestätigen, könnte dies Auswirkungen auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrers haben.

Gleichzeitig betonen die Ermittler, dass die Aufklärung unabhängig davon mit derselben Sorgfalt betrieben wird. Jede Spur, jede Zeugenaussage und jedes Gutachten fließt in die Gesamtbewertung ein.

Für die Betroffenen und ihre Angehörigen steht derweil weniger die rechtliche Dimension im Vordergrund als die Frage nach Genesung und Verarbeitung des Erlebten. Besonders die schwer verletzte Frau wird weiterhin intensiv medizinisch betreut.

Eine Stadt zwischen Erleichterung und Nachdenklichkeit

In Gießen überwiegt nach dem ersten Schock eine Mischung aus Erleichterung und Nachdenklichkeit. Erleichterung darüber, dass es keine Todesopfer gab und keine Hinweise auf einen gezielten Anschlag vorliegen. Nachdenklichkeit darüber, wie schnell ein alltäglicher Moment in einer belebten Innenstadt in eine Ausnahmesituation kippen kann.

Der Vorfall macht deutlich, wie verletzlich öffentliche Räume sind – nicht nur durch vorsätzliche Taten, sondern auch durch individuelle Krisen und unvorhersehbare Entwicklungen. Polizei und Stadt kündigten an, die Erkenntnisse aus den Ermittlungen sorgfältig auszuwerten.

Während die Ermittlungen weiterlaufen, kehrt der Alltag langsam zurück. Doch die Erinnerung an diesen Nachmittag wird bleiben – als Mahnung, wie schmal der Grat zwischen Normalität und Chaos sein kann, mitten im Herzen einer Stadt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.