
Dresden, November 2025. Es ist ein Moment, in dem selbst erfahrene Hebammen innehalten. Im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden wird eine Geburt begleitet, die statistisch kaum fassbar ist und medizinisch höchste Konzentration verlangt. Drei Neugeborene, genetisch vollkommen identisch, kommen innerhalb weniger Minuten zur Welt – ein Ereignis, das selbst in spezialisierten Perinatalzentren Seltenheitswert hat.
Am Uniklinikum Dresden hat eine Frau eineiige Drillinge geboren. Die drei Jungen sind genetisch identisch und stammen aus einer einzigen befruchteten Eizelle. Solche Geburten gelten als extreme Rarität: Medizinische Schätzungen gehen davon aus, dass eineiige Drillinge weltweit nur bei etwa einer von mehreren Hunderttausend Schwangerschaften auftreten. Für die Geburtshilfe ist jeder einzelne dieser Fälle eine besondere Herausforderung – medizinisch wie organisatorisch.
Eineiige Drillinge: Wenn sich eine Eizelle dreifach teilt
Im Unterschied zu den häufiger vorkommenden Drillingsschwangerschaften, bei denen mehrere Eizellen gleichzeitig befruchtet werden, entstehen eineiige Drillinge durch eine außergewöhnliche biologische Entwicklung. Eine einzelne befruchtete Eizelle teilt sich zunächst in zwei Zellkerne und spaltet sich anschließend ein weiteres Mal. Das Ergebnis: drei Embryonen mit identischem Erbgut.
Diese Form der Mehrlingsschwangerschaft gilt als medizinisch besonders anspruchsvoll. Die Risiken für Frühgeburtlichkeit, Wachstumsverzögerungen und Schwangerschaftskomplikationen sind deutlich erhöht. Entsprechend engmaschig wurde die Schwangerschaft in Dresden überwacht – von der pränatalen Diagnostik bis zur Geburtsplanung.
Geplanter Kaiserschnitt unter Hochsicherheitsbedingungen
Die Geburt erfolgte in der 31. Schwangerschaftswoche per geplantem Kaiserschnitt. An dem Eingriff waren rund 20 Fachkräfte beteiligt: Geburtsmediziner, Hebammen, Anästhesisten sowie Neonatologen arbeiteten Hand in Hand. Der Eingriff fand in unmittelbarer Nähe zur Kinderintensivstation statt – eine Vorsichtsmaßnahme, die bei extremen Frühgeburten Standard ist.
Die Entscheidung für den Kaiserschnitt fiel bewusst. Bei eineiigen Drillingen ist das Risiko für Komplikationen während einer natürlichen Geburt besonders hoch. Ziel war es, den Kindern einen möglichst kontrollierten Start ins Leben zu ermöglichen und unmittelbar nach der Geburt medizinisch versorgen zu können.
Frühstart ins Leben: Intensive Betreuung auf der Neonatologie
Die drei Jungen, die die Eltern Levi, Hardy und Bernie genannt haben, wogen bei der Geburt jeweils unter einem Kilogramm. Damit galten sie als sehr früh geborene Kinder. In den ersten Tagen und Wochen wurden sie intensivmedizinisch betreut, zunächst in Inkubatoren, später auf der spezialisierten Frühgeborenenstation.
Nach Angaben des Behandlungsteams entwickelten sich die Drillinge stabil. Sie konnten vergleichsweise früh selbstständig atmen und wurden schrittweise an die Nahrungsaufnahme mit Muttermilch herangeführt. Inzwischen haben alle drei Jungen ein Gewicht von mehr als 2.200 Gramm erreicht – ein entscheidender Meilenstein in der Versorgung von Frühgeborenen.
Der Leiter der Neonatologie am Uniklinikum Dresden, Prof. Mario Rüdiger, betonte, dass gerade bei Mehrlingsgeburten dieser Art eine spezialisierte medizinische Infrastruktur entscheidend sei. Die Kombination aus moderner Technik, erfahrenem Personal und eingespielten Abläufen sei Voraussetzung dafür, dass Frühgeborene mit so geringem Geburtsgewicht gute Entwicklungschancen hätten.
Risiken, Verantwortung und medizinische Präzision
Bereits während der Schwangerschaft war klar, dass besondere Vorsicht geboten sein würde. Eineiige Drillingsschwangerschaften gehen mit einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten, Frühgeburten und fetale Komplikationen einher. Nach medizinischen Erfahrungswerten liegt allein das Risiko eines Schwangerschaftsverlusts bei etwa zehn Prozent.
Oberarzt Dr. Matej Komár, der die pränatale Betreuung verantwortete, machte deutlich, wie wichtig die frühzeitige Diagnostik und engmaschige Kontrolle gewesen seien. Regelmäßige Untersuchungen, genaue Wachstumsbeobachtungen und eine präzise Geburtsplanung hätten dazu beigetragen, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
Ein seltener Fall – auch für das Uniklinikum Dresden
Nach Angaben des Universitätsklinikums handelt es sich um den ersten dokumentierten Fall eineiiger Drillinge in Dresden seit rund 35 Jahren. Selbst in großen Perinatalzentren mit mehreren tausend Geburten pro Jahr bleiben solche Ereignisse Ausnahmefälle. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit innerhalb des Hauses – nicht aus Sensationslust, sondern aus fachlichem Respekt vor der medizinischen Besonderheit.
Für das beteiligte Personal ist eine solche Geburt nicht nur Routinearbeit auf hohem Niveau, sondern auch ein Moment, der in Erinnerung bleibt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Geburtshilfe, Neonatologie und Pflege gilt als entscheidender Faktor für den positiven Verlauf.
Ein neues Familienkapitel im Osterzgebirge
Für die Eltern Synthia und Markus beginnt nach Wochen im Krankenhaus nun ein neuer Alltag. Die Familie lebt in Dippoldiswalde im Osterzgebirge, wo bereits zwei ältere Geschwister auf die Neugeborenen warten. Mit fünf Kindern verändert sich das Leben grundlegend – organisatorisch, emotional und finanziell.
Gleichzeitig ist die Freude über den guten Gesundheitszustand der Drillinge groß. Nach der Entlassung aus der Klinik stehen regelmäßige Kontrolltermine an, wie sie für frühgeborene Kinder üblich sind. Langfristig gelten die Entwicklungschancen der Jungen als gut, sofern keine unerwarteten Komplikationen auftreten.
Ein medizinischer Ausnahmefall mit nachhaltiger Wirkung
Die Geburt eineiiger Drillinge am Uniklinikum Dresden ist mehr als eine statistische Besonderheit. Sie zeigt, wie leistungsfähig moderne Geburtshilfe und Neonatologie heute sein können – vorausgesetzt, sie sind gut ausgestattet und interdisziplinär organisiert. Für die beteiligten Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte bleibt dieser Fall ein Beispiel dafür, wie Präzision, Erfahrung und Teamarbeit zusammenwirken.
Und für die Familie markiert er den Beginn eines außergewöhnlichen Lebensabschnitts. Drei Kinder, die sich genetisch gleichen wie ein Spiegelbild, wachsen nun gemeinsam auf – verbunden durch eine Entstehungsgeschichte, die selbst im medizinischen Alltag nur selten erzählt wird.