Maßnahmenpaket Friedrichshafen: IG Metall-Mitglieder befürworten Sparkurs bei ZF

In Wirtschaft
Oktober 16, 2025

Friedrichshafen. Der Automobilzulieferer ZF steht vor einem tiefgreifenden Wandel: Die Belegschaft der Antriebssparte „Division E“ hat mit großer Mehrheit einem Sparkurs zugestimmt. Rund 91 Prozent der IG Metall-Mitglieder unterstützen das Maßnahmenpaket, das den Standort sichern, aber auch Tausende Arbeitsplätze kosten wird. Die Entscheidung spiegelt den Spagat zwischen Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit wider – ein Balanceakt, der die Zukunft des traditionsreichen Unternehmens prägen wird.

Ein starkes Votum: 91 Prozent Zustimmung zum Sparkurs

Mit der Abstimmung hat die Belegschaft von ZF Friedrichshafen ein deutliches Zeichen gesetzt. Rund 91 Prozent der IG Metall-Mitglieder votierten für den Sparkurs, der im Rahmen eines „Bündnisses für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung“ beschlossen wurde. Dieses Bündnis, ausgehandelt zwischen Management, Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaft, soll bis 2027 Einsparungen von über 500 Millionen Euro ermöglichen. Ziel ist es, die Zukunftsfähigkeit der Antriebssparte zu sichern – einer der größten Bereiche des Unternehmens, in dem weltweit rund 30.000 Menschen beschäftigt sind, davon etwa zwei Drittel in Deutschland.

Das Votum ist bemerkenswert, da es trotz erheblicher Einschnitte eine klare Zustimmung der Belegschaft findet. IG Metall und Betriebsrat präsentierten die Vereinbarung als „sozialverträglichen Weg zur Restrukturierung“. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, während freiwillige Abfindungsprogramme und Altersteilzeitlösungen greifen. In den kommenden zwei Jahren sollen etwa 2.200 Stellen abgebaut werden, bis 2030 insgesamt rund 7.600.

Was bedeutet der Sparkurs für die Beschäftigten?

Viele Beschäftigte stellen sich die Frage, wie konkret der Sparkurs ihren Arbeitsalltag verändern wird. Die Vereinbarung sieht mehrere Anpassungen vor, die sowohl den Lohn als auch die Arbeitszeit betreffen. So wird die wöchentliche Arbeitszeit um rund sieben Prozent reduziert – das entspricht einer Verkürzung auf etwa 32,5 Stunden pro Woche. Außerdem wird die nächste tarifliche Gehaltserhöhung, ursprünglich für April 2026 vorgesehen, auf Oktober desselben Jahres verschoben.

Sozialverträgliche Lösungen im Vordergrund

Statt betriebsbedingter Kündigungen setzt ZF auf Freiwilligkeit. Neben Abfindungen werden Modelle für Vorruhestand und Altersteilzeit angeboten. Besonders betont das Unternehmen, dass keine Werksschließungen an den großen Standorten – etwa in Friedrichshafen, Schweinfurt oder Saarbrücken – geplant seien. Damit will ZF Stabilität und Vertrauen schaffen, während gleichzeitig Strukturen gestrafft und Prozesse effizienter gestaltet werden.

Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick

MaßnahmeDetails
Einsparziel500 Mio. Euro bis 2027
Arbeitsplatzabbau7.600 Stellen bis 2030
ArbeitszeitReduktion um ca. 7 %
LohnerhöhungVerschiebung von April auf Oktober 2026
Verkauf der Spartenicht geplant – Division E bleibt Teil des Konzerns

IG Metall und Betriebsrat: Kooperation statt Konfrontation

Die Gewerkschaft IG Metall war von Anfang an eng in die Gespräche eingebunden. Ihr Ziel: den drohenden Verkauf oder die Ausgliederung der Division E zu verhindern. Stattdessen entstand ein Restrukturierungsplan, der den Standort Deutschland stärken und ZF langfristig wettbewerbsfähig halten soll. „Das Bündnis zeigt, dass soziale Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft zusammengehen können“, betonte ein Vertreter des Gesamtbetriebsrats nach der Abstimmung.

Auch die Unternehmensleitung lobte die Einigung als „wegweisendes Beispiel für partnerschaftliche Restrukturierung“. Laut ZF gehe es nicht darum, kurzfristig Gewinne zu maximieren, sondern die Antriebssparte zukunftsfähig zu machen – vor allem durch Investitionen in Technologien rund um Elektrifizierung und Thermomanagementsysteme.

Technologischer Wandel als Herausforderung

Der Sparkurs steht im direkten Zusammenhang mit der Transformation der Automobilindustrie. Die ZF-Division E, zuständig für elektrische Antriebstechnologien, befindet sich in einem Umfeld rasanter technologischer Veränderungen. Während das Unternehmen an Innovationen wie dem neuen „TherMaS“-System und modernen Hybridgetrieben (z. B. 8HP evo) arbeitet, werden weniger rentable Produktbereiche wie klassische DC-Wandler oder elektrische Achsen zurückgefahren.

Marktumfeld unter Druck

Die Konkurrenz durch asiatische Zulieferer und neue E-Mobility-Startups zwingt etablierte Konzerne wie ZF zu tiefgreifenden Umstrukturierungen. Hinzu kommen steigende Energiekosten, hohe Investitionen in Forschung sowie eine nachlassende Nachfrage bei traditionellen Verbrennerkomponenten. Vor diesem Hintergrund sehen viele Experten den Sparkurs als notwendige Reaktion, um langfristig Arbeitsplätze zu sichern – auch wenn er kurzfristig schmerzhaft ist.

Wie repräsentativ ist das IG-Metall-Votum?

91 Prozent Zustimmung klingt eindeutig – doch was sagt dieses Ergebnis tatsächlich aus? Die Befragung wurde unter IG Metall-Mitgliedern durchgeführt, also nicht unter der gesamten Belegschaft. Dennoch gilt das Resultat als starkes Signal, denn die Gewerkschaft repräsentiert einen Großteil der Beschäftigten in den deutschen Werken. In Schweinfurt etwa lag die Zustimmung sogar bei 92 Prozent. Diese Geschlossenheit verschafft dem Verhandlungsergebnis eine breite Legitimation und unterstreicht die Solidarität in der Belegschaft.

Rückblick: Wie kam es zum Sparkurs?

Die Antriebssparte von ZF kämpft seit Jahren mit sinkenden Margen. Ursprünglich war sogar ein Verkauf an den taiwanischen Technologiekonzern Foxconn im Gespräch. Dokumente belegen, dass Foxconn ein Angebot in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro abgegeben hatte. Doch die Verhandlungen scheiterten – unter anderem an den hohen Schulden und Pensionsverpflichtungen innerhalb der Sparte. ZF entschied sich daraufhin, die Division im eigenen Haus zu restrukturieren, statt sie zu veräußern. Dieses Bekenntnis wurde von der IG Metall als Erfolg gewertet.

Internationale Perspektive

Während sich die europäischen Standorte mit Stellenabbau und Arbeitszeitverkürzung befassen, wird in anderen Regionen weiter expandiert. In Asien baut ZF Produktionskapazitäten für neue elektrische Antriebssysteme auf. Das Unternehmen will so die Balance zwischen Effizienz in Europa und Wachstum in Zukunftsmärkten wahren.

Stimmen aus den sozialen Medien

Auch in Foren und sozialen Netzwerken wird der Sparkurs lebhaft diskutiert. Auf Reddit und LinkedIn äußern sich sowohl Beschäftigte als auch Branchenbeobachter. Viele bewerten die Zustimmung der IG Metall-Mitglieder als „pragmatisch, aber notwendig“. Einige User verweisen darauf, dass die Division E in einer Nische der Elektromobilität tätig sei – bei schweren Nutzfahrzeugen, einem Segment mit begrenztem Wachstumspotenzial. Andere sehen den Plan als Beispiel dafür, wie Industrieunternehmen versuchen, „Transformation sozial abzufedern, ohne den Anschluss an den Markt zu verlieren“.

ZF selbst spricht auf LinkedIn von einem „restructuring with purpose“. Man wolle „Klarheit und Wettbewerbsfähigkeit“ schaffen, ohne soziale Verantwortung aufzugeben. Die Kommunikation des Unternehmens wirkt bewusst optimistisch – ein Signal an Investoren, aber auch an die eigenen Mitarbeitenden.

Kritik und Sorgen bleiben

Trotz der Zustimmung gibt es auch kritische Stimmen. Vertreter unabhängiger Arbeitnehmergruppen warnen, dass der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen rechtlich nicht garantiert sei. Zudem befürchten sie, dass die Einsparungen letztlich überwiegend von den Beschäftigten getragen werden – durch Arbeitszeitverkürzung, geringere Lohnentwicklung und zusätzlichen Leistungsdruck. „Der Sparkurs mag sozialverträglich verpackt sein, aber er bleibt ein Sparkurs“, so ein IG Metall-Mitglied aus Saarbrücken in einem internen Forum.

Branchenweiter Strukturwandel

Die Lage bei ZF steht exemplarisch für die gesamte deutsche Automobilindustrie. Nach Angaben aus Branchenforen wurden in den vergangenen zwölf Monaten über 50.000 Stellen in der Autoindustrie gestrichen oder umgewandelt. Haupttreiber sind die Elektrifizierung, sinkende Nachfrage nach klassischen Getrieben und der globale Preiswettbewerb. Unternehmen wie Bosch, Continental oder Mahle kämpfen mit ähnlichen Herausforderungen – und reagieren mit ähnlichen Restrukturierungen.

Langfristige Ziele: Stabilität und Innovation

ZF betont, dass die Einsparungen nicht nur kurzfristig finanzielle Entlastung bringen sollen, sondern Freiräume für Investitionen in neue Technologien schaffen. Besonders im Fokus stehen dabei Komponenten für elektrische Antriebe, intelligente Steuerungssysteme und Thermomanagementlösungen. Durch die Bündelung dieser Kompetenzen in der Division E soll ein strategischer Kernbereich entstehen, der ZF auf den Wandel der Mobilität vorbereitet.

Die Perspektive bis 2030

Bis 2030 will ZF die Umstrukturierung vollständig abgeschlossen haben. Der Arbeitsplatzabbau soll sozialverträglich erfolgen, gleichzeitig sollen neue Rollen in der Entwicklung und Fertigung moderner E-Antriebe entstehen. Damit könnten langfristig neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen – wenn auch in geringerer Zahl. Die Belegschaft steht damit vor einer doppelten Herausforderung: Abschied von alten Strukturen und Aufbau neuer Kompetenzen.

Ein Signal der Geschlossenheit – und der Realität

Die Entscheidung der IG Metall-Mitglieder für den Sparkurs zeigt, dass große Teile der Belegschaft die Notwendigkeit des Wandels erkannt haben. Trotz Schmerzpunkten wie Arbeitszeitverkürzung und Stellenabbau ist die Zustimmung Ausdruck von Verantwortung und Weitblick. In einer Branche, die von technologischem und wirtschaftlichem Druck geprägt ist, gilt ZFs Weg als Beispiel für eine kooperative, sozial flankierte Transformation. Wie erfolgreich dieser Kurs langfristig sein wird, hängt nicht nur von Einsparungen ab – sondern davon, ob Innovation, Vertrauen und Zusammenhalt den Wandel tragen können.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.