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West-Nil-Virus breitet sich aus: Experten warnen vor steigender Gefahr in Europa

In Aktuelles
August 09, 2025

Das West-Nil-Virus (WNV) steht in diesem Sommer 2025 erneut im Fokus der Gesundheitsbehörden. In mehreren europäischen Ländern steigen die Fallzahlen, und Fachleute warnen vor einer verlängerten Mückensaison durch den Klimawandel. Auch Deutschland registriert erste Infektionen und bereitet sich auf einen möglichen Anstieg im Spätsommer vor.

Aktuelle Lage in Europa und Deutschland

Die jüngsten Zahlen des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigen, dass das West-Nil-Virus in diesem Jahr in zahlreichen Ländern Europas nachgewiesen wurde. Besonders betroffen sind Italien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Spanien und Frankreich. Italien meldete bis Ende Juli 89 bestätigte humane Fälle und mindestens acht Todesfälle. In Griechenland registrierte der nationale Gesundheitsdienst 17 lokal erworbene Infektionen, von denen die Mehrheit einen schweren, neuroinvasiven Verlauf nahm.

In Deutschland wurden im bisherigen Jahresverlauf ein bestätigter humaner Fall gemeldet. Die Erfahrung aus den letzten Jahren zeigt jedoch, dass die Fallzahlen hierzulande meist im Spätsommer deutlich steigen. Besonders in Ostdeutschland traten seit 2019 immer wieder autochthone Infektionen auf. Auch in der Tiergesundheit wurden bereits mehrfach Nachweise erbracht, vor allem bei Vögeln und Pferden.

Übertragungswege und Risikofaktoren

Das West-Nil-Virus wird primär durch Mücken der Gattung Culex übertragen. In Europa gilt Culex pipiens als der wichtigste Vektor. Die Übertragung erfolgt in der Regel zwischen Vögeln und Mücken, Menschen und andere Säugetiere wie Pferde sind sogenannte „tote Endwirte“ – sie können das Virus nicht weiterverbreiten.

Der Klimawandel trägt erheblich zur Ausbreitung bei. Wärmere Temperaturen, längere Sommer und mildere Winter führen zu einer verlängerten Aktivität der Mücken und einer Ausweitung ihrer Lebensräume. Studien prognostizieren, dass sich das Risiko in bestimmten Regionen Europas bis zur Mitte des Jahrhunderts vervielfachen könnte.

Klinisches Bild und Krankheitsverlauf

Rund 80 Prozent aller Infektionen verlaufen ohne Symptome. Etwa 20 Prozent der Betroffenen entwickeln grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder Hautausschlag. Schwere, sogenannte neuroinvasive Verläufe – etwa eine Hirnentzündung (Enzephalitis) oder Hirnhautentzündung (Meningitis) – treten bei rund 1 von 150 Infizierten auf und können tödlich enden.

Ab wann nach einem Mückenstich zeigen sich Symptome? Die Inkubationszeit liegt typischerweise zwischen drei und 14 Tagen. Die meisten Betroffenen wissen daher nicht sofort, ob sie sich infiziert haben.

Ein weiteres Thema ist die mögliche Langzeitbelastung. Einige Patienten berichten von anhaltender Erschöpfung, Muskelschwäche oder kognitiven Einschränkungen noch Monate nach der akuten Erkrankung.

Früherkennung durch Tiergesundheit

In Deutschland spielen Vogel- und Pferdepopulationen eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von WNV-Ausbrüchen. Das Friedrich-Loeffler-Institut überwacht regelmäßig Wild- und Zoovögel. Auch Pferde werden bei neurologischen Symptomen auf das Virus getestet. In der Vergangenheit zeigten positive Befunde bei Tieren oft, dass das Virus in der Region zirkulierte, noch bevor beim Menschen Fälle auftraten.

Pferde können gegen das West-Nil-Virus geimpft werden. Diese Impfung verhindert nicht nur Erkrankungen, sondern reduziert auch die Viruslast im Blut, wodurch das Risiko einer weiteren Verbreitung über Mücken verringert wird. In Pferdehalter-Foren wird regelmäßig über den besten Zeitpunkt für die Impfung diskutiert, oft in Verbindung mit den Kosten, die pro Jahr bei etwa 400 Euro liegen.

Öffentliche Prävention und Empfehlungen

Gesundheitsbehörden empfehlen der Bevölkerung bewährte Maßnahmen, um Mückenstiche zu vermeiden:

  • Verwendung von Insektenschutzmitteln (Repellents mit DEET oder Icaridin)
  • Tragen von langer, heller Kleidung in Mückenzeiten
  • Anbringen von Insektenschutzgittern an Fenstern und Türen
  • Regelmäßiges Entleeren von Wasseransammlungen in Gießkannen, Vogeltränken und Blumentopfuntersetzern

Österreich und die Schweiz raten ebenfalls zu diesen Maßnahmen. In einigen Gemeinden kommen auch gezielte Mückenbekämpfungsprogramme zum Einsatz, darunter Sprühaktionen mit Adultiziden. Diese sind jedoch nicht unumstritten, da Umweltschützer mögliche Nebenwirkungen auf Bestäuber wie Bienen befürchten.

Blutspende und Patientensicherheit

Wie groß ist das Risiko, beim Blutspenden das West-Nil-Virus zu übertragen? In Deutschland ist das Risiko sehr gering, da Blutspenden aus Risikogebieten nur nach einem 28-tägigen Rückstellungszeitraum entnommen oder gezielt auf WNV getestet werden. Die Screening-Methoden, insbesondere NAT-Tests, haben sich in den letzten Jahren als zuverlässig erwiesen.

Das Paul-Ehrlich-Institut und das Robert Koch-Institut arbeiten eng zusammen, um die Sicherheit der Blutversorgung zu gewährleisten. Verdachtsfälle werden sofort gemeldet und untersucht.

Citizen Science und digitale Frühwarnsysteme

Ein zunehmend wichtiger Baustein in der Überwachung ist die Beteiligung der Bevölkerung. Projekte wie „Mosquito Alert“ ermöglichen es Bürgerinnen und Bürgern, Mückenfunde und Brutstätten über eine App zu melden. Diese Daten helfen Wissenschaftlern, das Vorkommen und die Verbreitung von Vektoren in Echtzeit zu erfassen und mögliche Ausbruchsgebiete frühzeitig zu erkennen.

Solche Plattformen bieten nicht nur wertvolle Informationen für die Wissenschaft, sondern sensibilisieren auch die Bevölkerung für das Thema und fördern Präventionsmaßnahmen.

Internationale Perspektive

Ein Blick in die USA zeigt, wie dynamisch sich die Lage entwickeln kann: Dort wurden in dieser Saison bereits über 140 humane Fälle aus 26 Bundesstaaten gemeldet. In einigen Regionen warnen Gesundheitsämter die Bevölkerung täglich und veröffentlichen Karten mit den neuesten Nachweisen.

Kann man sich mehrmals mit dem West-Nil-Virus infizieren? Nach heutigem Stand der Wissenschaft entwickelt der Mensch nach einer Infektion eine lebenslange Immunität – unabhängig davon, ob Symptome aufgetreten sind oder nicht.

Forschung und Zukunftsaussichten

Aktuelle Studien untersuchen den Einfluss des Klimawandels auf die Ausbreitung des Virus. Ein besonders warmer Frühling oder ein Sommer mit vielen „Tropennächten“ kann die Mückendichte und damit das Infektionsrisiko deutlich erhöhen. Modellierungen zeigen, dass WNV in den kommenden Jahrzehnten auch in bisher kaum betroffenen Regionen Europas Fuß fassen könnte.

Darüber hinaus arbeiten Forscher an neuen Methoden zur Mückenbekämpfung, darunter biologische Ansätze, die gezielt Larvenstadien angreifen, ohne andere Insektenarten zu schädigen. Auch Impfstoffe für den Menschen sind in der Entwicklung, befinden sich jedoch noch in der klinischen Testphase.

Fragen aus der Bevölkerung

In den sozialen Medien und Suchmaschinen tauchen immer wieder Fragen auf, die ein hohes Informationsbedürfnis zeigen:

  • Wird das West-Nil-Virus durch Nagetiere übertragen? Nein, ausschließlich Mücken fungieren als Überträger.
  • Was sind langfristige Folgen einer West-Nil-Virus-Infektion? Manche Patienten entwickeln ein post-virales Erschöpfungssyndrom oder langfristige neurologische Beeinträchtigungen.
  • Welche Mückenarten übertragen das Virus? In Europa vor allem Culex pipiens, in anderen Regionen auch verwandte Arten wie Culex tarsalis und Culex quinquefasciatus.

Schlussabsatz

Das West-Nil-Virus ist längst kein exotisches Thema mehr. In Europa hat es sich etabliert, und die Bedingungen für eine weitere Ausbreitung sind durch den Klimawandel günstig wie nie. Prävention, Aufklärung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden, Wissenschaft und Bevölkerung sind entscheidend, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Jeder Einzelne kann durch einfache Maßnahmen wie Mückenschutz und das Vermeiden von Brutplätzen einen Beitrag leisten. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob sich die aktuelle Saison in Europa auf dem Niveau der Vorjahre bewegt – oder ob wir uns auf eine neue Realität mit dauerhaftem Infektionsdruck einstellen müssen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.