Bettensteuer-Vorzeigemodell Karlsruhe: Streit um City Tax wird zum kommunalpolitischen Streitfall

In Karlsruhe
Dezember 01, 2025

Karlsruhe, 1. Dezember 2025 – Die Erwartungen waren hoch, die Versprechen klar: Mit der neuen Übernachtungssteuer wollte Karlsruhe seinen Tourismus stärken und zugleich die städtischen Finanzen stabilisieren. Doch kaum ist das Modell gestartet, wächst der Widerstand – und ein vermeintliches Vorzeigeprojekt wird zunehmend zum Zankapfel.

Als der Gemeinderat im Frühjahr 2025 die Einführung der Bettensteuer beschloss, schien die Stadt ein ausgewogenes Konzept gefunden zu haben. Gäste leisten einen kleinen Beitrag, der direkt in Kultur, Veranstaltungen und touristische Infrastruktur fließen sollte. Diese Idee, in vielen deutschen Städten längst etabliert, wurde in Karlsruhe als transparentes und partnerschaftliches Modell präsentiert – getragen von Kommune, Tourismuswirtschaft und Hotellerie. Doch nur wenige Monate nach Inkrafttreten zeigt sich: Die Realität entfernt sich spürbar von der ursprünglichen Vision.

Vom Konsens zur Kontroverse: Was ursprünglich vereinbart war

Zentraler Baustein des Modells war eine pauschale Abgabe von 3,50 Euro pro Übernachtung ab Juli 2025 – mit stufenweisen Anhebungen bis 2028. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie gemeinnützige Einrichtungen sollten ausgenommen bleiben, parallel war die Einrichtung eines Beirats geplant, der über die Verwendung der Einnahmen entscheiden sollte. Ziel war es, die Bettensteuer zweckgebunden zu verwalten, neue Projekte anzustoßen und bestehende Kulturangebote zu sichern. Für die Branche war entscheidend: Die Steuer sollte dort wirken, wo sie entstehe – im touristischen Umfeld.

Wachsende Kritik der Branche: Die Mittelverwendung sorgt für Konflikte

Doch mit dem Haushaltsbeschluss der Stadt ist dieser Konsens ins Wanken geraten. Statt wie zunächst angekündigt weitgehend zweckgebunden für Tourismus und Kultur eingesetzt zu werden, fließt ein Großteil der prognostizierten 6,2 Millionen Euro pro Jahr nun in den allgemeinen Haushalt. Rund 3,5 Millionen Euro werden vollständig in kommunale Finanzstrukturen integriert, darunter eine Million Euro zur Haushaltssicherung. Für die Hotellerie ist diese Umverteilung ein Bruch mit der politischen Zusage – und ein erheblicher Belastungsfaktor in einem ohnehin angespannten Markt.

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Lediglich 400.000 Euro der jährlichen Einnahmen sollen über den eigens geschaffenen Beirat gesteuert werden. Die übrigen Gelder verteilen sich auf städtische Gesellschaften und kleinere Fördermaßnahmen für Kultur, Medienkunst oder Mobilität. Deutlich wird: Die erhofften zusätzlichen Investitionen in Tourismusmarketing, Besucherinformation oder Infrastruktur bleiben aus. Viele Betriebe fühlen sich damit vor allem als Einnahmequelle betrachtet – nicht jedoch als Partner in einer gemeinsamen Standortstrategie.

Ein Beirat ohne Wirkungskraft?

Der Beirat, ursprünglich als zentrale Instanz für transparente Mittelverwendung gedacht, ist organisatorisch vorhanden – aber weitgehend ohne Einfluss. Die erweiterte Zusammensetzung mit Vertretern aus Kultur, Jugend und Gewerkschaften erhöht zwar die Breite des Gremiums, verändert aber nichts am Budget: Der Handlungsspielraum ist minimal. Aus Sicht vieler Hoteliers schafft das eher Symbolik als Steuerung.

Belastung für die Hotellerie: Wirtschaftlicher Druck wächst

Der Widerstand der Branche speist sich auch aus der wirtschaftlichen Lage. Die Region verfügt inzwischen über eine deutlich höhere Bettenkapazität als vor der Pandemie, hinzu kommen gestiegene Kosten in nahezu allen Bereichen – von Energie über Personal bis zu digitalen Buchungsgebühren. Die Bettensteuer trifft damit ausgerechnet jene Betriebe, die ohnehin unter massivem Wettbewerbsdruck stehen.

Im Markt, der von großen Plattformen dominiert wird und bei dem Preisgestaltung ein wesentlicher Faktor ist, können viele Häuser die Steuer kaum an ihre Gäste weiterreichen. Für kleinere, familiengeführte Hotels bedeutet das faktische Einnahmeverluste. Der Eindruck verfestigt sich, dass die neue Abgabe weniger eine Förderung des Tourismus als vielmehr eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellt.

Finanzpolitischer Zweck contra touristische Realität

Die Übernachtungssteuer wurde in einer Phase eingeführt, in der Karlsruhe vor erheblichen haushaltspolitischen Herausforderungen stand. Die Einnahmen sollten helfen, Kürzungen zu vermeiden, Kulturangebote abzusichern und den Standort langfristig attraktiv zu halten. Doch die nun praktizierte Mittelverwendung lässt Zweifel am Kernanliegen aufkommen: Wird hier wirklich der Tourismus gestärkt – oder dient die Bettensteuer in erster Linie der Haushaltskonsolidierung?

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Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit prägt die aktuelle Debatte. Während die Stadtverwaltung die Abgabe als notwendigen Baustein zur finanziellen Stabilisierung sieht, fühlt sich die Hotellerie in ihrer Rolle missverstanden – und zunehmend allein gelassen.

Kernthemen der Debatte

  • Ein großer Teil der Einnahmen landet im allgemeinen Haushalt und nicht in touristischen Projekten.
  • Der Beirat besitzt nur begrenzten Einfluss auf die tatsächliche Mittelverwendung.
  • Kleinere Betriebe sind wirtschaftlich stärker belastet als größere Häuser.
  • Die erhofften Investitionen in Tourismusförderung sind bislang kaum sichtbar.

Ein Modell verliert seine Strahlkraft

Das Projekt, das einst als Blaupause für andere Städte gelten sollte, wirkt heute eher wie ein Beispiel dafür, wie schnell politische Kompromisse erodieren können. Der Konflikt zwischen Stadt und Hotellerie hat sich verhärtet, das Vertrauen ist brüchig. Dabei war die Bettensteuer bewusst als gemeinsame Lösung entworfen worden – als Instrument, das die touristische Infrastruktur stärkt und zugleich finanzielle Spielräume schafft.

Ob Karlsruhe diesen Anspruch künftig wieder einlösen kann, hängt davon ab, wie die Stadt mit dem wachsenden Druck der Branche umgeht. Eine stärkere Zweckbindung, transparente Prioritäten oder eine Überarbeitung der Beiratsbefugnisse könnten Wege aus der Krise sein. Derzeit jedoch zeigt sich: Das Modell, das als Vorzeigebeispiel gestartet ist, steht auf dem Prüfstand – und seine Zukunft ist offen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.