Wirtschaft unter Druck: Deutsche Unternehmen kämpfen mit steigenden Ausfallraten

In Wirtschaft
Juni 03, 2025
Wirtschaft unter Druck

Berlin, 03.06.2025, 12:22 Uhr

Die wirtschaftliche Lage vieler deutscher Unternehmen hat sich im Verlauf des Jahres 2024 dramatisch verschärft – und ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht. Aktuelle Prognosen deuten darauf hin, dass im Jahr 2025 die Ausfallrate von Unternehmen in Deutschland ein Niveau erreicht, das zuletzt während der Finanzkrise 2008/2009 beobachtet wurde. Während Ratingagenturen und Wirtschaftsinstitute zunehmend Alarm schlagen, gerät die politische Debatte über die richtigen Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft in Bewegung. Der nachfolgende Artikel analysiert die aktuelle Situation, beleuchtet Ursachen, Branchenbesonderheiten, regionale Unterschiede und wagt einen Ausblick.

Deutlicher Anstieg der Ausfallraten

Laut der „Default Study 2025“ der Ratingagentur Creditreform ist die Ausfallrate deutscher Unternehmen im Jahr 2024 von 1,49 % auf 1,78 % gestiegen – der höchste Wert seit 2013. Für 2025 wird eine weitere Steigerung auf 2,04 % erwartet. Damit nähert sich die Quote gefährlich den Werten an, die während der globalen Finanzkrise erreicht wurden. Besonders auffällig ist der Anstieg bei kleinen und jungen Unternehmen, deren wirtschaftliche Basis weniger widerstandsfähig ist als die etablierter Großunternehmen.

Statistische Einordnung

JahrAusfallrate (%)
20221,36
20231,49
20241,78
2025 (prognostiziert)2,04

Damit wird ein Trend deutlich: Die Stabilität der deutschen Unternehmenslandschaft gerät zunehmend unter Druck.

Ursachen für den wirtschaftlichen Abschwung

Der Anstieg der Ausfallraten lässt sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Vielmehr ergibt sich ein komplexes Bild struktureller, konjunktureller und geopolitischer Faktoren, die gemeinsam auf die Wirtschaft einwirken.

1. Investitionszurückhaltung

Ein zentrales Problem ist die Investitionsschwäche vieler Unternehmen. Angesichts wirtschaftlicher Unsicherheit und hoher Finanzierungskosten scheuen Betriebe größere Vorhaben. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) halten sich stark zurück, was langfristig zu Wettbewerbsnachteilen führt.

2. Belastung durch hohe Zinsen

Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen in den Jahren 2023 und 2024 auf hohem Niveau belassen. Dies erschwert Unternehmen die Refinanzierung, insbesondere in kapitalintensiven Branchen. Die Folgen: Liquiditätsengpässe und ein erhöhtes Ausfallrisiko.

3. Energiepreise und Produktionsverlagerung

Obwohl die Energiepreise seit dem Höhepunkt der Energiekrise zurückgegangen sind, bleiben sie insbesondere für energieintensive Branchen hoch. Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, um Kosten zu senken. Die industrielle Produktion energieintensiver Betriebe liegt aktuell fast 20 % unter dem Vorkrisenniveau.

4. Außenwirtschaftliche Störungen

Internationale Handelshemmnisse, unter anderem durch US-Zölle, treffen die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart. Besonders der Maschinenbau und die Automobilzulieferindustrie sind betroffen.

5. Politische Unsicherheit

Die politische Lage in Deutschland hat sich mit dem Regierungswechsel Anfang 2025 verschärft. Die Unsicherheit über künftige wirtschaftspolitische Maßnahmen hemmt das Vertrauen von Investoren und Unternehmen gleichermaßen.

„Wir sehen eine deutliche Zurückhaltung bei Investitionsentscheidungen – nicht aus Mangel an Kapital, sondern wegen Unsicherheit über politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.“
– Wirtschaftsexperte eines deutschen Branchenverbands

Branchen im Krisenmodus

Die wirtschaftlichen Turbulenzen treffen nicht alle Branchen gleich. Einige Sektoren sind deutlich stärker betroffen als andere.

Besonders betroffene Branchen:

  • Bauwirtschaft: Rückgang der Bautätigkeit um 3,3 %, Umsatzminus von 1,5 %.
  • Einzelhandel: Sinkende Kaufkraft und gestiegene Betriebskosten führen zu einer überdurchschnittlichen Insolvenzquote.
  • Maschinenbau: Rückläufige Exportzahlen durch internationale Handelshemmnisse.
  • Automobilzulieferer: Rund 11.000 Stellen wurden im Jahr 2024 abgebaut.

Diese Branchen sind oft durch hohe Fixkosten, komplexe Lieferketten und eine hohe Exportabhängigkeit geprägt – in Krisenzeiten wird dies schnell zur Schwachstelle.

Regionale Unterschiede: Ein gespaltenes Land

Auch regional zeigen sich signifikante Unterschiede. Während einige Bundesländer vergleichsweise stabil bleiben, geraten andere deutlich stärker unter Druck.

BundeslandAusfallrate 2024 (%)
Berlin2,94
Bremen2,25
Hamburg2,11
Thüringen1,20

Besonders urbane Regionen mit hoher Unternehmensdichte und vielen jungen Unternehmen sind stark betroffen. In ländlicheren Regionen mit traditionsreichen Mittelständlern zeigt sich hingegen oft eine größere Stabilität.

Der Blick der Banken: Vorbereitung auf Kreditrisiken

Auch der Finanzsektor stellt sich auf schwierigere Zeiten ein. Deutsche Banken rechnen mit einer Verschlechterung der Vermögensqualität in ihren Kreditportfolios. Zwar hielten sich die Kreditausfälle während der Pandemie in Grenzen, doch 2025 könnte eine neue Welle notleidender Kredite folgen. Dies betrifft vor allem Finanzierungen im Mittelstandsbereich.

Arbeitsmarkt unter Druck

Die wirtschaftlichen Probleme schlagen zunehmend auf den Arbeitsmarkt durch. Im Mai 2025 waren rund 2,96 Millionen Menschen arbeitslos – ein Zehnjahreshoch. Seit Beginn der Pandemie gingen etwa 250.000 Industriearbeitsplätze verloren. Allein in der Automobilbranche fiel der Abbau im vierstelligen Bereich aus.

Internationale Perspektive: Kein deutsches Phänomen

Auch in Europa ist der Trend steigender Ausfallraten zu beobachten. Die europäische Ausfallrate von Unternehmen mit spekulativer Bonität wird für Ende 2025 auf 3,75 % geschätzt. Hauptgründe sind notleidende Umschuldungen und strukturelle Probleme nach den Pandemiejahren. Im Vergleich zu Deutschland ist der Anstieg jedoch moderater.

Ausblick: Zwischen Stagnation und Hoffnung

Die Lage bleibt angespannt. Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft 2025 nur marginal erholt. Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,2 %, während das ifo Institut lediglich 0,2 % Wachstum prognostiziert – de facto eine Stagnation. Ohne tiefgreifende Reformen bleibt die Erholung fraglich.

Was jetzt notwendig wäre:

  • Gezielte Förderprogramme für KMU
  • Abbau bürokratischer Hürden
  • Investitionen in Digitalisierung und Standortattraktivität
  • Stabilisierung der Energiepreise
  • Verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

Der Weg zurück zu Stabilität und Wachstum wird steinig – doch mit konsequenten Maßnahmen ist ein Kurswechsel möglich. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Politik und Wirtschaft die Zeichen der Zeit erkennen.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.