
Bretten. Seit eineinhalb Jahrhunderten prägt das Unternehmen NEFF die Stadt Bretten – als Arbeitgeber, Innovationsmotor und Symbol deutscher Ingenieurskunst. Doch die Nachricht von der geplanten Werksschließung hat die Region erschüttert. Was als Jubiläumsjahr hätte gefeiert werden sollen, wird nun zum Wendepunkt in der Geschichte des Traditionsbetriebs.
150 Jahre Innovation aus Bretten
Von der kleinen Werkstatt zum internationalen Markenzeichen
Die Geschichte von NEFF beginnt im Jahr 1877, als Carl Andreas Neff mit nur sechs Arbeitern in einem kleinen Fachwerkhaus in Bretten seine erste Herd- und Ofenwerkstatt gründete. Die Region Baden bot damals ideale Bedingungen für Handwerksbetriebe, und der Anspruch war von Beginn an klar: Qualität, Langlebigkeit und Innovation sollten die Produkte prägen. Aus einfachen Kohleöfen wurden bald Gas- und Elektroherde, später folgten Großküchengeräte und schließlich High-Tech-Einbaugeräte für moderne Küchen.
Mit diesem Pioniergeist entwickelte sich NEFF zu einem der führenden Hersteller für Einbauküchengeräte in Europa. In den 1960er-Jahren war das Unternehmen mit rund 2.500 Beschäftigten an vier Standorten der größte Elektroherdhersteller Europas. Heute gehört NEFF zur BSH Hausgeräte GmbH – einem der größten Haushaltsgerätehersteller der Welt, der auch Marken wie Bosch, Siemens und Constructa umfasst.
Der Standort Bretten als Herzstück
Das Werk in Bretten wurde über die Jahrzehnte zum zentralen Produktionsstandort der Marke. Auf einer Fläche von rund 105.000 Quadratmetern fertigten zuletzt etwa 1.000 Mitarbeiter jährlich Hunderttausende Geräte. Die Produktionshallen waren nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch ein Stück Heimat für Generationen. Viele Familien in Bretten und Umgebung haben über Jahrzehnte hinweg für NEFF gearbeitet – oft sogar in zweiter oder dritter Generation.
Technologie und Qualität „Made in Bretten“
Innovationen, die Küchen verändert haben
Zu den bekanntesten Entwicklungen aus dem Hause NEFF zählen Technologien wie Slide & Hide® – die im Backofen versenkbare Tür, CircoTherm® – das Umluftsystem für gleichmäßiges Backen, sowie Twist Pad Flex® – die magnetische Steuerung für Kochfelder. Diese Innovationen machten NEFF nicht nur bei professionellen Köchen beliebt, sondern auch bei ambitionierten Hobbybäckern. Die Marke steht seither für deutsche Ingenieurskunst und Designverständnis, die weltweit geschätzt werden.
Nachhaltigkeit und Ausbildung als Standortpfeiler
In den letzten Jahren setzte das Unternehmen zunehmend auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Am Standort Bretten engagierte sich NEFF besonders in der Ausbildung junger Menschen und bot regelmäßig über 100 Lehrstellen in technischen und kaufmännischen Berufen an. „Unsere Erfolgsgeschichte beginnt mit dir“ lautete ein Slogan der Ausbildungsinitiative, der heute eine bittere Ironie erhält – denn viele dieser jungen Menschen sehen sich nun einer ungewissen beruflichen Zukunft gegenüber.
Die geplante Schließung – ein Schock für Bretten
980 Arbeitsplätze vor dem Aus
Im Herbst 2025 bestätigte die BSH Hausgeräte GmbH, dass das Werk in Bretten bis spätestens Ende des ersten Quartals 2028 geschlossen werden soll. Etwa 980 Beschäftigte sind direkt betroffen, dazu kommen Hunderte weitere in Zulieferbetrieben und Dienstleistungsunternehmen der Region. Lokale Medien schätzen, dass insgesamt bis zu 3.000 Arbeitsplätze in der Region gefährdet sein könnten.
Gründe für die Schließung
Als Hauptgründe nennt die Konzernführung den Rückgang im Markt für Premium-Haushaltsgeräte, steigende Produktionskosten und den allgemeinen Druck in der Konsumgüterindustrie. Der stagnierende Immobilienmarkt, die wirtschaftliche Unsicherheit und verändertes Konsumverhalten führen dazu, dass weniger Menschen in hochwertige Einbaugeräte investieren. Strategisch will BSH seine Produktionskapazitäten bündeln – zulasten des traditionsreichen Werks in Bretten.
Politische und gesellschaftliche Reaktionen
Die Ankündigung löste eine Welle an Reaktionen aus. Auf Social Media machten sich Betroffene Luft: Viele berichten von Jahrzehnten im Unternehmen und zeigen sich enttäuscht über die späte Kommunikation. Ein regionaler FDP-Abgeordneter kritisierte öffentlich, dass die Landesregierung erst über Umwege von Bosch über die Schließungspläne informiert wurde. In der Stadt selbst herrscht Fassungslosigkeit. „Das ist das Ende einer Ära“, kommentierte ein Mitarbeiter auf Facebook.
Historische Bedeutung für Stadt und Region
150 Jahre Identität
Für Bretten bedeutet der geplante Auszug mehr als den Verlust eines großen Arbeitgebers. Seit 1877 prägt NEFF das Stadtbild, das soziale Gefüge und die regionale Wirtschaft. Viele Vereine, Kulturinitiativen und soziale Projekte wurden über Jahrzehnte hinweg vom Unternehmen unterstützt. Auch die Stadtverwaltung zeigt sich betroffen: Man habe „mit NEFF nicht nur ein Werk, sondern ein Stück Stadtgeschichte“ verloren, so Bürgermeister Martin Wolff in einem Interview.
Wie wichtig war NEFF für Bretten wirklich?
NEFF war einer der größten Steuerzahler der Stadt, unterstützte Ausbildungsnetzwerke und galt als Innovationspartner für Berufsschulen und Hochschulen in der Region. Mit der geplanten Schließung drohen nicht nur wirtschaftliche Einbußen, sondern auch der Verlust eines regionalen Know-how-Zentrums für moderne Fertigungstechnik.
Die Marke NEFF im Wandel
Teil der BSH-Weltmarke
Seit 1982 gehört NEFF zum BSH-Konzern, der weltweit über 57.000 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von 15,3 Milliarden Euro erzielt. Innerhalb dieser Struktur positioniert sich NEFF als Premium-Marke für Einbaugeräte, während Bosch und Siemens stärker auf den Massenmarkt ausgerichtet sind. Trotz dieser Integration blieb der Produktionsstandort Bretten bislang ein Symbol für Eigenständigkeit und Qualität – ein Alleinstellungsmerkmal, das nun verloren gehen könnte.
Was bleibt von der Marke?
Die Marke NEFF selbst soll laut Unternehmensangaben erhalten bleiben. Ihre Produkte werden künftig in anderen BSH-Werken gefertigt. Dennoch fürchten viele, dass der Verlust der regionalen Fertigung auch das Markenimage schwächt. In Foren wie Reddit diskutieren Konsumenten, ob NEFF-Geräte künftig noch als „Made in Germany“ gelten dürfen. Viele verbinden den Markennamen unmittelbar mit Bretten – dem Ort, an dem Qualität und Tradition über Generationen gewachsen sind.
Stimmen aus der Belegschaft
„Wir haben diese Firma mit aufgebaut“
In sozialen Medien kursieren zahlreiche persönliche Geschichten ehemaliger und aktueller Mitarbeiter. Ein Nutzer schreibt: „Ich habe hier 35 Jahre gearbeitet. Mein Vater stand schon an der gleichen Linie. Es ist unfassbar, dass diese Geschichte jetzt endet.“ Solche Aussagen zeigen, wie eng die Menschen mit dem Unternehmen verbunden sind. Für viele ist NEFF nicht nur ein Arbeitgeber, sondern Teil ihrer Identität.
Fragen, die viele bewegen
Wie viele Arbeitsplätze sind konkret betroffen?
Nach aktuellen Angaben sind rund 980 Beschäftigte direkt im Werk Bretten betroffen, hinzu kommen zahlreiche indirekte Arbeitsplätze in der Region.
Warum wird das Werk geschlossen?
Die Gründe liegen in einem anhaltenden Nachfragerückgang, steigenden Energie- und Materialkosten sowie einer Neuausrichtung der Produktionsstandorte des Mutterkonzerns.
Welche Produkte werden hier gefertigt?
In Bretten entstehen vor allem Backöfen, Herde und Dunstabzugshauben. Das Werk produzierte zuletzt etwa 450.000 Backöfen und 600.000 Hauben jährlich.
Was bedeutet das für Bretten?
Die Stadt verliert einen ihrer größten Arbeitgeber, was nicht nur ökonomisch, sondern auch emotional tiefe Spuren hinterlässt. Für viele Bürger ist NEFF Teil der lokalen Identität – ähnlich wie Automobilwerke für Stuttgart oder Maschinenbau für Mannheim.
Perspektiven und Zukunftsaussichten
BSH-Strategie und globale Märkte
Der Mutterkonzern BSH setzt künftig stärker auf Automatisierung, zentralisierte Logistik und eine Ausrichtung auf wachsende Märkte in Asien und Osteuropa. Für deutsche Standorte wie Bretten bedeutet das einen Strukturwandel: geringere Stückzahlen, aber spezialisiertere Fertigung. Ob Bretten dabei noch eine Rolle spielen kann, ist fraglich.
Reaktionen aus der Region
Die Gewerkschaften fordern, alternative Nutzungsmöglichkeiten des Werks zu prüfen, etwa als Forschungs- oder Ausbildungszentrum innerhalb der BSH-Gruppe. Gleichzeitig bemüht sich die Stadtverwaltung um Gespräche mit Landes- und Bundespolitik, um Unterstützung für die betroffenen Familien zu sichern.
Stimmung in den sozialen Medien
Auf Plattformen wie Facebook und Instagram wird die Entscheidung als „schmerzhaft, aber symptomatisch“ für den Wandel in der Industrie bezeichnet. Viele Nutzer beklagen, dass Deutschland zunehmend Produktionskompetenz verliert, während andere Verständnis für die globalen Zwänge des Konzerns zeigen.
„Ende einer Ära“ – doch kein Ende der Geschichte
Auch wenn die Zukunft des Werks ungewiss ist, bleibt NEFF ein Synonym für Qualität und Innovation. Die Marke steht weiterhin für 150 Jahre Erfahrung und deutsche Ingenieurskunst. Ob sich Bretten in den kommenden Jahren neu erfindet oder an der alten Identität festhält, wird sich zeigen. Sicher ist: Die Geschichte von NEFF endet nicht mit dem Schließen der Werkstore – sie tritt nur in eine neue Phase ein, deren Ausgang noch offen ist.