Schweizer Aktien unter Druck: US-Zölle sorgen für Schockwellen in der Exportwirtschaft

In Wirtschaft
August 04, 2025
Die Schweizer Börse ist auf Talfahrt: Nach der überraschenden Ankündigung neuer US-Importzölle in Höhe von 39 % reagierten Investoren empfindlich. Der Swiss Market Index (SMI) rutschte zeitweise deutlich ab. Besonders exportorientierte Branchen wie Uhrenindustrie, Maschinenbau und Lebensmittelverarbeitung geraten unter Druck – und mit ihnen tausende Arbeitsplätze.

Ein drastischer Schritt mit globaler Wirkung

Die USA setzen mit der Einführung neuer Importzölle in Höhe von 39 % auf Schweizer Produkte ein starkes Signal – eines, das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Wellen schlägt. Die Maßnahme, die ab dem 7. August 2025 in Kraft tritt, betrifft unter anderem Präzisionsinstrumente, Luxusuhren, Maschinen, Nahrungsmittelprodukte und diverse Konsumgüter. Für viele Exporteure ist dies ein harter Schlag – und für den Schweizer Finanzplatz ein Dämpfer mit Folgen.

Der Börsenschock – wie der Markt reagierte

Am ersten Handelstag nach der Zoll-Ankündigung eröffnete der SMI mit einem Minus von bis zu 1,9 %. Unternehmen wie Swatch, Richemont, Julius Bär und Novartis mussten deutliche Kursverluste hinnehmen. Zwar stabilisierte sich der Index später bei etwa –0,6 % bis –0,8 %, doch die Unsicherheit bleibt hoch.

Welche Auswirkungen haben die neuen 39 % US-Zölle auf Schweizer Exporteure?

Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Zölle sind gravierend. Unternehmen der Uhren-, Maschinen- und Lebensmittelbranche sehen sich mit unmittelbaren Preisnachteilen auf dem US-Markt konfrontiert. Branchenverbände wie Swissmem warnen bereits vor einem Rückgang der Aufträge und potenziell zehntausenden gefährdeten Arbeitsplätzen. Die Exportbedingungen verschärfen sich erheblich, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ohne global diversifizierte Absatzmärkte.

Exportstruktur und betroffene Branchen

Rund 16 % der Schweizer Exporte gingen zuletzt in die USA – ein Markt, der für viele Hersteller strategisch bedeutend ist. Besonders betroffen sind:

  • Luxusgüter: Uhren, Schmuck, Edelmetalle
  • Maschinenbau: Präzisionsmaschinen, Werkzeugtechnik
  • Lebensmittel: Schokolade, Kaffee (z. B. Nespresso)
  • Pharma: derzeit weitgehend ausgenommen – doch nicht garantiert

Ein Ausweichen auf andere Märkte gestaltet sich schwierig, da vergleichbare Absatzvolumen kurzfristig kaum realisierbar sind. Der Sekundärmarkt – insbesondere für Luxusuhren – dürfte hingegen profitieren. Dort wird bereits mit Preissteigerungen von bis zu 35 % gerechnet.

Wie stabil ist der Schweizer Markt nach dem Zollschock?

Obwohl der erste Schock deutlich spürbar war, bewerteten Analysten die Marktsituation als kontrollierbar. „Viele Schweizer Konzerne sind international aufgestellt und können den Rückgang durch andere Märkte zumindest teilweise abfedern“, heißt es aus Finanzkreisen. Dennoch dämpfen die neuen Handelsbarrieren die Investitionsbereitschaft und erhöhen das Risiko eines Konjunkturabschwungs.

Politischer Druck wächst – und mit ihm die Kritik

Die innenpolitischen Reaktionen in der Schweiz sind geprägt von Kritik, Sorgen und diplomatischem Aktionismus. Swatch-CEO Nick Hayek etwa rief Bundespräsidentin Karin Keller‑Sutter dazu auf, sofort nach Washington zu reisen: „Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Regierung. Wir dürfen das nicht akzeptieren.“ Auch in politischen Foren wurde der Regierung Versäumnis und Zögerlichkeit vorgeworfen.

Die Kritik entzündet sich auch an einem anderen Punkt: Viele Beobachter stellen infrage, ob diplomatische Gespräche mit den USA überhaupt zielführend sind. In Foren wurde argumentiert, dass Länder ohne Verhandlungen oft besser dastanden, während aktive Partnerstaaten am Ende härtere Zölle kassierten.

Makroökonomische Folgen – eine fragile Ausgangslage

Ökonomen erwarten bereits jetzt negative Folgen für das Schweizer Bruttoinlandsprodukt (BIP). Schätzungen gehen von einem Rückgang um 0,3 bis 0,7 % aus. Sollte auch der Pharmasektor künftig betroffen sein, wären Rückgänge über 1 % realistisch. Gleichzeitig senkte Lombard Odier die Wachstumsprognose für 2025 von 1,1 % auf 0,9 %.

Eine zusätzliche Belastung entsteht durch den schwächelnden Franken. Zwar erleichtert dies den Export in den Euro-Raum, doch steigende Importpreise erhöhen zugleich den Inflationsdruck. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird sich im Herbst mit Zinssenkungen befassen müssen.

Drohen mit den Zöllen Arbeitsplatzverluste in der Schweiz?

Ja – insbesondere im Maschinen- und Metallbau. Der Verband Swissmem warnt, dass über 300.000 Arbeitsplätze in der Industrie zumindest indirekt betroffen sind. Eine direkte Zunahme von Kurzarbeit, Umschichtungen und auch Standortverlagerungen ist nicht auszuschließen.

Wer trägt am Ende die Kosten?

Tragen Schweizer Unternehmen die Zölle – oder kommt die Rechnung beim US-Konsumenten an?

Experten und Nutzer in Fachforen sind sich weitgehend einig: Die Importzölle verteuern zwar formal Schweizer Produkte, doch am Ende tragen vor allem US-Verbraucher die Mehrkosten. Entweder durch höhere Ladenpreise oder durch die Verlagerung zur Konkurrenz aus anderen Ländern. In einzelnen Branchen könnten Schweizer Exporteure jedoch Lieferungen einstellen oder pausieren, um die zusätzlichen Belastungen zu vermeiden.

Eine historische Parallele: Der „Uhrenkrieg“ der 1950er

Die Situation erinnert viele Experten an den sogenannten „Uhrenkrieg“ der 1950er Jahre, als die USA ebenfalls massive Zölle auf Schweizer Uhren verhängten. Damals lag die Zollhöhe bei über 50 %. Auch damals führte die Entscheidung zu einem drastischen Rückgang der Exporte und Umstrukturierungen in der Branche. Heute könnte sich Geschichte wiederholen – mit einer besser vernetzten, aber ebenso verletzlichen Wirtschaft.

Geopolitischer Kontext – Kalkül oder Konfrontation?

Hinter den Zöllen vermuten viele Beobachter geopolitische Absichten. Die US-Regierung setzt offenbar auf eine Strategie der bilateralen Einzelgespräche mit europäischen Staaten – und schwächt damit die Handelsmacht Europa gezielt. So erhalten Länder wie Deutschland oder Italien geringere Zollsätze, während neutrale Staaten wie die Schweiz offenbar stärker belastet werden.

„Trump versucht, Europa zu spalten – jedes Land bekommt eigene Bedingungen, eigene Sanktionen. Das ist kein Zufall“, kommentierte ein Nutzer in einem Reddit-Forum. Auch Schweizer Politikexperten sehen in dieser Entwicklung einen Weckruf für eine engere europäische Handelspolitik.

Ein Hoffnungsschimmer? Neue Verhandlungen in letzter Minute

Ist noch ein Zolldeal vor dem 7. August möglich?

Die Zeit drängt. Die Schweizer Regierung plant kurzfristige Gespräche mit dem US-Handelsministerium, doch von amerikanischer Seite kam bislang kein klares Signal für Kompromissbereitschaft. Stattdessen heißt es, die Maßnahmen seien „weitgehend festgelegt“. Die verbleibenden 72 Stunden könnten dennoch Spielraum für eine Übergangsregelung oder sektorspezifische Ausnahmen bieten – insbesondere im pharmazeutischen Bereich.

Was jetzt für Unternehmen zählt

Für viele Unternehmen beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit: Verträge werden angepasst, Liefermengen neu kalkuliert, Lagerbestände erhöht. Einige Exporteure erwägen temporäre Lieferstopps oder den Ausbau von Produktionskapazitäten in anderen Regionen. Gleichzeitig bereiten sich Importeure in den USA auf Preisanpassungen vor. Erste Einzelhändler kündigten bereits Preissteigerungen bei Luxusuhren, Schweizer Schokolade und Kaffeemaschinen an.

Besonders der Gebrauchtmarkt für Luxusuhren boomt: Kunden wollen noch vor Inkrafttreten der Zölle einkaufen – oder auf den Sekundärmarkt ausweichen, der derzeit als „stabil“ und „preislich günstiger“ bewertet wird.

Ein wachsender Konsens: Die Zeit für ein Handelsabkommen ist gekommen

Die aktuelle Krise bringt ein Thema zurück auf die Agenda: ein mögliches bilaterales Handelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA. Seit über einem Jahrzehnt wird darüber diskutiert, doch konkrete Fortschritte blieben bislang aus. Laut einer aktuellen Studie könnte ein solches Abkommen binnen fünf Jahren bis zu 14 Milliarden US-Dollar zusätzliches Handelsvolumen erzeugen und über 13.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Der politische Wille dazu wächst – doch der Weg bleibt steinig.

Schlussbetrachtung: Zwischen Anpassung und Unsicherheit

Die überraschende Zollentscheidung der USA stellt für die Schweiz eine erhebliche Herausforderung dar – wirtschaftlich, politisch und diplomatisch. Während große Unternehmen auf Diversifikation setzen können, geraten kleinere Exporteure an ihre Grenzen. Die nächsten Tage dürften entscheidend sein: für die Verhandlungsergebnisse in Washington, für die Stabilität des Arbeitsmarktes und für das Vertrauen in die handelspolitische Souveränität der Schweiz. Klar ist: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz stehen an einem Wendepunkt – mit offenem Ausgang.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.