Radikale Neuordnung an der Spitze Bahn-Chefin Palla plant weitreichenden Kahlschlag im Topmanagement

In Wirtschaft
Dezember 05, 2025

Berlin, 05. Dezember 2025 In der Zentrale der Deutschen Bahn liegt eine spürbare Schwere in der Luft. Gespräche werden leiser geführt, Türen schließen sich schneller, und die Stimmung gleicht einem Konzern im Umbruch. Dass eine neue Ära beginnt, ist unübersehbar – und sie dürfte für viele der bisherigen Entscheider ein abruptes Ende einläuten.

Die neue Bahn-Chefin Evelyn Palla, seit wenigen Wochen an der Spitze des Konzerns, treibt eine der drastischsten Strukturreformen der jüngeren DB-Geschichte voran. Ein interner Restrukturierungsplan sieht vor, die erste Führungsebene unterhalb des Vorstands beinahe zu halbieren. Statt bislang 43 sollen künftig nur noch 22 Topmanagement-Positionen bestehen. Grundlage dafür sind interne Unterlagen, die vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung kursieren.

Ein Konzern im Umbruch: Der tiefgreifende Eingriff in die Führungsetage

Die geplante Neuordnung betrifft weit mehr als einzelne Schlüsselpositionen. Sie verändert das Gefüge des gesamten Konzerns. Die Holding-Ebene – bisher ein schwerfälliges Verwaltungsgebilde – soll verschlankt werden, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und Verantwortlichkeiten klarer zu verteilen. Im Fokus steht dabei die Modernisierung der Führungsstruktur, die Palla als Voraussetzung für funktionierende operative Abläufe sieht.

Besonders einschneidend sind die Pläne für die Tochtergesellschaften:

  • Bei der DB Regio AG soll der Vorstand von sechs auf fünf Mitglieder reduziert werden.
  • Die DB Fernverkehr AG soll künftig nur noch vier statt fünf Vorstandsmitglieder haben.
  • Die DB-Infrastrukturgesellschaft DB Infrago soll ihren Vorstand von acht auf sechs Posten verschlanken.

Auch die sogenannten Konzernbeauftragten, die bislang eine Art vermittelnde Ebene zwischen Vorstand und operativer Führung bildeten, sollen wegfallen. Insgesamt fünf dieser Rollen sollen ersatzlos gestrichen werden. Damit entsteht eine klarere vertikale Struktur, die nach interner Lesart mehr Verantwortlichkeit in den Geschäftseinheiten ermöglichen soll.

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Motivation der Bahn-Chefin: Weniger Verwaltung, mehr operative Stärke

Palla betont seit ihrem Amtsantritt den Anspruch, die Bahn effizienter und stärker dezentral organisiert aufzustellen. Nach Jahren zunehmender Komplexität und vieler parallel agierender Entscheidungszentren soll nun eine Wende erfolgen: Entscheidungen sollen dort fallen, wo sie wirken – in den operativen Einheiten.

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Bereits im Vorfeld des geplanten Personalumbaus wurde der Konzernvorstand selbst von acht auf sechs Mitglieder verkleinert. Dieser Schritt war ein deutliches Signal, dass Palla die Größe der Führungsstrukturen auch symbolisch neu definiert. Nun folgt die weitreichendere zweite Phase, in der die komplette obere Führungsebene des Konzerns ausgedünnt wird.

Offiziell begründet werden die Maßnahmen mit dem Ziel, Kosten zu senken, Doppelstrukturen zu vermeiden und interne Prozesse enger zu verzahnen. Besonders die Dezentralisierung gilt als strategischer Kernpunkt: Regionen und Tochtergesellschaften sollen stärker eigenverantwortlich handeln – ein Gegenentwurf zur bislang häufig kritisierten schwerfälligen Verwaltungsspitze.

Die Lage der Deutschen Bahn: Zwischen Verspätungen, Modernisierung und finanziellem Druck

Die Umstrukturierungen kommen nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, an dem die Bahn mit massiven Herausforderungen konfrontiert ist. Die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr war in den vergangenen Monaten rückläufig. Unter Palllas Führung wurden die Ziele für die kommenden Jahre neu justiert. Die früher anvisierte Quote von 65 bis 70 Prozent wurde vorerst verworfen; realistisch erscheint derzeit ein Wert unter 60 Prozent. Erst 2029 soll die Bahn wieder auf das frühere Zielniveau herankommen.

Der Grund für diese Entwicklung liegt in einer Mischung aus maroder Infrastruktur, Umleitungen aufgrund von Baustellen sowie steigenden Belastungen im Gesamtverkehr. Gleichzeitig steht das Unternehmen vor milliardenschweren Modernisierungsprojekten, die das Schienennetz, Bahnhöfe und digitale Systeme betreffen. Die Kosten für diese Maßnahmen stellen den Konzern vor enorme wirtschaftliche Herausforderungen.

Risiken einer radikalen Führungskürzung

Pallas umfassende Reformpläne bergen auch Risiken. Kritiker warnen davor, dass der Verlust erfahrener Führungskräfte zu Wissenserosion führen könnte. Auch die Übergangsphase, in der Rollen neu definiert und Verantwortlichkeiten verschoben werden, gilt als potenzielle Schwachstelle – besonders in einem hochkomplexen Unternehmen wie der Deutschen Bahn.

Dennoch sehen Befürworter in der Verschlankung eine Chance, die Bahn von administrativer Last zu befreien. Eine entschlossene Führung, klar definierte Zuständigkeiten und schnellere operative Entscheidungen gelten seit Jahren als notwendige Bausteine für eine strukturelle Erneuerung.

Personal, Prozesse und die Bedeutung einer stabilen Umsetzung

Für die betroffenen Manager könnte der Umbau einschneidende Folgen haben. Ob Abfindungen, neue Aufgabenfelder oder interne Wechsel – all das hängt von den laufenden Verhandlungen und dem finalen Beschluss am 10. Dezember ab. Die Arbeitnehmervertretungen sind in die Gespräche einbezogen; Konflikte gelten dennoch als möglich.

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Die Bahn steht damit vor einer doppelten Herausforderung: einerseits muss der Kahlschlag im Topmanagement reibungslos vollzogen werden, andererseits dürfen operative Abläufe währenddessen nicht ins Stocken geraten. Dezentralisierung bedeutet nicht automatisch Effizienz, wenn Strukturen nicht sauber definiert und Verantwortlichkeiten klar hinterlegt sind.

Ein strategischer Kurswechsel mit Signalwirkung

Ob Pallas Konzept aufgeht, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen. Der Umbau ist weitreichend, aber er folgt einem Muster, das in vielen Großkonzernen weltweit zunehmend zum Standard wird: weniger Hierarchie, mehr operative Autonomie, schlankere Verwaltungsstrukturen. Für die Deutsche Bahn markiert dieser Kurswechsel eine historische Wegmarke, denn selten zuvor wurde die oberste Führungsebene derart tiefgreifend verändert.

Entscheidend wird sein, ob die verbliebenen Führungsteams den Spagat zwischen Modernisierung, Kostendruck und operativem Tagesgeschäft meistern können. Das Unternehmen muss gleichzeitig investieren, stabilisieren und modernisieren – ein Dreiklang, der selbst unter optimalen Bedingungen schwer zu realisieren ist.

Was dieser Umbau für die Zukunft der Bahn bedeutet

Der geplante Kahlschlag im Topmanagement ist mehr als eine personelle Bereinigung. Er ist ein Symptom für den grundlegenden Richtungswechsel, den Palla im Konzern einleiten will. Ein schlankeres Management soll Entscheidungswege verkürzen und die Bahn wieder handlungsfähiger machen. Doch wie bei jeder strukturellen Zäsur hängt der Erfolg weniger von der Architektur ab als von der Art ihrer Umsetzung.

Viele Augen richten sich nun auf die entscheidende Aufsichtsratssitzung – und auf die Wochen danach, in denen klar wird, ob der Kurswechsel tragen kann. Der Weg zu einer stabilen, modernen und zuverlässigen Bahn wird lang bleiben. Doch die nun eingeleiteten Maßnahmen markieren einen kraftvollen, wenn auch umstrittenen, Startpunkt.

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Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.