56 views 9 mins 0 Kommentare

Barrierefreier ICE L: Neuer stufenloser Fernzug startet im Dezember auf deutschen Schienen

In Aktuelles
August 12, 2025

Berlin – Die Deutsche Bahn bringt mit dem ICE L erstmals einen stufenlos zugänglichen Fernzug auf die deutschen Schienen. Ab dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2025 sollen die ersten Züge im Regelbetrieb starten – ein Schritt, der besonders Menschen mit eingeschränkter Mobilität zugutekommt. Neben dem neuen Einstiegskonzept setzt die Bahn auf mehr Komfort, moderne Technik und internationale Einsatzmöglichkeiten.

Ein neues Kapitel im Fernverkehr

Der ICE L markiert einen bedeutenden Meilenstein in der deutschen Fernverkehrsgeschichte. Das „L“ steht für „Low Floor“, also Niederflur, und beschreibt die wohl auffälligste Eigenschaft: einen stufenlosen Einstieg an allen Türen. Damit setzt die Deutsche Bahn erstmals im Fernverkehr auf ein Konzept, das auf Bahnsteigen mit einer Höhe von 760 mm ein barrierefreies Ein- und Aussteigen ermöglicht – ohne Rampe, ohne Hublift.

Geplant ist, dass zunächst vier Züge auf der Strecke Berlin–Köln verkehren. Später sollen weitere Strecken hinzukommen, auch grenzüberschreitend. Insgesamt sind 79 Züge bestellt, deren Auslieferung sich über mehrere Jahre erstrecken wird. 2026 werden voraussichtlich neun weitere Fahrzeuge folgen.

Technische Basis: Talgo 230 und lokbespanntes Konzept

Der ICE L basiert auf der Talgo-230-Plattform, einem lokbespannten Wendezugkonzept mit besonders kurzen Wagen und einachsigen Laufwerken. Diese Bauweise erlaubt nicht nur den stufenfreien Durchgang im gesamten Zug, sondern sorgt auch für ein geringeres Gewicht, was wiederum eine gute Beschleunigung ermöglicht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 230 km/h – langsamer als andere ICE-Baureihen, jedoch optimiert für häufige Halte und schnelle Fahrgastwechsel.

Im Betrieb kommen moderne Mehrsystemloks zum Einsatz, die auch Fahrten ins Ausland ermöglichen. Hierzu zählen die neue DB-Baureihe 105 sowie kompatible Lokomotiven wie der Siemens Vectron. Das Steuerungssystem entspricht internationalen Standards (WTB), was den Einsatz über Landesgrenzen hinweg erleichtert.

Warum das „L“ wirklich wichtig ist

Die Einführung eines Niederflur-Fernzugs ist in Deutschland mehr als nur eine Komfortfrage. Hintergrund sind europäische Vorschriften zur Barrierefreiheit, insbesondere die „Technical Specifications for Interoperability – Persons with Reduced Mobility“ (TSI PRM). Diese definieren unter anderem die Höhe des Zugbodens und die Erreichbarkeit von Bedienelementen. Mit der Auslegung auf 760 mm liegt der ICE L im Zielkorridor des deutschen Bahnsteigneubaus – auch wenn im Bestand weiterhin verschiedene Höhen existieren, die Barrierefreiheit an manchen Bahnhöfen erschweren.

Innenraumgestaltung und Komfort

Die Deutsche Bahn hat nach eigenen Angaben 1.600 Personen in den Entwicklungsprozess der Sitze einbezogen. Ziel war es, Ergonomie und Komfort gleichermaßen zu verbessern. Herausgekommen sind Sitze mit verstellbaren Kopfstützen, integrierten Haltern für Tablets oder Smartphones und stabileren Klapptischen. Auch an die Konnektivität wurde gedacht: mobilfunkdurchlässige Fensterscheiben sorgen für besseren Empfang, ohne dass zusätzliche Verstärker nötig sind.

Ein weiteres Highlight ist die tageszeitabhängige LED-Lichtsteuerung, die das Raumklima je nach Tageszeit anpasst. Durch kürzere Wagen entsteht ein offeneres Raumgefühl, das vor allem auf langen Strecken für mehr Wohlbefinden sorgen soll.

Sitzplatzkapazität im Überblick

KlasseAnzahl Sitzplätze
1. Klasse85
2. Klasse477
Gesamt562

Verzögerter Start – und die Gründe dafür

Ursprünglich sollte der ICE L bereits im Herbst 2024 in Betrieb gehen. Doch Lieferprobleme beim spanischen Hersteller Talgo sowie ein längeres Test- und Zulassungsverfahren führten zu Verzögerungen. Testfahrten fanden unter anderem in Österreich und Polen statt, bevor die Zulassung schließlich in Deutschland erteilt wurde.

Diese Verschiebung führte dazu, dass sich Bahnreisende länger gedulden mussten. Gleichzeitig bot der erweiterte Testzeitraum die Gelegenheit, Kinderkrankheiten zu erkennen und zu beheben – was langfristig der Betriebssicherheit zugutekommt.

Einordnung im Fernverkehrsmarkt

Die Einführung des ICE L fällt in eine Phase, in der der Fernverkehr vor großen Herausforderungen steht. 2024 zählte die Deutsche Bahn im Fernverkehr rund 142 Millionen Fahrgäste – ein Rückgang um etwa vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bedingt unter anderem durch Streiks und Baustellen. In diesem Umfeld könnte der ICE L ein wichtiges Signal für Qualität und Service setzen.

Community-Stimmen und Diskussionen

In Foren und sozialen Medien ist der ICE L bereits seit Monaten Thema. Manche Nutzer kritisieren, dass der Zug mit 230 km/h der „langsamste ICE“ sei und sich das Branding zu weit vom Hochgeschwindigkeitsanspruch entfernt. Andere loben den Komfortgewinn und die Barrierefreiheit: „Endlich ein ICE, bei dem ich mit dem Rollstuhl nicht vorher anrufen muss“, so ein Kommentar in einer Bahngruppe.

Besonderes Interesse weckt auch die Flexibilität im Betrieb. Dank der lokbespannten Bauweise können Lokomotiven leichter getauscht werden, was im Störungsfall oder bei internationalen Fahrten Vorteile bringt. Zudem könnte der ICE L so schneller an neue Streckenanforderungen angepasst werden.

Häufig gestellte Fragen

Wann kommt der ICE L mit stufenlosem Einstieg in Betrieb?

Der Start ist für den Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2025 vorgesehen, zunächst auf der Strecke Berlin–Köln.

Warum bedeutet das L im ICE L Low-Floor?

„L“ steht für Low Floor, also Niederflur. Damit wird der stufenlose Zugang auf Bahnsteigen mit 760 mm Höhe möglich.

Warum verzögerte sich der Start des ICE L?

Die Verzögerung resultierte aus Lieferengpässen bei Talgo und einem verlängerten Zulassungsverfahren.

Wie viele Sitzplätze hat der ICE L?

Es gibt insgesamt 562 Sitzplätze – 85 in der 1. Klasse und 477 in der 2. Klasse.

Wie schnell fährt der ICE L?

Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 230 km/h, was ihn etwas langsamer als andere ICE-Baureihen macht.

Internationale Einsatzmöglichkeiten

Der ICE L ist nicht nur für den deutschen Markt konzipiert. Durch seine Mehrsystemtechnik und entsprechende Zulassungsperspektiven kann er auch in Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder der Schweiz verkehren. Die Grenzüberschreitung ohne Lokwechsel spart Zeit und erhöht die Flexibilität im internationalen Verkehr.

Der Blick auf die Bahnsteige

Der stufenlose Einstieg funktioniert optimal nur an 760 mm hohen Bahnsteigen – ein Maß, das in Deutschland zunehmend Standard bei Neubauten und Sanierungen ist. Der Bestand ist jedoch uneinheitlich: Es gibt Höhen zwischen 380 mm und 960 mm. Für echte Barrierefreiheit müssen daher auch die Bahnhöfe weiter angepasst werden.

Ausblick auf die kommenden Jahre

Mit dem ICE L investiert die Deutsche Bahn in einen langfristigen Modernisierungsschritt. Die Kombination aus barrierefreiem Zugang, moderner Innenraumgestaltung und internationaler Einsatzfähigkeit könnte ihn zu einem wichtigen Bestandteil des Fernverkehrs machen. Gleichzeitig wird die tatsächliche Wirkung auf den Reisekomfort und die Fahrgastzahlen stark davon abhängen, wie zuverlässig der Betrieb läuft und ob die Infrastruktur mithalten kann.

Während Kritiker die geringere Höchstgeschwindigkeit bemängeln, könnte sich die Stärke des ICE L gerade auf stark frequentierten Strecken mit vielen Zwischenhalten zeigen. Hier sind schnelle Fahrgastwechsel und bequemer Zugang entscheidend – und genau hier setzt das Konzept an.

Schlussgedanken

Der ICE L ist mehr als nur ein weiterer Zug im Fuhrpark der Deutschen Bahn. Er steht für einen Wandel im Denken: weg vom reinen Geschwindigkeitsrekord, hin zu einem umfassenderen Verständnis von Reisekomfort, Zugänglichkeit und Flexibilität. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Familien und internationale Reisende könnte der stufenlose ICE eine spürbare Erleichterung darstellen. Ob er die Erwartungen erfüllt, wird sich ab Dezember 2025 zeigen – doch eines ist sicher: Die Einführung des ICE L wird den Fernverkehr in Deutschland nachhaltig verändern.

Avatar
Redaktion / Published posts: 1990

Als Autor für das Magazin "Nah am digitalen Rand" verbinde ich meine Germanistik-Expertise mit einem unstillbaren Interesse für redaktionell spannende Themen. Meine Leidenschaft gilt der Erforschung und dem Verständnis der digitalen Evolution unserer Sprache, ein Bereich, der mich stets zu tiefgründigen Analysen und Artikeln inspiriert.