
Neu-Delhi/Washington – Die Handelsbeziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Indien stehen auf einem neuen Tiefpunkt. Nach der Entscheidung der US-Regierung, zusätzliche Zölle auf indische Waren zu verhängen, drohen weitreichende Folgen für beide Volkswirtschaften. Besonders betroffen sind arbeitsintensive Exportsektoren in Indien, während US-Konsumenten mit steigenden Preisen rechnen müssen.
Ein drastischer Schritt mit klarer Botschaft
Am 6. August 2025 kündigte US-Präsident Donald Trump eine neue Runde von Importzöllen an, die gezielt auf Indien abzielt. Zu den bereits bestehenden Abgaben von 25 bis 26 Prozent kommen weitere 25 Prozent hinzu – de facto eine Verdopplung auf bis zu 50 Prozent. Offiziell begründet das Weiße Haus diesen Schritt mit Indiens anhaltenden Ölimporten aus Russland, die nach US-Interpretation gegen den Geist westlicher Sanktionen verstoßen.
Die Maßnahme tritt nach einer 21-tägigen Frist am 27. August 2025 in Kraft und betrifft eine Vielzahl von Warenkategorien. In der US-Politik wird der Zollschritt nicht nur als wirtschaftliches Instrument, sondern auch als geopolitisches Druckmittel verstanden.
Welche Branchen besonders betroffen sind
Die Liste der potenziell betroffenen Sektoren ist lang. Nach Angaben aus Branchenverbänden und ersten Produktlisten der US-Behörden stehen vor allem arbeitsintensive Exportindustrien im Fokus:
- Textilien und Bekleidung – gestrickte Kleidung, Teppiche und Heimtextilien
- Leder- und Schuhindustrie
- Schmuck und Diamanten – insbesondere polierte Steine aus Surat und Schmuck aus dem Exportzentrum SEEPZ in Mumbai
- Chemikalien und Zwischenprodukte
- Seafood – vor allem Garnelen
- Basmati-Reis – eine lukrative, aber kleine Nische im US-Markt
Ein Vertreter des indischen Schmuckrats GJEPC sprach in einem Statement von einem „schwarzen Tag“ für die Industrie. In Surat, wo rund 90 Prozent der weltweiten Diamanten poliert werden, und im SEEPZ, das über 85 Prozent seiner Produktion in die USA exportiert, fürchten Unternehmer tausende Arbeitsplatzverluste.
Fragen aus der Bevölkerung – und die Antworten
„Welche indischen Branchen sind von den 50 % US-Zöllen besonders betroffen?“
Neben Textilien, Schmuck und Leder sind auch Möbel, Chemikalien, Garnelen und ausgewählte Lebensmittel wie Basmati-Reis betroffen. In manchen Warengruppen summiert sich der Zollsatz sogar auf über 60 Prozent, wenn zusätzliche Abgaben berücksichtigt werden.
Hintergründe und bisherige Zollpolitik
Die Entscheidung vom August ist nicht der erste Zollschritt der USA in diesem Jahr. Bereits im April 2025 hatte Washington einen allgemeinen Zolltarif auf verschiedene Länder eingeführt, bei dem Indien mit 26 Prozent bereits überdurchschnittlich belastet wurde. Diese Basiszölle wurden nun mit den neuen 25 Prozent zusätzlich belegt.
Das US Court of International Trade hatte im Sommer Einschränkungen für die präsidiale Zollkompetenz formuliert. Eine Berufung der Regierung ermöglichte es jedoch, die Erhebung vorerst fortzusetzen. Damit agieren Unternehmen beider Länder aktuell in einem unsicheren Rechtsrahmen.
Reaktionen aus Neu-Delhi
Indiens Regierung bezeichnete die neuen Zölle als „unfair“ und „unglücklich“. Gleichzeitig kündigte sie an, den Dialog mit den USA nicht abbrechen zu wollen. Geplant sind sowohl WTO-Schritte als auch bilaterale Gespräche, die ab Ende August fortgeführt werden sollen. Mehrere Ministerien arbeiten zudem an kurzfristigen Hilfsprogrammen für besonders betroffene Exportbranchen.
„Plant Indien Maßnahmen als Reaktion auf die US-Zölle?“
Ja. Indien prüft unter anderem Ausnahmeregelungen für sensible Produkte, Exportförderprogramme und eine stärkere Diversifikation seiner Absatzmärkte. Auch eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen BRICS-Staaten wird diskutiert.
Die Sicht der USA
Aus US-Sicht dienen die Zölle dazu, politischen Druck auf Länder auszuüben, die trotz westlicher Sanktionen weiterhin russisches Öl importieren. Offiziell wird betont, dass die USA weiterhin zu einem fairen Handelsabkommen mit Indien bereit seien, dies jedoch nicht auf Kosten ihrer außenpolitischen Ziele geschehen könne.
Einige US-Unternehmen reagieren bereits. Große Einzelhändler und Modemarken fordern von indischen Lieferanten, die zusätzlichen Kosten selbst zu übernehmen. Andernfalls drohen sie, ihre Produktionsaufträge in Länder wie Bangladesch, Vietnam oder Guatemala zu verlagern.
„Haben US-Unternehmen bereits auf die Zölle reagiert?“
Ja. Neben der angedrohten Verlagerung von Aufträgen werden auch bestehende Lieferverträge neu verhandelt. Einige Branchen erwarten, dass sich Lieferketten nachhaltig verändern könnten.
Wirtschaftliche Folgen für Indien
Ökonomen warnen vor einem Wachstumsdämpfer. Laut einer Analyse von Moody’s könnte das indische BIP-Wachstum im Fiskaljahr 2025/26 um rund 0,3 Prozentpunkte sinken, andere Institute sehen sogar einen Rückgang um bis zu 0,8 Prozentpunkte. Betroffen wären vor allem exportorientierte Bundesstaaten wie Gujarat, Maharashtra oder Punjab.
In Punjab etwa hat der Preis für Basmati-Reis am Hof bereits spürbar nachgegeben. Bauern, die bisher auf den lukrativen Export in die USA gesetzt haben, könnten künftig auf den Anbau von normalem Reis umsteigen, der über staatliche Mindestpreise (MSP) abgesichert ist. Dies hätte auch Folgen für Wasserverbrauch und Anbauplanung in der Region.
„Welchen Einfluss haben die Zölle auf den Basmati-Reismarkt in Indien?“
Die höheren Zölle machen indischen Basmati in den USA deutlich teurer. US-Importeure könnten verstärkt auf Pakistan ausweichen, was Indiens Marktanteil in dieser Premium-Nische gefährdet.
Fristen, Ausnahmen und Unsicherheiten
Offiziell werden detaillierte Listen mit den betroffenen Warencodes (HS-Codes) noch erwartet. Branchenkreise gehen davon aus, dass einige strategische Produkte wie Pharmazeutika oder bestimmte Elektronikgeräte von den härtesten Zöllen ausgenommen bleiben. Die Unsicherheit über den endgültigen Zuschnitt der Maßnahmen erschwert jedoch die Planung für Unternehmen erheblich.
„Wann treten die neuen 50 % US-Zölle auf indische Waren in Kraft?“
Die zusätzlichen Zölle treten am 27. August 2025 in Kraft, also 21 Tage nach der offiziellen Ankündigung. Für einige Produkte gelten aufgrund bereits bestehender Abgaben dann effektive Gesamtsätze von bis zu 50 Prozent.
Marktreaktionen und Währungseffekte
Die indische Rupie geriet nach Bekanntwerden der Zollpläne unter Druck und näherte sich Rekordtiefs. Gleichzeitig stiegen die Preise für Gold und Silber, da Anleger in sichere Häfen ausweichen. Auch Rohstoffmärkte wie Rohöl und Erdgas reagierten mit Kursbewegungen.
Globale Auswirkungen und strategische Fragen
Indien und die USA sind strategische Partner in verschiedenen Bündnissen wie dem Quad (mit Japan und Australien). Die Eskalation im Handelsbereich wirft die Frage auf, wie robust diese Partnerschaften sind, wenn wirtschaftliche Interessen und geopolitische Ziele kollidieren. In sozialen Medien wird häufig diskutiert, ob die USA mit dieser Maßnahme nicht langfristig China indirekt stärken könnten, da indische Exporteure alternative Märkte suchen.
Perspektiven für ein Handelsabkommen
Vor dem Zollbeschluss hatten beide Seiten an einem Interimsabkommen gearbeitet, das ein Handelsvolumen von 500 Milliarden US-Dollar bis 2030 anstrebte. Besonders strittig waren US-Forderungen im Agrarbereich, die Indien ablehnte. Nach dem Zollschritt steht dieses Ziel in Frage, auch wenn offizielle Stellen in beiden Ländern betonen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.
„Welche wirtschaftlichen Folgen haben die Zölle für Indiens Wachstum?“
Prognosen schwanken zwischen minus 0,3 und minus 0,8 Prozentpunkten für das BIP-Wachstum. Neben direkten Exporteinbußen könnten auch Investitionen leiden, wenn die politische Unsicherheit anhält.
Die Rolle der WTO und multilateraler Foren
Indien erwägt, die Zölle vor der Welthandelsorganisation anzufechten. Solche Verfahren sind jedoch langwierig und bieten kurzfristig keine Entlastung. Parallel dazu werden innerhalb der BRICS-Staaten Gespräche über verstärkten Binnenhandel und alternative Zahlungssysteme geführt, um den Druck aus westlichen Sanktionen abzufedern.
Ausblick und mögliche Szenarien
Die nächsten Wochen sind entscheidend. Bis zum Inkrafttreten der Zölle könnten noch sektorale Ausnahmen oder Quotenvereinbarungen erzielt werden. Gelingt dies nicht, müssen Unternehmen entlang der Lieferketten schnell reagieren – sei es durch Kostensenkungen, Preisanpassungen oder die Erschließung neuer Märkte. Gleichzeitig bleibt das Risiko weiterer Eskalationen bestehen, sollte die politische Lage zwischen den USA und Indien weiter angespannt bleiben.
Auch für Konsumenten in den USA wird sich die Situation bemerkbar machen. Höhere Importkosten werden voraussichtlich zumindest teilweise an die Endkunden weitergegeben, was in Zeiten hoher Inflation zusätzlichen Druck auf die Kaufkraft ausüben könnte.
Der Zollstreit zwischen den USA und Indien ist weit mehr als eine bloße Handelsauseinandersetzung. Er ist ein Symptom einer sich wandelnden Weltordnung, in der wirtschaftliche Instrumente immer stärker zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele eingesetzt werden. Ob die beiden Demokratien einen Weg finden, ihre Differenzen beizulegen, hängt nicht nur von wirtschaftlichem Pragmatismus, sondern auch vom politischen Willen ab, strategische Partnerschaften über kurzfristige Konflikte zu stellen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob der Weg zurück zu konstruktiver Zusammenarbeit noch offensteht oder ob sich die Fronten weiter verhärten.